Arbeitstag. Regen.
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Nur Verrückte | Auf der Autobahn fuhr heute ein Wagen dicht auf. Ich befand mich auf der linken Spur, es regnete, es war dunkel, es war Geschwindigkeitsbegrenzung, ich fuhr 120 oder 130 und überholte einen Lkw, der einen Lkw überholte. Als ich auf die mittlere Spur einscheren wollte und das per Blinken auch anzeigte, zog auf meiner Höhe ein Pkw von der rechten auf die mittlere Fahrbahn – dorthin, wohin ich fahren wollte. Ich blinkte also wieder kurz links und blieb auf der linken Spur. Der Wagen hinter mir, der offenbar schon frühzeitig beschleunigt hatte und der inzwischen so dicht aufgefahren war, dass ich sein Kennzeichen nicht mehr im Rückspiegel sehen konnte, musste hart abbremsen. Er hupte und lichthupte, was das Zeug hielt. Nachdem ich dann 400 Meter weiter tatsächlich eingeschert war, fuhr er noch eine Weile hupend auf meiner Höhe. Ich blickte stumpf geradeaus.
Auf der Landstraße nach der Autobahnabfahrt staute sich wie immer der Verkehr. Im Rückspiegel sah ich, dass ein Mercedes das hinter mir fahrende Auto überholte – was keinen Mehrwert hatte, weil vor uns sieben Kilometer Landstraßenstau waren. Der Stau ist dort immer, jeden Tag. Wir schoben uns in langer Schlange vor zur Kreuzung, dann über die Brücke, dann weiter über die Landstraße. Der Wagen hinter mir fuhr zur Mitte der Fahrbahn, scherte wieder ein, fuhr wieder zur Mitte der Fahrbahn – und überholte dann erst mich und dann den vor mir fahrenden Lkw. Er erhielt vom entgegenkommenden Verkehr eine Lichthupe, um danach ein paar Meter weiter vorne weitere fünf Kilometer im Stau zu stehen.
An manchen Tagen sind echt Verrückte unterwegs.
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Schulen und Digitalisierung | Gestern teilte ich einen Beitrag von Heiko, in dem er über Digitalisierung an der Schule seines Sohnes schrieb. Die Kaltmamsell schickte mir heute einen Blick in bayerische Schulen: Digitalisierung der Schulen endet mit Elektroschrott.
Auch Christian schreibt über seine Erfahrung mit Digitalisierung in Schulen. Er hat dereinst erfolglos Beratung für Digitalisierung an Schulen angeboten. Er hatte dabei etwas mit digitaler Zusammenarbeit, Klassenblog, Schulwiki und schulinternem sozialen Netzwerk im Kopf – ein Programm, in dem es um den Umgang mit digitalen Medien und mit ihren Möglichkeiten geht, um praktisches Erleben digitaler Arbeitswerkzeuge und um das Reflektieren darüber. Doch:
Fazit: mein Angebot war vollkommen an der Realität vorbei. […] Schulen suchen […] als allererstes meist Hardware die funktioniert und dann Personal, das diese Hardware betreut. Danach dann meist vorgefertigte Inhalte, die im Informatik-Unterricht abgearbeitet werden können. Für meine Vorstellungen, was heute unterrichtet werden müsste, fehlte meist schlicht sowohl die Hardware als auch nur eine Idee davon, was ich wollte.
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Gesehen | Happy – Mein Vater, die Thai-Frau und ich. Dieter ist 60, lebt als Hobby-Landwirt in einem Fachwerkhaus in der Eifel und ist einsam. Seit ein paar Jahren fährt er öfter nach Thailand, mal alleine, mal mit Freunden. Er sagt, er habe dort die beste Zeit seines Lebens. In Thailand lernt er Tukta kennen – und schreibt eine Postkarte an seine Tochter Carolin: „Meine Liebe, mir geht es gut hier, ich esse Pat Thai und trinke Chang Bier. Und ich habe eine Frau kennengelernt, die so alt ist wie du. Liebe Grüße, Papa.“ Er will Tukta heiraten. Carolin ist entsetzt: Oh Gott, ist mein Vater jetzt Sextourist? Sie macht sich auf die Reise zu ihrem Vater, im realen und im übertragenen Sinn. Und sie lernt Tukta und ihre Familie kennen. Noch bis zum 16. Januar in der ARD-Mediathek.
Kommentare
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Die Verrückten sind leider nicht nur an manchen Tagen unterwegs.
Grundsätzlich empfinde ich den Berufsverkehr auf der Autobahn als sehr gesittet: versierte Pendler, die sicher und geschwindigkeitsangemessen, aber doch zügig unterwegs sind.
