Pfingsten im Allgemeinen | Es gibt wenig Aufregendes zu berichten. Die Tage mäandern dahin, die Sonne scheint, die Welt staubt, die Natur wartet auf Regen, und ich wandere durch die Gegend.
Pünktlich zum Fest erblühte die Pfingstrose im Garten.
Die Bienen und Hummeln befinden sich seither in wilder Ekstase.
Die Anzahl der Menschen, die ich treffe, wird langsam wieder größer.
In den ersten zwei Corona-Monaten, von Mitte März bis Mitte Mai sah ich aus der Nähe nur zwei Menschen. Aus der Ferne traf ich manchmal drei weitere Menschen: die Stadtteilfreundin und die Nachbarn. Das war’s.
Daran gemessen umgab ich mich in den vergangenen drei Tagen mit exorbitant vielen Leuten: Am Samstagmorgen stand ich früh auf und ging mit der Stadtteilfreundin um den See, am Sonntag schaute ich mit Menschen Fußball, heute traf ich eine befreundete Familie.
DerSamstag im Speziellen | Nach dem Seegang am Samstagmorgen verbrachte ich den Tag im Garten, frühstückte spät, las, schlief im Liegestuhl ein, grub ein bisschen herum, harkte und mähte den Rasen.
Am Abend gönnte ich mir Spargel mit einem Stück Fleisch, gegrillt auf dem Grill der an diesem Wochenende ausziehenden Nachbarn.
Ich hatte dem Herrn Nachbarn nahegelegt, dass der kleine Balkongrill, den er bis anhin im dritten Stock nutzte, dem neuen Einfamilienhaus kaum angemessen sei. Es sei vielmehr geboten, ein Gerät anzuschaffen, dass besser zur Immobilie passe; einen Grill, der – ebenso wie das neue Gebäude – mehr Möglichkeiten biete. Der kleine Balkongrill, sagte ich, werde sich im neuen Garten bestimmt verlieren. Ein größerer Grill sei folgerichtig, quasi unabdingbar.
Das sah er ein. Ich erbot mich uneigennützig, den nun verwaisten Grill gegen ein Entgeld zu übernehmen. So wohnt er nun bei mir im Erdgeschoss, und ich kann wieder grillen.
DerSonntag im Speziellen | Gestern wanderte ich umher. Ich schnürte die Sandalen, packte mir eine Flasche Wasser ein und ging los: über Berghofen in den Schwerter Wald, von dort in die Aplerbeckermark bis nach Lichtendorf und über Aplerbeck und das Schürener Feld zurück nach Hause – insgesamt 14 Kilometer.
Auf dem Berghofener Tunnel stehend konnte ich fast das Meer sehen:
Im Wald war es wunderbar schattig. Gleichzeitig gefiel es mir, in der Sonne durch die Felder zu laufen. Ein schöner Spaziergang.
Am Abend fuhr ich noch 20 Kilometer Fahrrad, zum Haus der nun ehemaligen Nachbarn und wieder zurück: Fußball schauen, Besichtigung der neuen Räumlichkeiten und Testessen vom neuen Grill.
Während der Besichtigung sagte die Nachbarin, dass ihre frisch umgezogene Badematte farblich nicht ins neue Badezimmer passe und sie sich eine neue anschaffen wolle. Ich erbot mich, das Stück zu übernehmen und es zu seinem Freund, dem Grill, zurückzubringen. Denn meine Badematte verliert seit Wochen mit jedem Ausklopfen Streifen; sie ist inzwischen nur noch die Hälfte. So fuhr die nachbarschaftliche Matte mit mir zurück.
Grill, Matte – es läuft gut. Mal sehen, was beim nächsten Mal erbe.
Der Montag im Speziellen | Heute war ich aus Gründen ein bisschen hüftsteif. Man ist ja doch keine Zwanzig mehr.
Ich arbeitete etwas, verbrachte den Tag im eigenen sowie im Garten einer befreundeten Familie. Dort wechselten wir zwischen Hollywoodschaukel und Luftmatratze, dazu gab es herzhafte Waffeln. Das war der Regeneration zuträglich.
Heureka | Ich habe heute gelernt, wie Dicke Bohnen aussehen, bevor sie im Supermarkt im Glas stehen. Nämlich so:
Sensationell. Noch nie vorher drüber nachgedacht. Herausgefunden mit der Pflanzenbestimmungs-App „Flora Incognita“.
Krasse Idylle | Beim Spaziergang war außerdem die Wiese schön.
Gefreut wie’n Schnitzel | Heute habe ich mich sehr gefreut. Beim Kunden habe ich ein interdisziplinäres Team abmoderiert. Seit etwas mehr als einem Jahr haben Mitarbeitende Probleme in einem Handlungsfeld der Organisation analysiert, Ursachen erforscht, dem Management Lösungen empfohlen und sie anschließend umgesetzt.
Die Arbeit des Netzwerks ist jetzt vorbei – die weitere Umsetzung der Maßnahmen ist sehr operativ und erfolgt aus dem laufenden Tagesgeschäft heraus. Die Feedbackrunde sowohl von Seiten der Auftraggeber als auch von den Mitarbeitenden war prima. Es ist ein gutes Gefühl, die richtige Methodik eingesetzt und etwas bewegt zu haben. Zwei Mitarbeiter haben mich nachher nochmal persönlich angerufen und sich bedankt. Das war toll.
