Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Grusel, Stau mit Aussicht und ein vergoldetes Schwein

24. 10. 2023 16 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Brennender Brenner | Ein kurzer Rückblick noch das Südtirol, bevor ich mich der Gegenwart zuwende. Der Rückweg aus Südtirol war hindernisbehaftet. Der Münchener Merkur titelt Klickbait-trächtig: Feuer-Inferno legt Brenner-Autobahn lahm. Wir standen wenige hundert Meter dahinter und konnten nur eins: Warten.

Fotos aus dem Auto heraus: Vor dem Auto ein weiteres, im Hintergrund Bergkulisse

Wir warteten mit guter Aussicht. Und warteten. Zweieinhalb Stunden lang. Dann gaben Polizei und Autobahnmeisterei eine Spur frei, und wir konnten langsam vorbeirollen. Von den Lkws waren nur noch Gerippe übrig. Die Fahrer wurden zum Glück nicht verletzt, und auch sonst gab es nur Sachschaden. Das ist das Wichtigste. Solch ein Unfallgeschehen macht ja immer sehr demütig.


Zwischenstopp | Wir fuhren nicht direkt nach Hause, zumindest ich nicht. In Karlsruhe brachte ich den Reiseleiter zum Zug. Nach dem unfreiwilligen Halt auf dem Brenner erwischte er noch eine Abendverbindung und kam vor Mitternacht im Münsterland an. Ich selbst fuhr zu einem Hotel und verbrachte zwei Tage beim Kunden.

Hotelzimmer: Links ein Doppelbett, die Tapete dahinter gestreift. Vor dem Fenster (geradeaus) eine weiße, blickdichte Gardine. Links ein Glasschreibtisch mit rotem Stuhl davor und ein Fernseher an der Wand. Die Atmosphäre ist kühl.

Der Umstand, dass ich sowohl auf dem Hinweg als auch auf dem Rückweg bei Kunden in Baden-Württemberg Halt machte, war praktisch und wirtschaftlich, erforderte aber Einiges an Planung. So habe ich vor dem Urlaub alle Materialien und das passende Outfit für Kunde Eins eingepackt, alles Zeugs für den Urlaub und alle Materialien für Kunde Zwei, plus ausreichend weiteres Outfit. Im Südtiroler Schrank hingen also Blusen und Hosen, die ich unangezogen wieder einpackte, um sie auf dem Rückweg zu tragen.

Nach dem Auftrag beim Kunden fuhr ich heim: fünf Stunden Fahrt durch den Abend, von Baden-Württemberg ins Münsterland. Erstaunlich, wie viele Fahrzeuge ab 19 Uhr noch unterwegs sind. Die Park- und Pausenproblematik der Fernfahrer war mir bekannt, aber dass ich, als ich anhalten wollte, entlang der A3 keinen Platz fand, um mal zwanzig Minuten meinen Pkw (!) zu parken, hat mich dann doch, ja, erschüttert. Jeder, wirklich jeder freie Quadratmeter war mit Lkws belegt. Ich hatte also einige Mühe, auszutreten und mir Pommes zu kaufen. Anschließend hatte ich Mühe, wieder auf die Autobahn aufzufahren, weil auch die Beschleunigungsspur zugeparkt war. Heikel.

Da sag einer, Bahnfahren sei unkomfortabel. Da hat’s wenigstens ein Klo und man kann in Ruhe etwas essen.


Halloween | Auf Frau Novemberregens Themenvorschlagsliste stand Halloween, das ist ja bald wieder, und ich greife das mal auf. Ich habe nicht direkt etwas gegen Halloween, ich habe aber auch nichts für Halloween. Grundsätzlich finde ich es eher unangenehm, wenn abends, nachdem ich bereits im Jogger bin und es mir auf dem Sofa gemütlich gemacht habe, unaufgefordert Menschen an meiner Tür klingeln. Dass sie seltsam bemalte Gesichter haben, mich anschreien und Süßigkeiten von mir erpressen, macht es nicht besser. Dass es Kinder sind, erwärmt mein Herz nicht sonderlich – wären es Senioren, die Zeugen Jehovas oder Menschen mit kleinen Babykätzchen, wäre die Sache ebenso unkomfortabel. Aber man kann sich im Leben nicht jede Abendgestaltung aussuchen. Folglich ist das wohl hinzunehmen.


