Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Es ist schwer , sich das alles vorzustellen.

Aber wenn ich es mir nun doch vorstelle.

Wenn ich mir vorstelle, dass alles wackelt, alles zerberstet. Dass Sirenen heulen. Dass ich zehn Minuten Zeit habe, um auf einen Hügel zu laufen. Dass ich in der Kleidung, die ich in dem Moment trage, in einer Jeans und in einem Sweatshirt, auf diesem Hügel stehe und sehe, wie schwarzes Wasser alles, was ist, zu Müll zermalmt.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich danach umherlaufe, mehrere Stunden. Dass ich auf Wasser und Trümmer blicke. Dass ich bei Einbruch der Dunkelheit, wenn es kalt wird, begriffen habe, dass ich nicht mehr nach Hause gehen kann, weil dieses Zuhause weg ist.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich dann in eine Schule oder eine Turnhalle oder wohin auch immer gehe. Dass ich mich dort in meinem Sweatshirt und meiner Jeans, also mit allem, was ich noch habe, zu den anderen Menschen auf den Boden setze und dort sitzenbleibe, weil: Was soll ich sonst tun? Wenn ich mir dies alles vorstelle, erkenne ich, dass ich mir das gar nicht richtig vorstellen kann. Und dass es vielleicht vermessen ist, überhaupt zu versuchen, sich in die Menschen, die dies erlebt haben, hineinzuversetzen.

Doch es geht weiter. Der Verlust des Hab und Guts, der vertrauten Umgebung. Es ist der nächste Morgen, und ich beginne zu verstehen, dass das Beben und das Wasser nicht nur meine Wohnung, sondern alle Wohnungen zerstört haben. Den Garten, die Nachbarschaft, den gesamten Ort, das Haus meiner Eltern, in dem ich aufgewachsen bin. Dass alles weg ist, die Zeugen meines Lebens, die Familienfotos, die Andenken und die Orte, die meine Identität geprägt haben. Dass meine Wurzeln, mein Ich, meine Erinnerungen, die immer irgendwo als Ort existierten, weg sind.

Ich sitze also da, in meinem Sweatshirt und meiner Jeans, auf dem Boden einer Turnhalle, orientierungslos in meiner zerstörten Umgebung und orientierungslos in mir selbst. Ich stehe auf und irre umher. Ich gehe und laufe, durchsuche die Umgebung nach Spuren von Menschen und Spuren von Dingen und Orten, die ein Teil von mir sind. Um irgendwie zu verstehen. Egal, was ich finde, ob es ein Buch ist oder ein Foto oder eine Socke. Ich nehme es mit, um mich daran festzuhalten.

„Und die Toten und Verletzten?“, fragen Sie. „Warum schreibt sie nur über Dinge, nicht über Menschen?“ Ja, die Menschen. Die Eltern, Kinder, Ehepartner und Freunde. Auch der Nachbar. Der Gedanke, dass sie in einer anderen Turnhalle liegen als meiner, verschnürt in einer Decke; dass sie ertrunken oder verbrannt sind; dass ich sie nicht einmal beerdigen kann; dass sie aufgedunsen zwischen Trümmern in halbhohem Wasser verwesen – das ist mit Worten nicht zu beschreiben. Das ist zu monströs.

Doch es geht weiter.

Husten ist das eine. Nicht mehr husten das andere.

Nachdem ich am Freitagmorgen keine kleinen, grünen Dinge mehr abhusten konnte, sondern fürderhin überhaupt nicht mehr hustete, weil ich keine Luft mehr bekam, dachte ich mir: „Frau Nessy, geh besser nochmal zum Arzt.“

Der Doktor schaute besorgt, steckte mich in eine Kabine und ließ mich Bronchien erweiterndes Zeug inhalieren. Ich sag Ihnen! Eine Offenbarung! Mit einmal Luftholen habe ich danach das komplette Kabinchen leer geatmet. Und das Gefühl beim anschließenden Kiez-Spaziergang erst! Ein Lungenvolumen wie ein Blauwal. Marathon? Apnoetauchen? Ich bin dabei.

Ich habe den Doktor gefragt, wie das mit den Zaubertropfen sei. Ob man da was machen könne für das nächste Handballspiel, gegen die Kurzatmigkeit ab Minute 40. So unter Sportsfreunden.