Staubtrocken | Die Wetteraussichten sagen für die kommenden zwei Wochen Sonne, bis zu 26 Grad und weiterhin keinen Regen voraus. Dann hat es in Dortmund seit 18 Wochen nicht nennenswert geregnet. Aber hey, lasst uns eine Autokaufprämie einführen. Bestimmt eine super Idee.
Riechkauf ohne riechen | Gestern war ich zum ersten Mal seit drei Monaten wieder in der Innenstadt. Abgesehen davon, dass ich auch sonst nicht oft in die Innenstadt fahre, sondern fast alles im Stadtteil erledige, hatte ich in den vergangenen Wochen noch weniger Grund,dorthin zu fahren. Gestern war ich aber dort, und wo ich schonmal dort war, konnte ich auch gleich mein Deo in diesem Rituale-Duftladen kaufen.
Allerdings war es so, dass der Ritualeladen mein dunkelgrünes Deo nicht mehr führt. Es gibt jetzt eine mittelgrüne und ein glitzergrüne Linie, aber keine dunkelgrüne mehr, wobei nur die mittelgrüne Linie ein Deo im Portfolio hat. Das ist ja eine Sache, die sich mir nicht erschließt: Warum gibt es von der einen Farbe alle Produkte, von der anderen Farbe nur fast alle Produkte? Wie auch immer: Die glitzergrüne Linie, also die Linie ohne Deo, enthält Lavendel, was ich sehr mag. Da tut sich allerdings eine andere Frage auf: Wieso macht man etwas, das nach Lavendel riecht, Flittergrün?
Egal. Zurück zum Deo. Das mittelgrüne Deo soll genauso sein wie das ehemals dunkelgrüne und ebenso riechen. Es gibt darüber allerdings verschiedene Meinungen. „Riechen Sie einfach selbst!“, sagte die Verkäuferin. „Aber lassen Sie die Maske dabei auf!“ Sie hätte Sie mir auch sagen können: „Gucken Sie mal hier, diese Farben! Aber lassen Sie die Augen zu.“ Ich sprühte also Deo in die Gegend, hielt mein Gesicht rein, roch meinen Atem und sagte: „Wunderbar, kaufe ich.“
Was will man sich mit diesen Petitessen auch lange aufhalten.
Außengastronomie | Thema Garten. Bis vor Kurzem hockte das puschelige Dompfaffenbaby im Baum, tschiepte gotterbärmlich und wurde daraufhin gefüttert. Nun frisst es selbst. Wenn es nicht tagträumt. Es sitzt dann mit seinem Vater am Futterspender (dem neuen), frisst und guckt in die Gegend. Der Vater stupst es an, und es frisst weiter. Dann guckt es wieder in die Gegend, der Vater stupst es an, …
Angeguckt | Erinnern Sie sich an die Babyfotos von Anne Geddes, der Fotografin, die aus Säuglingen Marienkäfer machte, ihnen Kohlköpfe aufsetzte und sie in Tulpen steckte? So sehen die Babys heute aus. Spoiler: Sie tragen keine Kohlköpfe mehr.
Trendscouting | Ich habe Steine bemalt. Machen jetzt viele, und ich bin ja gerne unterwegs, um Menschen zu verstehen. Steine zu bemalen, soll beruhigen. Man hat auch das Gefühl, eine Spur auf dieser Erde zu hinterlassen. Außerdem habe ich viele Steine im Garten; die Erde meines Gartens ist durchwirkt von Steinen. Denen stünde ein schönes Motiv gut zu Gesicht.
Ich kaufte mir also Acrylfarben und bemalte Steine, und was soll ich sagen? Es hat mich aggressiv gemacht.
Reisen | Eine Sache, die ich nicht verstehe, ist die Reisefixiertheit in Zeiten der Pandemie. Warum möchten Menschen in diesem Jahr dringend verreisen? Warum nicht mal ein Jahr zuhause bleiben? Es interessiert mich ernsthaft.
Zumal mir scheint: Diejenigen, die einen Urlaub andernorts wirklich nötig hätten – Familien in beengten Verhältnissen, ohne Garten, mit Existenzsorgen, zerrieben im Funktionierenmüssen zwischen Kindern und Arbeit -, sind gerade nicht diejenigen, die nun Ferienhäuser buchen und die Strände und Promenaden der Nord- und Ostsee bevölkern werden.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich reise selbst gerne. Ich mag neue Eindrücke, Ausblicke, Begegnungen, Entdeckungen. Die aktuelle Zeit schlaucht, der Takt ist hoch, eine Auszeit am Strand oder in den Bergen wäre super. Ich wünsche jedem Hotelier, jedem, der vom Tourismus abhängig ist, sein Auskommen. Dennoch: Wir brauchen kein zweites Ischgl an der Ostsee. Warum können wir uns nicht ein bis zwei Jahre lang einschränken? Wie sollen wir mit dieser Haltung den Klimawandel hinkriegen?
Schafe | Die Schafe sind umgezogen, dreihundert Meter das Feld hoch.
Als der Schäfer kam, war großes Hallo. Alle Schafe guckten zu, wie er die Hütehunde fütterte.
Ich mag Schafe. Sie sind gleichzeitig neugierig und ängstlich. Diese widerstreitenden Gefühle zerren an ihnen wie ein unsichtbares Seil. Sie kommen und gucken, aber nicht zu nah. Gleichzeitig wollen sie genau wissen, wer da am Zaun steht. Andererseits: Besser nicht. Obwohl – vielleicht, also, etwas näher ginge wohl noch. Oh! Die Person bewegt sich. Lieber so tun, als wäre sie uninteressant. Nur noch einmal kurz gucken …
Nebendran war das Feld schön.