Der Cyber-Apostel | Das Gruselthema lässt mich noch einmal gedanklich nach Südtirol zurückspringen. In einer Kirche in Bruneck entdeckten wir auf einem Seitenaltar das Bild eines Jungen. Worte, die sich um sein Bild rankten, und der Schmuck des Altar legten Verehrung nahe. Ich recherchierte.

Der Bub, ein braunhaariger Teenager, heißt Carlo Acutis. Er starb 2006 an Leukämie und ist selig gesprochen. Der Grund: Er war Cyber-Apostel. Die ganze Geschichte ist wild, deshalb hier nur eine Management-Summary: Carlo, Kind eines Investmentbankers, wuchs in einem religiösen Umfeld auf und beschäftigte sich schon früh mit dem Glauben – und mit dem Programmieren. Mit elf Jahren erstellte Carlo eine Datenbank, in dem er 136 überlieferte eucharistische Wunder katalogisierte. Dann erkrankte er an Leukämie und starb. Durch nicht genau nachvollziehbare Entwicklungen – es scheint hier starkes Engagement der Eltern gegeben zu haben – wurde der Junge posthum zum religiösen Helden.

Aus dem Wikipedia-Artikel möchte ich Ihnen besonders diese Passage ans Herz legen:

Bereits 2019 wurde der Leichnam Acutis’ aus der Gruft in Assisi gehoben und exhumiert. […] Der Bischof von Assisi, Domenico Sorrentino, stellte später richtig, Acutis’ Körper sei nicht unversehrt aufgefunden worden, sondern habe „den normalen Prozess der Verwesung“ durchlaufen und sei „mit Kunst und Liebe wieder zusammengefügt“ worden.

Das Herz wurde dem Leichnam entnommen und bleibt in einem kostbaren Reliquiar in der Franziskus-Basilika ausgestellt. Der Leichnam Carlos wurde in einem Holzsarg in der Kathedrale von Assisi zur öffentlichen Verehrung ausgestellt. […]

Dort war der wiederhergestellte Leichnam von Carlo Acutis bekleidet mit Alltagskleidung aus seinem Nachlass zu sehen, die Haare präpariert und das Gesicht und die Hände aus Silikon nachmodelliert.

Wikipedia: Carlo Acutis

Sie haben es ganz gut hingekriegt, das „Zusammenfügen“ und „Nachmodellieren“.


Schweine | Nach dem Grusel nun etwas Flausch: Ich bin wieder mit den Meerschweinen vereint. Die Viecher freuen sich. Sie freuen sich allerdings über jeden, der ihnen Essen bringt; ich nehme es nicht persönlich.

Vor dem Urlaub mussten wir mit Abendessen (1. Bild rechts, 2. Bild links) zum Tierarzt. Das Tier hatte eine kahle Stelle am Kopf. Da Abendessen das scheuste der Schweine ist – ein nervöser Charakter, der ständig auf der Hut ist – brauchte es Geschick, um das Tier einzufangen. Der Reiseleiter lockte es in einen Hinterhalt, reduzierte durch strategisches Einkesseln den Bewegungsradius, packte es und verfrachtete es in eine Transportbox. Das Schwein quiekte, als hätte der Habicht zugeschlagen, verfiel in Schockstarre und gab sich anschließend vollends auf.

Der Tierarzt wog das Schwein. Die kleine Spezialität bringt ausreichend Gewicht für eine Jause auf die Waage. Wirtschaftlich betrachtet wäre es die bessere Wahl gewesen, Abendessen entsprechend zu verwenden – oder schlicht zu erwürgen (was ich natürlich nie tun würde, ich zeige nur den Möglichkeitsraum auf). Die Behandlung kostete mit 70 Euro nämlich ein Vielfaches des Schweins.

Diagnose: Pilzerkrankung. Wir haben das Schwein vor unserer Abreise mehrmals mit einem Tonikum betupft, die Schwiegereltern mussten auch ran, sie machten Schweinesitting. Jetzt ist Abendessen wieder behaart, wohlauf und quasi vergoldet.


Eine politische Anmerkung | Seit einigen Wochen wird die Migrationspolitik medial bearbeitet. Der Kanzler fordert auf dem Spiegel-Titelblatt „Abschiebungen im großen Stil“. Dem sind zwei Dinge entgegenzustellen: Alle, die auch nur ein Mü informiert sind, wissen, dass es ein paar formale Petitessen gibt, die der Sache entgegenstehen. Und: Scholz‘ Aussage im Interview ist differenzierter, wenngleich immer noch populistisch. Wir haben also sowohl ein Problem mit einer populistischen Aussage als auch mit einer Redaktion, die diese auf einem Titelblatt noch populistischer zusammenfasst, anstatt sie zu hinterfragen.

