Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Das Gute an Schulferien ist, dass keine Schüler da sind. An der Haltestelle nicht, im Bus nicht, in der Bahn nicht. Kein Geschrei, kein Gerempel, freie Sitze.

Das Schlechte an Schulferien sind, dass überall Schüler sind. In der Innenstadt, im Einkaufszentrum, in der Fressmeile. Überall Zahnspangen mit Primark-Tüten und Bubble-Tea. Und mit ihren Eltern.

„Was möchtest du essen, mein Junge?“
„Pommes.“
„Du suchst dir selbst etwas aus, ja?“
„Pommes. Hab ich doch gesagt.“
„Aber du hattest doch am Samstag schon Pommes.“
„Ist doch egal.“
„Wie wär’s mit Nudeln?“
„Du hast doch gesagt, ich darf mir etwas aussuchen.“
„Natürlich. Aber vielleicht …“
„Pommes.“
„Nur Pommes?“
„Ja.“
„Kein Ketchup?“
„Doch. Mit Ketchup.“
„Also keine Nudeln?“

Sie sind aus dem Sauerland hier eingefallen und aus dem Münsterland. Die Kinder müssen für den Sommer eingekleidet werden, die Eltern haben Urlaub. Sie parken ihr Auto in einem Parkhäuser und fallen über die Läden her wie Heuschrecken. Sie plündern die Snackbars, die Asia-Restaurants und Fast-Food-Ketten.

„Zweimal Pizza Hawaii.“
„Ich mag aber keine Ananas!“
„Früher hast du die immer gerne gegessen.“
„Ananas ist ekelig.“
„Was denn dann? Prosciutto?“
„Margherita.“
„Aber da ist doch gar nichts drauf.“
„Tomaten und Käse.“
„Nicht doch lieber
 Thunfisch?“
Würgegeräusch.
„Also wirklich! Benimm dich!“

Ich hätte vorbereitet sein sollen. Ich hätte mir für meine Mittagspause Schnittchen mitnehmen und woanders hingehen sollen. Nicht dorthin, wo sie alle sind. Stattdessen in die U-Bahn oder in den Bus. Dort ist es  schön ruhig jetzt am Mittag. So ohne Schulschluss.

Je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit.

Ein offenkundiger Beleg dafür ist mein Rasen. Nur ein Wimpernschlag, und er muss wieder gemäht werden. Damals™ als Teenager, unter der Knute meiner Eltern, wurde ich zum Rasenmähen versklavt. Entsprechend mäßig war mein Vergnügen dabei. Jetzt aber habe ich meinen eigenen Rasen. Mit etwas Eigenem ist das natürlich etwas anderes. Jetzt ist Rasenmähen eine Arbeit, bei der ich Wonne und Glückseligkeit empfinde.

Die Vorbesitzer meines Gartens haben mir einen elektrischen Mäher dagelassen: ein älteres Modell der Marke „Blockbeschaller“. Er ist nur unwesentlich leiser als ein Raketenstart. Aber er tut noch. Weil ich allerdings das Rumgetue mit dem Kabel nicht erbaulich finde, meinen Nachbarn nicht auf den Senkel gehen will und ich es, abgesehen von allem anderen, übertrieben finde, meine wenigen Quadratmeter mit dieser Höllenmaschine zu trimmen, habe ich mir einen Handrasenmäher zugelegt.

Rasenmäher auf Rasen

Der Handrasenmäher ist wunderbar leise, und ich brauche ihn nur losschieben. Man kann in der Anwendung praktisch nichts falsch machen. Hat man erst die Schnitthöhe eingestellt, schnurrt das Ding.

Es gibt nur einen Haken: Mein zauberhafter Damenmäher mäht nur bis zu einer Rasenhöhe von fünf Zentimetern. Steht das Gras höher, kämmt der Mäher es wie ein zartfühlender Frisör: streicheln, bürsten, legen. Nur mit roher Gewalt kriege ich den Karren dann so durch die Hecke geschoben, dass er funzt, wie er soll. Der Rasen sieht seither etwas zerrupft aus.

Aber kurz ist er allemal. Was soll’s also! Ein bisschen Schwund ist immer.

Vielleicht sollte ich es das nächste Mal allerdings doch mit dem Raketenmäher versuchen. Oder einfach öfter mähen. Bevor das Kraut wadenhoch steht.

 

Als ich im vergangenen Jahr in mein neues Heim einzog, war mein Garten wild und schön – aber vor allem wild.

Die Verwandtschaft aus dem Sauerland kam, brachte eine Motorsäge mit, haute drei Bäume weg und beschnitt mit der Gründlichkeit eines atomaren Erstschlags das übrige Grün. „Das kommt wieder!“ war ein Satz, der mehr als einmal fiel, den ich allerdings an mehr als einer Stelle anzweifelte.

Doch tatsächlich: Es kommt wieder, alles. Der Kirschbaum zum Beispiel: Er blüht zart in weiß.