Nachtrag | Noch ein paar Gedanken zu Familien und Corona – ein Zitat von Hannah Arendt:
Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt jedoch in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um Meinungen.
Die Belastung durch Homeschooling, Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit ist eine Tatsache, keine Meinung. Dass Schulen und Kitas zwar wieder öffnen, diese Öffnung aber mehr Probleme verursacht, als sie löst, scheint mir auch keine Meinung, sondern eine Tatsache.
Gleichwohl, selbst wenn wir diese Tatsachen anerkennen würden, werden die Schlüsse, die wir ziehen, und die Handlungen, die unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven ableiten, divergieren. Kontingenzen und Mehrdeutigkeiten, wir sprachen darüber.
Das macht aber nichts. Allein, dass wir Tatsachen als Tatsachen anerkennen, führt dazu, dass wir über Lösungen diskutieren und nicht darüber, mit welchen Argumenten wir das Problem negieren möchten.
Inzwischen werden erste Schulen und Kitas (Berlin/Brandenburg, Bremen) wieder geschlossen, weil Corona-Infektionen auftraten.
Es ist mir ein Rätsel, warum niemand Eltern, Kindern (!) und Lehrer*innen zuhört. Sie wissen doch am besten, was ihnen (abgesehen von einem regulären Betrieb) hilft und was sie brauchen – zumal nach den vorangegangenen Wochen. Eine – gemessen an der Zahl der Gesamtbetroffenen – überschaubare Menge Leitfadeninterviews, und ich bin sicher: Wir werden relativ rasch eine Schnittmenge an Hinweisen erkennen, was Familien wirklich brauchen in dieser Situation. Nur: Wer fragt, muss mit den Antworten leben. Vielleicht fragt deshalb niemand.
Gelesen |Frauen, seid dankbar – ein Beitrag über Wirtschaftsbereiche, in denen menschliche Arbeit wesentlich für die Produktion oder Dienstleistung ist und die sich dadurch kaum bis gar nicht optimieren, automatisieren und standardisieren lassen. Der Anteil von Frauen ist in diesen Bereichen überdurchschnittlich hoch – bei schlechter Entlohnung. Die Tätigkeiten sind jedoch Voraussetzung, dass Arbeit in anderen Wirtschaftsbereichen überhaupt stattfinden kann.
Schritte | Lassen Sie uns mit Positivem beginnen: Der Schrittzähler sagt, der Monat Mai sei ein guter Monat. Nicht so gut wie der Januar, als ich auf dem Inselchen weilte und fortdauernd wanderte, aber dennoch gut, deutlich besser als der Durchschnitt.
Dazu trug auch das Wochenende bei, als ich meine Schuhe schnürte, mir eine Trinkflasche in den Rucksack packte und diesmal nicht nach Süden, sondern nach Norden ging, zum Hauptfriedhof.
Der Dortmunder Hauptfriedhof umfasst 118 Hektar und ist für seinen alten Baumbestand bekannt. 8.200 Bäume stehen dort, auch exotische. Der Hauptfriedhof ist damit einer der größten und auch einer der schönsten Parks Dortmunds – neben dem Botanischen Garten Rombergpark und dem Westfalenpark.
Aufgeschnappter Dialog an einem Grab:
„Mann, mann, wat hat die noch geredet kurz vorm Tod. Ich versteh‘ dat nich‘. Ich mein, ich hab‘ die sowieso nie verstanden. Aber eine Sache hab‘ ich noch viel weniger verstanden: Als Kind war’se so ruhich. Und später hattse dich in Grund und Boden gelabert.“ „Getz‘ isse still.“
Auf dem Rückweg formte sich vor meinem inneren Auge immer präziser das Bild eines Spaghetti-Eises. Ich hielt es für sinnvoll, meine Erinnerung an Spaghetti-Eis einem Update zu unterziehen. Saisoneröffnung:
Corona, Eltern, Kinder und wir alle | Die Eltern werden lauter. Gut so.
Ich versuche schon seit Tagen, meine Gedanken zum Thema „Corona, Eltern, Kinder, Schule und Kita“ zu sammeln und irgendwie einen Knopf an die Sache zu kriegen, komme aber nicht so richtig zu Potte. Deshalb teile ich mal meine losen Gedanken. Die drehen sich weniger um den konkreten Alltag, sondern sind eher ein Blick aus der Vogelperspektive.
In der ganzen Thematik erkenne ich Muster, die ich auch andernorts erkenne, in der Gesellschaft, in Organisationen – und die weder gesund noch zielführend sind:
MusterI: Wer ein Problem adressiert, ist automatisch für die Lösung zuständig. Stattdessen sollte es okay sein zu sagen: „Ich habe etwas erkannt, lass uns darüber reden.“ Eltern müssen sagen können: „Die Situation für Familien ist kaum mehr erträglich, das geht so nicht mehr“, ohne direkt selbst eine Lösung zu liefern Weil es keine einfachen Lösungen gibt.
MusterII: Die Lage der Beteiligten nicht anerkennen und ihnen nicht in ihrem Urteil vertrauen. Das führt dazu, dass die Beteiligten verstummen, in den Protest gehen, innerlich kündigen. Der Zusammenhalt und die Solidarität bröckeln. Wir sollten zuhören statt mit dem Finger aufeinander zu zeigen, Grundvertrauen statt Grundzweifel haben.