Überraschend finde ich, wie die Migrationsthematik plötzlich aufschwappt, als würden gerade Menschen über Menschen unser Land überrennen (was nicht der Fall ist). Schon klar: Es gibt Schmerzpunkte in den Kommunen, bei den Ländern, beim Bund; viele praktische Dinge, die man besser machen kann, und die, weil wir sie nicht gut machen, negative Resultate zeitigen – aber in ihrer Gesamtheit scheint mir die Aufgabenstellung doch eher politisches Liniengeschäft zu sein. Mich persönlich bewegt das Thema jedenfalls nicht über das normale Maß hinaus. Praktisch ist natürlich: Wenn Migration diskutiert wird, muss sich niemand um Bildung, Infrastruktur, Bürokratieabbau und Klimawandelfolgen kümmern; das wird dann automatisch alles super, wenn die 56.000 ausreisepflichtigen Ausländer weg sind. Oder verstehe ich etwas falsch?

Ich sorge mich angesichts dieses von rechts getriebenen Agenda-Settings. Denn es säht nicht nur Zweifel am Grundrecht des Asyls. Es produziert Misstrauen gegenüber Jedem mit internationaler Familiengeschichte, delegitimiert auch diejenigen, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben und löst keine unserer großen Herausforderungen.

Ich will gar nicht wissen, welche Wogen erst losbrechen, wenn angesichts des Klimawandels irgendwann viele, wirklich viele Leute bei uns vor der Tür stehen – und zwar nicht über einen Zeitraum von wenigen Monaten wie 2015 oder zu Beginn des Ukraine-Krieges, sondern über Jahre.


Gelesen | Frau Herzbruch war beim Bauaufsichtsamt.

Gelesen | Frau Mohnblume betreut eine Frau mit Behinderung und war mit ihr bei einem niedergelassenen Gynäkologen. Ein würdeloser Besuch.


Broterwerb | Im November stehen beruflich wieder Reisen an: nach Stuttgart, nach Aalen und nach Herrenberg, nach Berlin, nochmal nach Stuttgart, dazu Engegaments innerhalb NRWs. Alles in wilden Kombinationen – Tage nacheinander an verschiedenen Orten. Gestern habe ich Hotels und Zugfahrten gebucht. Ich hoffe, dass Daten, Orten, Zugfahrten und Kunden alle zueinander passen, nd ich nicht in Herrenberg einchecke, obwohl ich eigentlich in Berlin sein sollte. Das wird ein erlebnisreicher Monat.

Die Weiterbildungsagentur Pro Content hat mich für ein weiteres Seminar in 2024 engagiert: Interne Kommunikation: Mitarbeiter:innen informieren & beteiligen – Change-Prozesse begleiten. Das wird sehr handfest und praxisnah.


Geguckt | Sörensen fängt Feuer. Die Theaterszenen waren mir zu abgehoben, aber sonst sehr gerne gesehehen.

Kommentare

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  1. Ulla sagt:

    Halloween stelle ich abends die Klingel ab. Auch ggf. Fasching, Karneval etc.

    1. Vanessa sagt:

      Ach, ich gönne anderen ja ihre Freude. Sollen sie ruhig klingeln.
      Werde ihrer Süßigkeitensammlung eine schöne Mandarine und ein paar Nüsse hinzufügen.
      (Nein, Scherz)

  2. @lazycuttlefish sagt:

    Oh, das mit Halloween scheint mir hier in Berlin besser gelöst. Es gilt die Regel, dass nur da terrorisiert, ähm, geklingelt wird, wo entsprechende Deko angebracht wurde. Sprich: Das Ganze beschränkt sich auf Familien mit Kindern, die andere Familien mit Kindern heimsuchen. Außenstehende ohne Kürbis an Tür oder Tor werden in Ruhe gelassen.

    1. Vanessa sagt:

      Vielleicht ist das hier auch so? Es ist ja mein erstes Halloween hier, und ich bin noch nicht eingewiesen.

  3. Annika sagt:

    Also, das mit diesem exhumierten, einbalsamierten und dann selig gesprochenen Teenager ist ja derart gruselig, ich habe etwas gezögert, auf den Link zu klicken und mich gefragt, will ich das wirklich sehen? Mich packte wilde Abenteuerlust. Und dann bereute ich es.
    Liebe Vanessa, können wir uns auf etwas einigen: keine Fotos von Leichen mehr auf diesem Blog? Ich muss mich jetzt erst mal wieder enttraumatisieren.