Wir stehen noch in Verhandlungen.

es folgen Berichte zur Lage:

Dortmund : Köln

I) Gesundheitszustand

Ich war vorher schon kränklich. Das Zeckenstadion hat mir den Rest gegeben.

Das Spiel an sich war munter und ansehnlich – sechs Großchancen müssen schließlich erstmal vergeben werden (zum Glück direkt unterhalb des Nessy-Rangs Nummer 34). Dennoch ziehe ich den gepflegten Hallensport weiterhin vor. Allein schon wegen der Temperierung des Sporttempels. Minus zwei Grad sind halt doch etwas frisch.

Ergebnis: 1:0, Fieber und eine Bronchitis.

II) Kulinarischer Zustand

Während die Stadionkrankheit inkubierte, habe ich Opa Konni besucht und nicht nur fürstlich gespeist, sondern auch eine halbe Truhe Kuchen mit nach Hause genommen.

Opa Konni: Magst du etwas mitnehmen? Ich habe noch Kuchen eingefroren.
Nessy: Danke, das war schon reichlich heute.
Opa Konni: Wenn Du etwas mitnimmst, kann ich morgen wieder frisch backen.
Nessy: Brauchst du nicht extra, vielen Dank.
Opa Konni: [schielt zu seiner Frau hinübersenkt den Kopf und schaut mich nachdrücklich über seine Brille hinweg an] Wenn du Kuchen mitnimmst, kann ich morgen frisch backen und deswegen nicht den Vorgarten harken.
Nessy: Unter diesen Umständen nehme ich natürlich Kuchen mit.

III) Empirischer Zustand

Das ist alles total fantastisch hier. Ich bin sehr begeistert, welch freundliche, hilfsbereite und zuvorkommende Menschen es im Internet gibt. Sowohl denen, die mir in den Kommentaren eine Hilfe angeboten haben, als auch der Dame, mit der ich sehr ausführlich über das Problem gemailt habe, danke ich von ganzem Herzen.

Jetzt  ham’wa den Salat.

Ich weiß noch – im Grundstudium. Da musste ich diesen Statistikkram machen. Erhebungsverfahren I und II bei einem wirren Professor, dem immer das obere Gebiss auf die Unterlippe fiel. Man verstand kein Wort, weder akustisch noch inhaltlich. Die Prüfung nach zwei Semestern war ein Multiple-Choice-Test. Ich also dahin, angekreuzt, was mir plausibel erschien – mit 3,3 bestanden. Super, dachte ich mir, genügt.

Dann noch Methoden I und II. Das war genau so eine Farce. Wir schrieben eine Probeklausur, die wir mit in die eigentliche Prüfung nehmen durften. Und was sag‘ ich? Probe- und richtige Klausur waren 1:1 dasselbe. Na gut, man musste ein bisschen nachdenken und ein paar Zahlen austauschen, aber das war auch schon alles. Es gab nicht einmal eine Note. Prädikat: bestanden. Be-standen, nicht ver-standen. Ich hatte noch nicht einmal die Sache mit den Skalenniveaus gerafft.

So. Jetzt schreiben Sie mit diesen Voraussetzungen mal so ein Dissertationsdings. Jetzt stehe ich nämlich hier mit meinen Stichproben, die ich vergleichen möchte, die aber, weil es Zufallsstichproben sind, in wesentlichen Merkmalen wie dem Alter nicht übereinstimmen. Über die Grundgesamtheit ist nichts bekannt, und das Gedöns ist noch nicht einmal normalverteilt.

Gut, denke ich mir, kaufste dir mal ein schlaues Buch dazu. Am besten eins für total Doofe. Sowas wie: „SPSS für Dummies“. Und, denke ich mir, schauste mal ins Internet. Das weiß schließlich alles. Ich tippe also Suchwörter wie „spss stichproben vergleichen“ ein, lese mir Foren-Posts durch und denke mir manchmal: „Mmmh, joooo, hab zwar die Frage nicht so genau verstanden, aber irgendwie ist das so ähnlich wie bei mir.“ Ich fühle mich ermutigt – bis ich die Antworten lese:

Wenn Du explizit diese 2 a priori Hypothesen testest, dann 2 abhängige  t-Tests. Will man dabei streng sein (bzw. bei den Wilcoxon-Tests, falls die  vorgezogen werden), mit Signifikanzniveau alpha/2.“

Signifikanzniveau alpha/2 … na sowas.