Muster III: Herumdoktorn an Symptomen. Das, was wir sehen und was im Alltag Schmerzen bereitet, sind meist nur Symptome. Die Ursachen aber sind andere. Wenn wir an Symptomen herumdoktern, lindern wir sie für eine kleine Gruppe, eine andere Gruppe hat danach noch mehr Schmerzen. Also fängt man an, die Symptome für die zweite Gruppe zu lindern, woraufhin die erste und eine dritte Gruppe wiederum Nachteile hat. Die Probleme, mit denen Familien derzeit konfrontiert sind – Doppelbelastung, Unvereinbarkeit, Schulsituation, Sorgearbeit mehrheitlich bei Frauen, alles verschärft bei Alleinerziehenden – sind nur die äußerlichen Zeichen eines tieferliegenden Problems.
Außerdem beobachte ich das Fehlen zweier Kompetenzen:
Ambiguitätstoleranz – die Unfähigkeit, mit Mehrdeutigkeit, Widersprüchen und Ungewissheit umzugehen. In der Familiendebatte gibt es verschiedene Positionen, die alle richtig und stichhaltig sind, obwohl sie das Gegenteil behaupten. Ambiguitätstoleranz bedeutet auch: Ich gehöre Personengruppe A an und würde durch eine Position B Nachteile erfahren, heiße Position B aber trotzdem gut und unterstütze sie.
Das Vermögen, in Kontingenzen zu denken: Etwas, das kommen wird, kann auf die eine, aber auch auf eine andere Weise möglich sein und eintreten – und vielleicht auch gar nicht. Zwei Menschen können dieselbe Sache auf unterschiedliche Weise wahrnehmen – und ein unterschiedliches Handeln ableiten. Wenn ich denke, ich bin richtig unterwegs, sollte ich gleichzeitig annehmen, ich sei falsch.
Die Muster und das fehlendes Vermögen, mit Mehrdeutigkeit und Kontingenzen umzugehen, erschweren die Debatte – zumal, wenn sie gemeinsam auftreten.
Eines der zugrunde liegenden Probleme ist doch: Wir leben die Welt der Erwerbsarbeit und die Welt der Sorgearbeit als unabhängige Sphären – als hätten sie nichts miteinander zu tun. Hatten sie auch lange Zeit nicht und haben sie in einem Viertel der Familien immer noch nicht: Vatta geht schaffen, Mutta kümmert sich um den Rest.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2020, wir sind überein gekommen, dass die Erde keine Scheibe ist. Männer finden es ganz geil, ihre Kinder auch mal länger als 20 Minuten am Tag zu sehen. Frauen hätten gerne mehr vom Leben als „Tempo, kleine Schnecke“ bei gleichzeitig drohender Altersarmut. Vier-Zimmer-Küche-Bad verlangen ohnehin zwei Gehälter, zumindest wenn man in diesen Räumen auch Heizung und elektrisches Licht betreiben möchte. Darüber hinaus möchten alle Beteiligten ihr Leben gerne erfüllend gestalten: Blut, Schweiß, Tränen und Aufopferung gut und schön, muss phasenweise sein – doch der Mensch hat unterm Strich schon gerne Sinn, Entwicklung und Perspektive in seinem Leben.
Anmerkung am Rande: Sätze wie „Es ist doch toll, ganz für seine Kinder da zu sein!“ hört man auch immer nur aus dem Munde derer, die außerhalb ihrer Familien viel zu wichtig sind, um das zu tun, was sie als so wundervoll propagieren.
Aber ich schweife ab. Worum geht es also? Das Kernproblem der ganzen Vereinbarkeitdebatte liegt doch darin, dass wir trennen, was sich gegenseitig bedingt. Arbeit und Sorgearbeit sind zwei Säulen des gemeinschaftlichen Lebens. Beide halten das Gebäude unserer Gesellschaft stabil. Beide brauchen wir, um uns als Individuum erfüllt zu fühlen. Beide Säulen helfen uns, unsere emotionale und finanzielle Existenz zu sichern. Beides wollen wir. Wer in der Familie und mit Freunden Gutes erfährt, hat Kraft und Motivation für die Arbeit. Wer Freude in der Arbeit erlebt, nimmt sie mit in die Sorgearbeit. Beides gibt, beides nimmt. Deshalb haben wir uns als Gesellschaft entschieden, jedem Bürger und jeder Bürgerin zu ermöglichen, für Kinder zu sorgen und gleichzeitig einem Beruf nachzugehen – in der Theorie. In der Praxis funktioniert das oft nicht oder bringt die Beteiligten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Es hört ihnen nur niemand zu, weil: Muster I, Muster II, Muster III – und weil wir getrennt denken, was voneinander abhängt.
Was wir brauchen, ist eine neue Kalibrierung: Wir sollten die Erwerbsarbeit gemeinsam mit der Sorgearbeit denken. Damit meine ich nicht, dass jeder von uns beides gleichzeitig tun sollte. Denn wer Sorgearbeit leistet, kann nicht gleichzeitig erwerbsarbeiten; wer erwerbsarbeitet, kann nicht in der gleichen Minute Kinder betreuen oder Angehörige pflegen. Aber wir müssen beides zusammen denken.