    1. Vanessa sagt:

      Ich habe das Foto extra nicht in den Blogbeitrag integriert. Er sieht aber geradezu lebendig aus.
      (Alles _wirklich_ gruselig)

  4. FrauC sagt:

    Meine Teenager praktizieren an Halloween das Zurückgruseln: Wenn es klingelt, spielen sie über einen versteckten Bluetooth-Lautsprecher „Gruselgeräusche“ ab. Manchmal versteckt sich auch einer draußen, schleicht sich von hinten an die wartende Gruppe an und erschreckt sie. Aber dann gibt’s natürlich Süßes.
    Hier gilt übrigens auch, dass man nur da klingelt, wo geschmückt/beleuchtet ist.

    1. Vanessa sagt:

      Harharhar … Zurückgruseln.

  5. Lena sagt:

    Wir haben damals ein bei irgendeiner Klempnerarbeit übrig gebliebenes Stück Plastikrohr als Meerschein-Transporter genutzt. Einfach auf den Boden legen, warten, bis jemand drin ist und beim Anheben dann die Hände vor die Ausgänge, das ist wichtig.

    1. Vanessa sagt:

      Schlau! Geradezu perfide. Wir werden das anwenden.

  6. Daniela sagt:

    Von Sörensen gibt es einen ersten Teil „Sörensen hat Angst“, der hat mir noch besser gefallen.

    1. Vanessa sagt:

      Den habe ich gesehen. Ich persönlich fand den zweiten Teil besser. Aber so ist das mit den Geschmäckern. :)

  7. maik sagt:

    Ja, die Parkproblematik auf Park- und Rasthöfen. Bereits am Mittag fange ich an, mir Gedanken zu machen, wo ich Stunden später noch ein einigermaßen gescheites Plätzchen bekommen könnte.
    Habe ich bis 17, 18 Uhr keinen Parkplatz gefunden, hab ich sprichwörtlich die „Arschkarte“ gezogen. Dann muss ich auf Pkw oder Busplätze ausweichen.

    Sind die auch voll, halt weiterfahren. Dann fahre ich oftmals fünf, sieben oder zehn andere Plätze an, um einen annehmbaren Platz zu finden. Und der Fahrtenschreiber tickt. Überschreitungen können in Ländern wie Frankreich oder Italien mehrere tausend Euro kosten. Kein Wunder, dass vor allem osteuropäische Fahrer in Ein- und Ausfahrten von Parkplätzen stehen.

    Industriegebiete sind auch keine Lösung. Denn dort will mich keine Gemeinde haben. Außer zum An- und Abliefern, ok. Aber dann schnell wieder weg. Hauptsache die Gewerbesteuern fließen.

    1. Vanessa sagt:

      Das hört sich so belastend an, wie ich es schon befürchtet habe. Es braucht viel mehr Parkplätze. Und weniger Güter auf der Straße. Entweder weil sie auf die Schiene wandern oder weil sie gar nicht erst transportiert werden.

  8. Frau A. sagt:

    Zum „vergoldeten“ Schwein kann ich einen (GsD nicht unseren!) „Goldhamster“ beisteuern.

    Das arme Tier war fehlerhaft gefüttert worden und litt an Backentaschenentzündung durch Verklebung von Trockenobst. Die Kinder waren untröstlich. Eine Tierärztin wurde konsultiert. Sie verordnete Schmerzmittel. Als das nicht half, wurde eine Operation angeboten. Der Eingriff verlief glücklich (das Zeitfenster während der Narkose ist nur recht kurz, bevor das kleine Tier versterben würde) und Hamster überlebte!

    Im Anschluss musste das Tier dann eine Woche mit Spezialnahrung gepäppelt werden und weiterhin täglich Schmerzmittel bekommen. Bei dem geringen Gewicht (er war abgemagert) und der Darreichung in Tropfenform komplex, ihn nicht mit einer versehentlichen Überdosis ins Jenseits zu befördern. Aber auch das gelang mit entsprechendenm Aufwand und nach insgesamt anderthalb Wochen war die Behandlung abgeschlossen .

    Am Folgetag lag Hamster dann tot in seinem Käfig. Die Behandlung hat über 200€ gekostet…

    1. Vanessa sagt:

      Das sind so wunderbare Geschichten, die man sich noch in zehn Jahren am Kaffeetisch erzählt. <3

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