Nessy: Captain, meinen Sie nicht, wir sollten auf Warp-Antrieb umstellen? Wir durchfliegen gleich einen Kometenhagel mit Signifikanzniveau alpha/2.
Picard: Sie haben Recht, Frau Nessy. Riker, Sie haben es gehört!

Ich habe mich jetzt zu den nichtparametrischen Tests durchgelesen und bin tatsächlich bei dem genannten Wilcoxon-Mann-Whitney-Test angelangt. Werde dort mal tiefer einsteigen und mich vor den Kometen in acht nehmen.

Am Telefon so:

Nessy: Hey, ich würde euch gerne mal wiedersehen.
Supermom: Ach, im Moment ist es so stressig. Ich schau mal in den Kalender.
Nessy: Wie wär’s mit dem Neunzehnten?
Supermom: Nee, da hat der Damian ein Turnier.
Nessy: Siebenundzwanzigste?
Supermom: Da müssen wir zu den Schwiegereltern.
Nessy: Fünfundzwanzigste abends?
Supermom: Abends ist ganz schlecht. Die Kinder machen momentan so ein Theater beim Zubettgehen.
Nessy: Das erste Aprilwochenende?
Supermom: Da hat die Kleine ihre Tanzaufführung.
Nessy: Wir können uns ja dort treffen und ich schaue auch zu.
Supermom: Nee du, lass mal. Das ist immer so ein Stress.
Nessy: Sechzehnte?
Supermom: Du hast aber viel Zeit.
Nessy: Also Mitte April?
Supermom: Ja, das ginge.
Nessy: Wollt ihr mal zu mir kommen?
Supermom: Nee, zu dir ist es immer so weit. Komm du lieber wieder vorbei.

Im Bus. Schule ist zu Ende.

Chick One: Voll krass heute in Hauswirtschaft. Da mussten wir so ein Ei aufmachen und dann das Innendrin da raus.
Chick Two: Hast du noch nie ein Ei aufgeschlagen, oder was?
Chick One: Nä, meine Mudda kocht nicht so kompliziert.

Manchmal wünsche ich mir, ich müsste mir diese Dialoge ausdenken und sie nicht erleben.

Samstagabend in der U-Bahn.

Im Vierer nebenan sitzen zwei Mädels von calmundscher Leibesfülle, die Körper in fusselige Wollpullover gehüllt. Sie sind 16, vielleicht 18, tragen Irokesenschnitt, Piercings und lila Lippenstift.

Chick One: Was ziehstu ’ne Fresse, ey?
Chick Two: Hab kein Bock.
Chick One: Wenn du immer nich‘ Bock hast, lernen wir nie einen kennen.
Chick Two: Fick dich.
Chick One: Wir müssen rausgehen, ey. Glaubstu, wenn du zu Hause bleibst, der Prinz kommt zur dir nach Hause, oder was? Glaubstu, der schellt an deine Tür, so wie der scheiß Typ von der scheiß Post und sacht: Ey, gucksdu hier, ich bin dein Prinz, küss mich und so?!
Chick Two: Halt die Fresse.
Chick One: Heute gehen wir raus und reißen einen auf. Wofür hast du dich geschminkt, ey? Heute reißen wir einen auf.
Chick Two: Typen stehen voll nicht auf Fette.
Chick One: Scheiß egal, ey, in dem Schuppen ist es voll dunkel, da merkt der gar nicht, dass du fett bist. Der sieht nur deine Augen, und wenn du dann schon mit ihm gehst, merkt er erst, wie fett du bist. Dann ist es aber voll zu spät, weil du hast ihn ja schon aufgerissen.
Chick Two: Du bist voll der scheiß Spinner, ey.
Chick One: Was glaubst Du, scheiß Spinner. Ich hab noch Hoffnung, ey. Im Gegensatz zu dir.

Dann steigen sie aus.

Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute Alkoholiker sind.