Öffnungszeiten von Kitas, Lebensarbeitszeitkonten, Grundeinkommen – keine Ahnung, was helfen würde. Ich weiß nur: Es ist eine Frage des Willens. Gleichzeitig bin ich überzeugt: So richtig viel müssten wir gar nicht ändern. Es würde schon helfen, wenn wir die Mittel, die wir haben, auch leben. Jede Büro-Organisation kann morgen damit beginnen, Meetings nur zwischen 9 und 15 Uhr stattfinden zu lassen. Niemand hält heute, im Mai 2020, eine Geschäftsführerin davon ab, mehr Remote-Arbeit zu ermöglichen und die Arbeit unabhängiger von Ort und Zeit zu gestalten. Ich bin sicher, dass es auch für viele Vor-Ort-Tätigkeiten, für Handel, Industrie und Handwerk, Ideen gibt.
Dass nicht die eine Lösung für die Thematik „Corona und Familien“ existiert, ist klar. Mit gutem Zuhören und gemeinsamem Abwägen würden wir das ganze Schlamassell allerdings besser hinkriegen – und sei es nur, weil wir uns gegenseitig Wertschätzung entgegenbringen und zum Denken ermuntern. Denn allein dadurch, dass wir gemeinsam Alternativen denken, entstehen neue Möglichkeiten. Denn wenn man etwas denken kann, kann man es auch bewegen.
Ach, und noch was | Wenn ich in Zusammenhang mit Vereinbarkeit von „Karriere“ lese, kriege ich jedesmal Pickel.
Karriere ist etwas, das passiert, während man sich entwickelt, wenn man seiner Tätigkeit mit Freude und Engagement nachgeht. Im Gegensatz dazu wird in der Vereinbarkeitsdebatte – gerade in Hinblick auf Frauen – „Karriere“ als ein Ich-zentrierter, egoistisch motivierter ökonomischer Aufstieg unterstellt. Darum geht es aber doch gar nicht. Vielmehr geht es um Existenzssicherung, um Sinnstiftung, ums Fortschreiben einer persönlichen Entwicklung und um das Gewährleisten einer ökonomischen Unabhängigkeit.
Und noch was | Noch eine Parallele zur Arbeitswelt: Ich habe selbst keine Kinder, aber ich kapiere diese Familien-, Kinder- und Coronaproblematik trotzdem. Verrückt, ne? Vielleicht muss man also gar nicht Wirtschaftsinformatik studiert, einen Dr.-Ing. in Maschinenbau und einen Penis haben, um im Vorstand eines DAX-Konzerns zu sitzen?
Aber ach, was weiß ich schon. Jetzt wird es auch langsam unsachlich.
Schafe | Wenden wir uns den Dingen zu, von denen ich etwas verstehe: den Nichtigkeiten des Vorstadt-Alltags.
Auf dem Weg zum Hauptfriedhof begegnete ich wieder den Schafen. Sie standen diesmal an anderer Stelle und waren geschoren. Immerhin haben meine Gänge nun Ziel und Zweck: Schafe suchen, Schafe finden, Schafen Hallo sagen.
Während des Spaziergangs hörte ich Herrn Drosten zu. Die Folge zum Alltagsverstand war amüsant. Er sagte 45 Minuten lang sinngemäß: „F*ck you, Nobelpreisträger. F*ck you, Professoren. F*ck you, Presse“, drückte sich dabei allerdings sehr seriös und professoral aus.
Corona-Ziel: So dissen können wie Christian Drosten.
Zeitrechnung | Ähnlich der christlichen Zeitenwende gibt es in meinem Leben die Corona-Zeitenwende.
„Das muss vor Corona gewesen sein. Denn ich kam einen Tag vorher aus Heidelberg, und wir haben im Café gesessen.“
„Das war nach Corona-Beginn, als es schon kein Klopapier mehr gab.“
Inzwischen dauert die Corona-Zeit so lange an, dass es innerhalb der neuen Zeitrechnung bereits eigene Zeitrechnungen gibt.
„Das war nach Corona-Beginn, aber bevor die Schafe kamen.“
Gartenstatus | Die Thorstens gedeihen.
Der Garten hat jetzt Mohn.
Gelesen |Tommi Kinnunen: Wege, die sich kreuzen. Finnland zwischen Ende des 19. und Ende des 20. Jahrhunderts. Der Autor nimmt uns mit in das Leben von vier Figuren, drei Frauen, ein Mann – eine Familie. Er erzählt vom Leben in der Wildmark, vom Leben miteinander, von Entbehrungen und Sehnsüchten. Die Auflösung kommt erst auf der vorletzten Seite, das war stark. Hat mir gut gefallen. Lese-Empfehlung.
Über den Weg gelaufen | Der britische Broadcaster BBC hat ein neues Feature: BBC together. Man kann nun, obwohl örtlich getrennt, gemeinsam das Programm schauen, es anhalten, zurückspulen, gleichzeitig chatten und videotelefonieren.
Mmmpf | Je länger ich in Isolation lebe, desto griesgnaddeliger werde ich. Alles, wirklich alles, einschließlich ich mir selbst, geht mir in diesen Tagen auf die Nerven.
Corona mit Familie ist nicht einfach. Corona alleine ist es auch nicht.
Milchreis | Seit Wochen wohnt eine Packung Milchreis in meiner Küchenschublade. Es wurde Zeit, dass wir uns kennenlernen.
You never corona alone | Die Heimat schenkte mir heute einen thematischen Mund-Nasen-Schutz.