Kirschbaumblüte

 

Der Kirschbaum trägt weiß

Auch die übrigen Büsche treiben. Erst vorsichtig wagten sich vor einigen Wochen die ersten Knopsen hervor. Nach den warmen Tagen und dem Regen nun, schlagen sie voll aus. Nicht mehr lange, und sie stehen in vollem Grün.

Buschwerk mit kleinen Teichen

Dort, wo einstmals die große Tanne stand – hoch wie das Haus und mit bestimmt sechs oder sieben Metern Umfang – habe ich ein Gemüsebeet angelegt. Auf Knien habe ich Efeu herausgerissen, Wurzeln gezogen und mit Hacke, Harke und Mistgabeln den Boden umgegraben. So müssen sich die frühen Siedler gefühlt haben, als sie das Land urbar machten.

Gemüsebeet mit Salat, Kohlrabi und Rotkohl

Ich habe zunächst Kohlrabi, Rotkohl und Lollo angepflanzt. Die Gesellen schienen mir robust und deshalb für ein Experiment jenseits von Tomaten geeignet. Bis jetzt halten sie sich tapfer – der Kirschbaum hat vor Freude Konfetti gestreut.

Kohlrabi, Romana-Salat und Lollo

Auch im übrigen Garten sprießt es überall. Finken, Spatzen, Meisen, viele neugierige Rotkehlchen, die dicke Taube und sogar ein Eichelhäher besuchen mich regelmäßig. Wäre ich Rentnerin, ich säße den ganzen Tag auf meiner Terrasse und beobachtete das Leben beim Wachsen.

Blümchen

Was auch immer es ist: Es wächst

Ein alter, bewachsener Baumstumpf

„Wir können mal wieder durch die Kneipen ziehen!“, sagt sie.

Oh Gott, denke ich. Durch die Kneipen ziehen.

„Wir glühen bei mir vor. Dann ziehen wir los.“

Ausgeschlossen.

„Um neun Uhr treffen wir uns bei mir, und um zehn geht’s los. Ja?“

Um zehn bin ich schon das erste Mal eingenickt.

Natürlich, früher™, da haben wir uns um neun Uhr abends getroffen, haben uns Wodka in Colaflaschen gekippt (Wir hatten ja nix! Nicht mal Alkopops!) und danach sind wir in irgend’ne Disko gezogen. Aber damals™ war ich achtzehn. Heute bin ich doppelt so alt, doppelt so müde und brauche doppelt so viel Ruhe.

„Wir könnten auch was Schönes kochen“, sage ich. Danach ein Gläschen Prosecco auf dem Sofa, ein bisschen klönen, und um zwölf gehen alle ins Bett.

„Eine gute Grundlage für die Nacht!“, sagt sie. „Sehr gut!“

Freunde mit Kindern erwähnen gerne, dass sie nicht mehr so wie früher™ um die Häuser ziehen können. Dass sie nun zu Hause bleiben müssen. Dass sie nicht mehr einfach so ausgehen können. Ich kann auch ohne Kinder nicht ausgehen.

„Komm schon!“, sagt sie. „So richtig einen drauf machen! Cocktails und’n bisschen dancen!“

„Vielleicht nächstes Wochenende“, sage ich.

Wahrscheinlich aber nicht.

Eisbär, Affe & Co., Elefant, Tiger & Co., Giraffe, Erdmännchen & Co., Leopard, Seebär & Co., Nashorn, Zebra & Co., Panda, Gorilla & Co., Pinguin, Löwe & Co., Seehund, Puma & Co., Wolf, Bär & Co., Das Waisenhaus für wilde Tiere.

Vergangene Woche lag ich krank danieder, litt, röchelte, schaltete den Fernseher ein und traf auf: siehe oben. Dieses Ausmaß war mir nicht bewusst. Weltkriegs-Dokus habe ich daraufhin gar nicht erst angefangen zu zählen. Überall Bomben, Zeitzeugen, Kriegsmaschinerie, Schützengräben. Wer guckt sowas? Ich meine, es muss ja ein Publikum dafür gehen, sonst würden sie es nicht senden.

Ich habe mal spaßeshalber Auslandseinsätze gegoogelt. Die aktuellen der Bundeswehr, nicht die der Wehrmacht. Also etwas, das im weiteren Sinne mit meinem Leben und meiner Generation zu tun hat. Es sind derzeit 14. Das sind vier mehr, als es Zoo-Dokus gibt. Erstaunlich, oder? Könnten Sie sie nennen?

Nicht, dass ich jetzt nur noch Flecktarn sehen möchte. Aber ein bisschen weniger Eisbär, Panda und Hitler, und ich hätte nicht die gesamte achte Staffel Grey’s Anatomy gucken müssen. Denn OH MEIN GOTT, SIE SIND MIT DEM FLUGZEUG ABGESTÜRZT UND CHRISTINA VERLÄSST OWEN UND MCDREAMY IST SO SCHÖN UND ICH MUSS SOFORT DIE NEUNTE STAFFEL RUNTERLADEN !!!11 EINSELF

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Nachbarn haben eine gewisse Tradition in diesem Blog. Wer schon länger hier liest, kennt den Oberinspektor und die Ketchup-Familie, den Ghettonetto und die Entenmutti.