Ich wünsche mir wirklich eine deutlich verstärkte Polizeipräsenz auf den deutschen Autobahnen. Nicht nur Radarfallen mit Ergebnissen zu solch lächerlichen Tarifen, dass die Formel „Tempolimit + 20“ als normal angesehen und von anderen Verkehrsteilnehmern eingefordert wird, sondern mit der Möglichkeit, bei Verstößen direkt einzugreifen und Belehrungen vorzunehmen.
Bonus: Ein schmerzhaft peinlicher Stuhlkreis, in dem alle Beteiligten sich selbst, den anderen Teilnehmern und den anwesenden Psychologen erklären müssen, was zur Hölle sie sich eigentlich bei dem Manöver gedacht haben.
Und das in jeglicher Hinsicht: Raser, Drängler, Blinkmuffel, Schulterblickamputierte, Mittelspurschleicher und Leute, die es vollkommen ok finden, ihren Wagen mit knapp 60 km/h auf die Autobahn aufrollen zu lassen, anstatt den Begriff „Beschleunigung“ in damit benannter Spur zu begreifen.
Wir haben damals von unserem Fahrlehrer unter anderem fünf einfache Regeln für die Autobahnfahrt eingetrichtert bekommen:
1. Angepasste Geschwindigkeit
2. Vorausschauende Fahrweise
3. Immer wieder in den Spiegel schauen, um zu sehen, was hinter einem passiert
4. Spurwechsel rechtzeitig anzeigen
5. Sei kein Arsch
Gefühlt sinkt die Anzahl derjenigen, die diese Regeln (zumindest in Teilen) beherzigen, beständig. Und immer wieder sieht man auf der Autobahn Situationen, die nur dank der Um- und Rücksicht anderer Verkehrsteilnehmer nicht so eskalieren, wie man es aus russischen Dashcam-Videos kennt, Блять!
Das größte Thema meiner Ansicht nach: der Abstand. Hälst du ihn ein, drängelt sich jemand rein. Dann lässt du ihn wieder größer werden – und der nächste schiebt sich in die Lücke.
Außerdem sind die Leute nicht freundlich zueinander: Wenn ich an einer viel befahrenen Straße ausparken möchte, der Blinker ist gesetzt, lässt mich niemand rein – eine, zwei Minuten lang nicht. Wenn jemand links abbiegen möchte und damit den Verkehr aufhalte, während sich die Gegenfahrbahn staut, lässt niemand mal eine Lücke. Und so weiter. Warum das? Ich verstehe es nicht. Die Straßen sind voll; es hilft, den Verkehr am fließen zu halten.
Aber hallo. Ich warte noch auf den Tag, an dem ich mal wegen zu geringem Abstand aus dem Verkehr gezogen werde und keine bessere Antwort weiß als „Ich hab’s versucht, es war mir aber nicht möglich“.
Es scheint auch eine immer beliebter werdende Extremsportart zu sein, vor Autobahnkreuzen oder Abfahrten so lange wie möglich auf der linken Spur voll auf dem Gas zu bleiben, um dann im letzten Moment quer rüber zu ziehen und sich in die knappe Lücke zwischen zwei anderen Fahrzeugen zu zwängen.
Überhaupt das Verhalten an Abfahrten … wenn wir vom Familienbesuch aus dem Sauerland zurückkommen, erleben wir regelmäßig am Kreuz Dortmund-Unna das gleiche Szenario: Anstatt sich rechtzeitig auf die eigens dafür angelegte Abbiegespur auf die A1 einzuordnen, wird bis kurz vor knapp auf den beiden Spuren Richtung Dortmund weitergefahren, um sich dann kurz vor knapp zwischen die Abbiegenden zu stochern. Das blockiert dann nach und nach hübsch die komplette Autobahn.
Und in umgekehrter Fahrtrichtung kapiert mindestens die Hälfte der von der A1 kommenden nicht, dass ihre Auffahrt auf die A44 als dritte Spur bestehen bleibt und ziehen erst mal stur auf die Mittelspur, mit entsprechenden Konsequenzen für den nachfolgenden Verkehr.
Es gibt heutzutage zig Assistenzsysteme in PKW, aber offensichtlich leider keines, welches dem Fahrer sagt, „Du verhältst Dich gerade wie ein kompletter Vollidiot.“
//*nickt wissend
Himmel, passen Sie bloß auf sich auf da draussen, also Sie alle nicht nur die Chefin hier.
Nach solchem Lesestoff ist mir immer klar wie priveligiert ich bin. Im Sommer mit dem Rad, den Rest des Jahres größtenteil mit den Öffis auf Arbeit und zurück … ja, das ist wohl Luxus.