//*summt „Heja BVB, Heja BVB …“
Gelesen |Igor Levit Is Like No Other Pianist. Das Magazin New Yorker portraitiert den in Berlin wohnenden und politisch aktiven Pianisten Igor Levit, der in den vergangenen Wochen täglich ein Konzert auf Twitter gestreamt hat.
Gelesen | Finnland hat das Grundeinkommen getestet und wird es nicht flächendeckend einführen – denkt aber weiter daran herum. Denn es gehe darum herauszufinden, …
… was Menschen brauchen, um sich als wertvoller Teil der Gesellschaft und motiviert zu fühlen. Wir haben gelernt, dass es nicht reicht, ihnen einfach nur Geld zu schenken und zu hoffen, dass sich damit alle Probleme von allein lösen.
Lohnarbeit sei dabei nicht der einzige Maßstab für Erfolg. So sei zum Beispiel doppelt so viel Freiwilligenarbeit geleistet wurden. Andere unbezahlte Arbeit – etwa die Betreuung von Angehörigen – sei um ein gutes Drittel angestiegen. Die Menschen seien weniger gestresst und fühlten sich psychisch gesunder.
Abstract | Ein Tag in maximaler Apathie, flankiert von grünem Spargel an gekräutertem Hüttenkäse.
Stil | Eine Szene möchte ich noch erzählen; ich vergaß sie bei meinem letzten Eintrag.
An einem Abend in der vergangenen Woche fuhr ich in den Supermarkt. Es war schon spät, eine Viertelstunde vor Feierabend. Die Angestellten rollten die Blumen rein, hinter der Aufschnitttheke begann das Saubermachen. Vor den Molkereiprodukten stand ein Mann. Er hatte gerade erst den Laden betreten, ebenso wie ich, und er fiel auf, denn er war chicker gekleidet als das sonstige Publikum: Anzughose und ein weißes Hemd, beides adrett, „Slim Fit“ sagt man wohl, dazu hellbraune Lederschnürschuhe und ein hellbrauner Gürtel. Ein Mann, der eindeutig aus einem Büro kommt, der wahrscheinlich sogar ein eigenes Büro mit einem eigenen Schreibtisch hat – ein Schreibtisch, der mit leisem Sirren hoch und runter fährt, wenn man auf einen Knopf an der Seite drückt. Ein Mann, der auf einem Stuhl sitzt, der nicht nur Armlehnen, sondern auch eine Kopfstütze hat – eine Kopfstütze, an die er sich anlehnt, wenn er Telefonate führt. Der linke Unterschenkel ist dabei auf dem rechten Knie abgelegt, Falke oder Happy Socks, die Hand mit der Uhr fährt durchs Haar. Zwischendurch steht er auf und läuft gestikulierend im Zimmer umher, sieht dabei flüchtig aus dem Fenster hinab auf den Mitarbieterparkplatz, auf dem in diesen Tagen nicht einmal die Hälfte der Fahrzeuge stehen.
Dieser Mann nahm nun zwei Packungen Milch aus der Kühlung, Bio-Vollmilch ohne Fettreduktion, und wendete sich dem Käse zu. Ich überholte, zog an ihm und der Kühltheke vorbei, ließ Marmelade und Brot rechts liegen und bog in Richtung Reis ab. Als ich dort fertig war, traf ich ihn wieder, wie er vor dem Raviolisortiment stand. Er blickte auf, und da war etwas in seinem Gesicht, das mit seinem übrigen Erscheinungsbild ebenso brach, wie es harmonierte: mehrere Paw-Patrol-Zeichentrickhunde.
Ich sah, dass er sah, dass meine Augen lachen. Seine lachten auch. Wir nickten uns kaum merklich zu. Genau das ist die Stärke dieser Tage: das Zusammenwachsen von Mussjetztso, Isauchegal und Einfachmalmachen – und das stille, vereinigende Miteinander.
Beides sind Vorträge, die ich auch schon als Keynotes gehalten habe. Für die Webinare bereite ich sie nochmal auf. Sie sind jeweils 90 Minuten lang. Man kann sie also gut mal dazwischenschieben. Teilnahmegebühr: 40 Euro, Buchung über Pro Content.
Gelesen | Marzahn, mon amour– Geschichten einer Fußpflegerin von Katja Oskamp. Ein kleines, durch und durch zauberhaftes Buch. Katja Oskamp portraitiert die Menschen, denen sie die Füße pflegt. Sie sind allesamt weder mit Gesundheit noch mit Geld gesegnet, dafür mit Geschichten und einer Haltung zum Leben. Der Blick auf sie ist liebevoll, die Erzählweise zurückhaltend. Volle Punktzahl.
Sommerreifen | Am Freitag wurde das Auto sommerbereift. Während der einstündigen Prozedur ging ich einmal um den Block, die Straße hinauf, eine weitere Straße entlang und um ein Feld. Dort gelangte ich in ein Wohngebiet mit interessanten Häusern, die wiederum interessante Vorgärten hatten. Eigentlich nichts Besonderes, aber jeder Vorgarten war anders, und die Häuser, allesamt aus den 1970er und 1980er Jahren, waren teils noch alt, teils neu bezogen und modernisiert. Da gab es viel zu gucken, das war interessant.
Die Autowerkstatt tat sich wieder einmal durch ausgesuchte Unfreundlichkeit hervor. Das Personal blaffte die Kundschaft fortwährend an und vermittelte den Eindruck, als gebe es gerade nicht Schlimmeres, als hinter ebendiesem Tresen zu stehen, obwohl alle Kunden ausnehmend freundlich waren und sich geduldig an Abstands- und Warteregeln hielten.