Ungefähr bei jedem zweiten Einkauf steht ein Mensch vor mir in der Schlange, der drei Flaschen namenlose Cola und zwei Flaschen Weinbrand kauft, manchmal auch Korn, manchmal auch Wodka,  es tut nichts zur Sache. Dazu eine Packung Mortadella und eine Packung geschnittenes Brot – vielleicht, weil er es essen möchte, vielleicht, weil er damit den Alkohol nach einem normalen Einkauf aussehen lassen will. Er hebt kein einziges Mal den Blick, legt dem Kassierer das Geld aufs Band,  stopft das Brot, die Wurst und die Flaschen in einen Rucksack und verlässt den Laden, ohne jemanden angeschaut zu haben.

So ist es im Ghettonetto. Dort erkennt man sie sofort. Im Ghettonetto erwartet man sie schließlich auch. Rotnasig, aufgequollen, in abgetragenen Strickwesten und mit steifen, zittrigen Händen.

Männer kaufen Bier und Schnaps. Frauen kaufen Bier, Sekt und manchmal Wein aus dem Tetrapack. Männer sagen nichts, Frauen schieben mit dem Geld auch eine Entschuldigung zum Kassierer. „Meine Freundin aus Breckerfeld kommt heute zu Besuch, wa.“ Dabei hat der Kassierer gar nicht gefragt. Er weiß sowieso, was los ist, und die Frau weiß auch, dass er weiß, dass die Freundin schon seit drei Jahren nicht mehr da war und in den nächsten drei Jahren auch nicht kommen wird. Dass sie erst wiederkommt, wenn die Alte sich zu Tode gesoffen hat, mit einem Kranz und einem schlechten Gewissen.

Am Bahnhofsyormas steht eine andere Klientel. Da sind es nicht die, denen man ansieht, dass sie verloren haben. Da sind es die Berufstätigen, die Dienstbeflissenen. Aber nicht die Anzugträger. Meistens sind es Männer vom Typ Buchhalter in Bundfaltenhose und einem Pullover, der niemals modern war. Es ist später Nachmittag, und sie sind auf dem Heimweg zu ihrer Frau; die Kinder sind längst aus dem Haus. Oder sie kehren in ihr Zwei-Zimmer-Appartment mit Kochnische zurück, das sie seit der Scheidung bewohnen. Sie stellen ihre Aktentasche auf die Ablage vor der Glastheke, hinter der sich die Salamibaguettes stapeln. Sie sagen „Zwei Bier, bitte“, wühlen in ihrer ausgebeulten Ledertasche und holen drei leere Dosen Pfand heraus. In dem Moment weißt du: Die hat er sich heute morgen gekauft, bevor es ins Büro ging. Dann bezahlt er, steckt eine Dose ein, die zweite öffnet er schnalzend und setzt sie sofort an. Ein kühles Blondes nach der Arbeit, wer will ihm das verdenken.

Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute Alkoholiker sind. Achten Sie mal darauf.

Montagmorgen,

eine bezaubernde, neue Woche lächelt uns an. Wir wollen ihr gerne herausfordernd zuzwinkern, aber Müdigkeit drückt bleiern auf unseren sonst wachen, energischen Blick. Dabei stecken wir doch voller Tatkraft, Tüchtigkeit und Liebreiz!

Sie kennen das? Fühlen es sogar gerade (vielleicht abgesehen von der Tatkraft)? Aus Japan kommt nun eine Antwort auf das Problem: Eye Talk. Was das Auge vermittelt, braucht der Mund nicht erzählen.

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=-eeuAEo_jUc&w=480&h=390]

Ab 0:45 deutet sich eine Lösung für das leidige Montagsschlupflid an. Erste Ergebnisse ab 01:25. Es folgen Variationen, auch für Meetings, in denen Ihnen die Augen zufallen.

In diesem Sinne: Frisch auf! Genießen Sie die Woche!

Zwei Chicks in der U-Bahn.

Chick One: ‚Schab voll Hunger auf Nudeln.
Chick Two: Komm, wir gehen Italiener.
Chick One: Nä, Pizza hab’isch kein Bock.
Chick Two: Boah, du Versager! Nudeln sind auch italienisch.
Chick One: Nudeln sind voll muslim!  Mein Freund is‘ Türke und isst nur Nudeln, weil is‘ ohne Schweinefleisch!
Chick Two: Und Spaghetti Bolognese, hä?
Chick One: Is‘ mit Gehacktes, nich‘ mit Fleisch!



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