Wir waren den halben Dezember in Isreal und dem Westjordanland im Urlaub, mit dem Mietwagen, alles sehr elegant und nicht aggresiv, ich bin bloß noch immer verdreht von den ganzen Kreisverkehren dort.
Ich bin auch sehr froh, in der Woche mit der Bahn zur Arbeit fahren zu können.
Hier (Medienhafen Düsseldorf) akkumulieren sich der Frust aus Stau und Parkplatzsuche zu einem adrenalingeladenen Brummkreisel.
Oh, der Medienhafen. Dort war ich ein paarmal. Enge Straße, dazu eine hohe Anzahl hochwertiger Karossen mit egozentrischen Fahrern.
Es grenzt mitunter an einer Freakshow, wenn ein Rudel von Menschen, die, Auftreten und Fahrzeug nach zu urteilen, Führungspositionen bekleiden, komplett die Façon verlieren, wenn die Müllabfuhr eine schnellere Durchfahrt verhindert oder ein Baufahrzeug für Minuten die Straße blockiert.
Nach der Phase konzertierten Hupens stehen dann in feinen Zwirn gekleidete Menschen auf der Straße, die hilflos auf Uhren, Smartphones und durch die Gegend schauen wie Kinder, die beim Einkaufen ihre Mutter verloren haben.
Da lohnt es sich fast schon, sich ein Kissen mitzubringen, auf das man sich in den Fensterrahmen lehnen kann, um das Treiben zu beobachten.
Da geht es nicht darum, zwei Autos weiter vorne zu sein. Es geht um Aggression, die sich tagsüber aufgestaut hat, die nicht anders verarbeitet werden kann. Es geht um „Männlichkeit“, rasant fahren, mit einem Auto, das man ohnehin nicht bräuchte, ein kleineres täte es auch, es geht auch um Konkurrenz auf der niedersten Ebene.
Führerschein weg, ein 45 km/h Auto für diese Klientel!
Naja, außerdem sind die staatlichen Organe immer weniger in der Lage, Ge- und Verbote durchzusetzen.
Dafür sind sie bei Gratisflugreisen nach Afghanistan stark.
Ich kenne solche Hochdrucksituationen aus eigener Anschauung. Es sind durchaus nicht nur Männer, die sich so verhalten und überhaupt nicht nur auf Autobahnen. Dränglern im Stadtverkehr und auf Landstraßen mache ich oft unvermittelt Platz. Sind sie dann an mir vorbei gefahren und ich stehe an der nächsten roten Ampel direkt hinter ihnen, verfängt der kleine Denkanstoß vielleicht – auf jeden Fall bin ich bis dahin unbedrängelt weiter gefahren!
Ich stimme allem, was über das Autofahren gesagt wurde zu!
Zum Thema Digitalisierung an Schulen möchte ich mal aus der Sicht einer Lehrerin sagen, es ist halt nur die Spitze des Eisberges.
Wer Schulen zu dem Thema beraten möchte, komme bitte und hospitiere mindestens 3 Wochen. Es ist so, dass wenn einfach schon großer Zeitdruck, große Aufgabenverdichtung, gepaart mit der Anforderungen starker persönlicher, pädagogisch wirkender Präsens in jedem Augenblick des Schultages, bei gleichzeitigem Personalmangel und vielerorts überaltertem Kollegium in hässlichen, dysfunktionalen Gebäuden, nicht die optimalen Voraussetzungen sind. Ich weiß nicht, wo dieser Informatikunterricht stattfindet, aber ich würde halt gerne mit den Kindern den Computer und das Internet BENUTZEN im Unterricht (Antolin, Lernprogramme, Recherchen, Webquests, Tutorials, …). Das Problem ist nur, das selbst elektronische Geräte unter den Belastungen des Schulalltags sehr schnell zusammenbrechen. Think about that.
Danke für die Perspektive! Da weiß man ja gar nicht, wo man anfangen soll … Das macht mich traurig.
>Nur Verrückte<
Dem kann ich nur zustimmen! Nicht nur im Sinne von Rasern/Dränglern, auch andere halsbrecherische Aktionen mit Autos, Fahrrädern oder zu Fuß , gerne im Dunklen und bei Regen lassen mich manchmal am angeborenen Überlebenswillen der Menschheit zweifeln.
Heute hätte ich fast eine Fußgängerin umgefahren – zum Glück fuhr ich Schritttempo. Komplett in Schwarz gekleidet, aus einer dunklen Ecke kommend, huschte sie knapp vor meiner Motorhaube über die Straße. Offenbar war sie in Eile. Alta, was habe ich mich erschreckt!
eine berührende Vater-Tochter Dokumentation – vielen Dank für den Tipp!
Fand ich auch berührend und vielschichtig.