Es gibt Tage, an denen mir das nichts ausmacht. An diesem Tag machte es mir etwas aus. Ich hatte danach schlechte Laune.
Finale | Am Abend baute ich den Mustang fertig. Es fühlte sich so an, wie wenn man ein gutes Buch zu Ende liest: Man möchte wissen, wie es ausgeht und fiebert dem Ende entgegen – und ist gleichzeitig traurig, dass es vorbei ist.
Einfach losgegangen | Weil der Sommerreifen-Spaziergang mich neugierig und mir Lust auf weitere Spaziergänge gemacht hat, packte ich am Samstag nach dem Frühstück eine Trinkflasche in einen Rucksack, schnürte meine Wanderstiefel und zog aus, um die Gegend zu erkunden. Nach vier Stunden und 14 Kilometern kehrte ich wieder heim und hatte eine Menge gesehen.
Es begann mit diesem Wohnviertel, das ich noch nicht kannte, und mit diesem Briefkasten, in den man nur Liebesbriefe einwerfen darf.
Sie müssen wissen: Ich wohne in einem Loch. Welche Richtung ich auch einschlage: Ich muss erstmal bergauf. Wenn ich nach Norden in die Innenstadt möchte, muss ich bergauf. Wenn ich nach Westen und Osten möchte, muss ich bergauf. Wenn ich nach Süden möchte, in Richtung Schwerte, auch, sehr sogar.
Ich stapfte also erstmal einige Kilometer bergan, aus meinem Stadtteil hinter dem See bis in den Wald in der Aplerbeckermark.
Im Wald entdeckte ich weitere Dinge. Zum Beispiel einen Glücksweg, ein „Hello“ und Tipis.
Während ich weiterging, kamen mir viele Reiterinnen entgegen. Aber keine Reiter. Reiten Männer nicht? Ich habe mich mit der Frage noch nicht beschäftigt.
Mein heutiger Spaziergang wies eine Quote von Sieben zu Null auf.
Die Aplerbeckermark, an die das Waldgebiet angrenzt, ist ein Stadtteil von Dortmund. Mitte des 19. Jahrhunderts verkaufte die dortige Landbevölkerung ihre Flächen an Bergleute und Fabrikarbeiter, die nach Dortmund kamen. Sie erreichteten auf dem Land Kotten, einfache, kleine Häuser.
Die Arbeiter und Bergleute arbeiteten nicht nur in ihrem Beruf, sie bewirtschafteten meist auch das Land und waren Selbstversorger. Deshalb kamen sie gut durch die Kriege.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Aplerbeckermark mehr und mehr Wohnhäuser errichtet.
Der Weg durch den Wald führt zum Freischütz, einer Ausflugsgaststätte hinter der Stadtgrenze zu Schwerte. Neben dem Freischütz gibt es einen Kletterwald, der auch geöffnet war.
An einem nahe gelegenen Tümpel stehen Liegebänke, die wahnsinnig bequem sind.
Während ich dalag, kam ich nicht umhin, ein Telefonat auf einer Nachbarbank zu belauschen. Es ging um Corona und um Verschwörungstheorien. Der Nachbarbanksitzer versuchte leidenschaftlich und ausdauernd, seinen Gesprächpartner davon zu überzeugen, dass es sich beim Corona-Virus weder um eine Regierungskampagne noch um eine salafistische Terroraktion handelt und dass Facebook keine geeignete Informationsquelle für derlei Belange ist.
Der Tümpel ist von kleinen Hügeln gesäumt, die sich wunderbar dazu eignen, von kleinen Jungs und Mädchen wild mit dem Fahrrad befahren zu werden.
Im Weitergehen entdeckte ich einen Aussichtspunkt, von dem aus ich über die Häuser bis in die Dortmunder Innenstadt schauen konnte.
Außerdem entdeckte ich eine Brücke. Die Brücke ist allerdings gar nicht das Besondere. Besonders ist der Bach darunter, der sich mit vielen Stöcken und Stämmen stauen lässt.
Wer hier mit Kindern hinfährt, hat sie über Stunden beschäftigt.
Ich ging weiter und weiter und gelangte nach Schwerte. Dort entdeckte ich den Waldfriedhof.
Sagte ich schon, dass ich einen Faible für Friedhöfe habe?
Als ich am Nachmittag wieder heimkam, hatte ich Plattfüße. Ich trank einen Milchkaffee, ließ mich auf meiner Balkonliege nach hinten kippen und nickte ermattet ein.
Das war ein schöner Ausflug.
Gesehen | Parkinson mit 41. In der Doku wird auch klar, was Operationen, die aufgrund von Corona verschoben werden, für Menschen bedeuten.
Gesehen | Zwei Menschen heiraten und können wegen Corona nicht mit ihren Freunden feiern. Die denken sich etwas aus. Hach. Schön.
Projektarbeit | Diese Zeit bringt es mit sich, dass Raum für häusliche Aktivitäten bleibt. Weder privat noch geschäftlich bewege ich mich viel außer Haus; das Heim wird Zentrum des Seins.
Nachdem ich im Februar schon ein Update der Terrassen- und Balkontür vorgenommen hatte – die KfW hat die Fördersumme nach Upload der Rechnung im Zuschussportal übrigens anstandslos überwiesen; so ein einfaches Antrags- und Auszahlungsverfahren habe ich noch nie erlebt. -, nachdem die Türen also neue Beschläge haben, nachdem vor den Teichbecken im Garten nun ein kleines Beet ist, war der Kompost dran.
