Erst neulich sprachen wir darüber. Auf einer dieser privaten Partys, auf denen man irgendwann unweigerlich in der Küche oder auf dem Balkon oder auf einer Treppe sitzt, aber niemals auf einem Sofa oder an einem dekorierten Esstisch-Ensemble. Auf der die Jungs vor dem Haus neben einem schütteren Busch stehen, in einem Kreis, leicht hinabgebeugt, und konspirativ Gras rauchen. Auf der jeder einen Salat oder zwei Baguettes oder drei Tüten Chips mitbringt und auf der das Buffet schon nach drei Leuten irgendwie unappetitlich ausschaut, weil die Hälfte des Essens zwischen den Schüsseln liegt und die Papiertischdecke durchmatscht.
Wir sitzen also da, wir Anfang- und Mittdreißiger, und Kati sagt: Erwachsen – nein, das sei sie nicht. „Was ist überhaupt erwachsen?“ Sie finde es gut so, wie sie lebe, so frei und so. Ein bisschen arbeiten, mit den Freunden rumhängen, das sei echt ihr Ding. Sie zieht an der Zigarette, und ihre Lippen schmatzen dabei. Sie hat viel gejobbt und ein bisschen studiert und jetzt ihre Masterarbeit abgegeben. Sie ist 32, aber diese ganze Berufseinstiegssache, „das stresst mich total, das wird jetzt alles so ernst.“
Suse sieht das völlig anders. Suse ist seit Jahren Single, eigentlich schon immer, bis auf einmal kurz, sie ist Industriekauffrau mit drei Fortbildungen, sie hat ein Zertifikat als „Excel Power User 2009“ und kann den SAP-Abfragemanager bedienen, ihr macht man nichts vor, weshalb sie vor einem halben Jahr zur Assistenz der Geschäftsführung berufen wurde. Sie hat Liebschaften und One-Night-Stands, nach denen sie mich heulend anruft, und ihre Sehnsucht nach Liebe und Familie wird mit jedem Mann größer, der sie binnen weniger Stunden und Tage enttäuscht. „Der hing über mir und glotzte sich die ganze Zeit selbst auf den Trizeps, während er rammelte und rammelte“, sagt sie dann beispielsweise und schnäuzt einen großen Bach Rotz in ein Tempotaschentuch mit Verwöhnbalsam. „Das war genauso schlimm wie die Sache mit Matze, nur anders verletzend. Weißt du noch, dieser Volleyballer, der immer nur nachts bei mir klingelte, um mit mir auf dem Sofa zu hängen und fernzusehen und zu knutschen und dann wieder abzuhauen. Können die nicht einfach mal erwachsen werden?“
Sie guckt dabei auf die Jungs, die draußen im Kreis stehen und kiffen, die nicht nur an diesem Abend feiern und saufen, sondern die jeden Freitag und Samstag und Sonntag feiern und saufen und knutschen und ficken und dann fünf Tage hintereinander zur Arbeit gehen und am nächsten Wochenende wieder feiern und saufen, wie damals mit 16, dabei sind sie Mitte 30.
Ich selbst sitze da und sage nichts. Denn ich weiß es nicht. Ich verstehe es selbst nicht – wie es so viele Mittdreißiger nicht schaffen, irgendwo anzukommen, nicht einmal in sich selbst.
Kati sagt: „Wenn ich mich jetzt schon entscheiden müsste, das wäre wie sterben. Dabei weiß ich nicht mal, was es überhaupt zu entscheiden gibt. Da draußen gibt es so vieles, da kann ich jetzt nicht einfach schon erwachsen sein.“ Und Suse sagt: „Ich würde mir wünschen, dass sich einfach mal jemand für mich entscheidet, wenigstens für eine Zeit. Wenigstens das.“