Auch die neue Wohnung hat eine Nachbarschaft. Sie trägt einen Großteil der Verantwortung dafür, dass ich wohne, wo ich nun wohne.

Denn zwei Stockwerke über mir residieren der Coach und seine Kreisläuferin. Sie haben mich, als sie erfuhren, dass unter ihnen etwas frei wird, mit der freien Wohnung bekannt gemacht. Danach haben sie mich direkt Giovanni vorgestellt, einem berenteten, schnauz- und backenbärtigen Lebemann aus dem Dachgeschoss.

Der Coach, die Kreisläuferin und Giovanni wussten bereits vor mir, dass ich zukünftig mit ihnen wohne werde; es gab für sie niemals Zweifel daran, dass ich einziehen wolle. Hegte ich sie, so zerstreuten sie sie mit einem freundschaftlichen Schulterkopfen, führten mich zum Tapas-Essen aus und gaben mir alles in allem das Gefühl, die Sache sei geritzt. Noch vor Erwerb der Immobilie schmiedeten die Drei Pläne, wie man das Zusammenleben gestalten könne: gemeinsame Dolce-vita-Abende und BVB-Samstagnachmittage, Grillfeiern und gegenseitiges Tomatengießen –  als ich schließlich einzog, war es wie Nachhausekommen.

Die Kreisläuferin hatte von Anfang an Ideen, wie ich meinen Garten gestalten könne. Der Gemüseanbau müsse natürlich intensiviert werden. Außerdem sei eine Haustierhaltung erstrebenswert: Ein Hausschwein wäre schön. Es müsse keine ausgewachsene Muttersau sein; ein Minischwein reiche schon, solch ein Tier sei auch sehr gelehrig, wir könnten ihm Kunststücke beibringen.

Der Coach war skeptisch und votierte für eine Schildkröte als das höchste der Gefühle. Giovanni schaffte sich kurzerhand selbst acht Prachtfinken an. Aber davon ab, sagte er, Fink hin oder her: Ein Minischwein sei tatsächlich eine gute Idee; für einen Esel sei der giardino ja leider ein bisschen klein.

In den vergangenen Wochen ruhte das Thema. Ich war nicht unglücklich darüber, denn ich las, dass Minischweine 50 Quadratmeter Auslauf benötigen und überdies nicht alleine leben möchten, also Minischweingesellschaft brauchen, so dass man unweigerlich zur Minischweinezüchterin wird, wenn man die Sache denn einigermaßen ernst nimmt. Die Schweine-Idee geriet also wohlwollend in Vergessenheit – bis zum Wochenende. Da nämlich feierte ich ein kleines Fest und bekam von Giovanni, quasi als Gedächtnisstütze, geschenkt:

 

Mini-Schwein aus Luft

 

Wenn Sie mich fragen, genügt das erstmal als Haustier. Je nachdem, wie der Wind im Wohnzimmer steht, läuft es mir sogar hinterher.

 

Wissen Sie, warum ich meinen Körper gerne habe? Er ist so fürsorglich. Plagt ihn ein Gebrechen, schafft er sich sofort ein zweites an, damit sich das erste nicht einsam fühlt.

Ich habe nämlich mal wieder sauschweren Männerschnupfen. So richtig schlimmen Schnuppen mit Rotz bis unters Dach, rasselndem Husten und diesem Unterwasser-Gefühl in den Ohren, bei dem man seine eigenen Kaugeräusche hört. Hätte ich mit dieser Krankheit nicht bereits gegenteilige Erfahrungen gemacht, würde ich sagen: Es geht zu Ende mit mir.

Als ob das nicht schon genug wäre, hat mein Körper sich gedacht: „Ach je, so ein armer, einsamer Männerschnupfen. Der kann nicht alleine bleiben! Alleine kommt er doch gar nicht zurecht. Ich stelle ihm ein Zipperlein zur Seite, damit er Gesellschaft hat.“

So hat mein Körper mich gestern niesen lassen – und Sie wissen selbst: ein Männerschnupfen-Nieser, das ist kein zartes, weibisches Hatschiiii. Das ist ein Tornado! Ich musste also niesen, und weil ich mich gerade vornüber gebeugt hatte, um etwas im Schrank zu suchen, hat es mir – zack!, den Rücken verrissen. So liege ich nun da: siech, gekrümmt und verrotzt.

Während ich vor mich hin rekonvalesziere, schaue ich in den Garten und sehe dort, dass die dicke Taube jetzt einen Liebhaber hat. Ist das nicht zauberhaft? Das Eichhörnchen tollt außer Rand und Band über Zäune und Äste; und die schwarze Katze fängt tatsächlich erfolgreich Mäuse.

Ich habe seit Montagmittag außerdem bereits acht Folgen Grey’s Anatomy geguckt und kann nach meiner Genesung direkt in eine Karriere als Chirurgin einsteigen. Wenn das alles mal keine guten Nachrichten sind.



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