Im Garten hatte ich bislang einen traditionellen Kompost: vier Drahtgitter, zusammengesteckt – dort schmiss ich Grasschnitt, Blumenschnitt und Gemüsereste rein.
Das kompostierte sehr ordentlich. Allerdings erforderte das Entnehmen der Komposterde beschwerliche Graben, umschichten ging auch kaum, und nachdem die Gitter sich nicht mehr gut ineinanderstecken ließen, brauchte es eine neue Lösung.
Ich recherchierte, verglich, analysierte die Marktsituation und landete beim Trommelkomposter. Der Trommelkomposter ist eine Trommel (ach was!), die auf einem Gestell hängt. Man kann sie drehen und mit der Schubkarre drunterfahren, kann die Erde rückenfreundlich nehmen, und Mäuse oder Ratten haben keinen Ort, um sich zu wärmen oder sich ein Heim zu suchen. Der Komposter ist schwarz. Er hat einen Thermoeffekt und soll, Produktwerbung, alles, was nicht von selbst wieder rausspringt, in sechs Wochen wegkomposten. Nun denn.
Ich bestellte das Dingen. Vatta und ich bauten es auf.
Obwohl der Komposter aus einer überschaubaren Anzahl an Teilen besteht, führte der Zusammenbau zu gewissen Spannungen zwischen mir, Vatta und dem Gerät. Denn sowohl Vatta als auch ich sind bei derlei Angelegenheiten auf Loriot’sche Weise ungeduldig, gleichzeitig perfektionistisch (Vatta), passtschon (ich) und störrisch (Komposter).
Wir verfügen über technisches Verständnis, daran mangelte es nicht. Die Schwierigkeiten entstanden aus der Tatsache heraus, dass es sich um einen angloamerikanischen Komposter handelt, dessen Aufbau Gerätschaften in Maßstäben erforderte, wie wir nicht im Sortiment hatten: 11er- und 13-er Schlüssel, 3er-Metallbohrer. Gleichzeitig fehlte es der Anleitung an Ikea’schem Pfiff; sie war zudem nur auf Englisch, Spanisch und Französisch formuliert. Ich übersetzte Vatta also, was ich verstand, wir schauten uns ein Erklärvideo auf Youtube an, einer von uns suchte ständig seine Lesebrille, die andere Werkzeuge, die sie gerade noch in der Hand hatte.
Wir fluchten uns selbst und den Komposter an, hantierten in Ermangelung zweier 13er-Schlüssel mit zwei Rohrzangen, die Stimmung war bedrohlich unausgeglichen, nix drehte sich, es floss Blut, wir vergaßen die Unterlegscheiben, nach fest kommt ab. Die Nachbarn beobachteten das Schauspiel derweil über den Gartenzaun. Sie sitzen eher selten auf ihrer selbstgebauten Terrasse. An diesem Nachmittag verweilten sie hingegen sehr ausdauernd dort, holten sogar nochmal Getränke nach.
Am Ende wurde alles gut. Da ist er nun, der Trommelkomposter:
Das Fassungsvermögen beträgt 300 Liter. So sieht er von innen aus:
Festmahl | In den Tiefen des alten Kompost befanden sich fünf Schubkarren beste, feinste Erde, die Vatta siebte und im Garten verteilte – gemeinsam mit Kleingetier, das sich in solch einer Komposterde befindet.
Die Amseln gingen steil. Für sie war Ostern, Weihnachten und Geburtstag an einem Tag. Sie drehten völlig durch. Wie im Rausch pickten sie Asseln, Larven und Würmer weg und saßen danach überfressen rülpsend im Buschwerk.
Ausflug | Heute bin ich zum Kunden gefahren. Das Unternehmen arbeitet seit acht Wochen aus dem Homeoffice, so auch ich. Das klappt super – nach einer nur leicht rumpeligen Gewöhnungswoche gehe ich und geht das Team, in das ich integriert bin, wie gewohnt der Arbeit nach. Telefon Telefonkonferenzen, Chat, Messenger, Videokonferenzen, E-Mails, MS Teams, Kanban-Board, Stormboard – gefühlt sind die Wege sogar kürzer als zuvor.
Die Büroräumlichkeiten sind mit Hygienemaßnahmen geöffnet. Nach 57 Tagen dachte ich, es sei eine gute Idee, den Rechner upzudaten, den wenigen Anwesenden aus der Ferne zuzuwinken und ein Distanzpläuschchen zu halten. Das tat ich. Es war schön, ein paar (genau genommen drei) Gesichter zu sehen.
Auf dem Hinweg erinnerte ich mich, warum Homeoffice nicht nur aus Infektionsschutzgründen eine gute Idee ist: Ich hatte zwei Stunden Anfahrt, davon eine Stunde im Stau. Mit Motor aus. Nichts bewegte sich. Ursache: unbekannt. Die Autobahn war einfach voller Lkws und nichts fuhr.
Abendrunde | Nach der Rückfahrt vom Kunden: eine Runde durch die nachbarschaftliche Natur.
Spektakuläres Update im Kiez: Schafe!
Gelesen |Pfiat eich. Ischgl, die Gelddruckmaschine in den Alpen, das Coronavirus, die Adlerrunde und die Innsbrucker Staatsanwaltschaft.
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