Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Heute wieder ver.di-bedingtes Radfahren.

Diesmal allerdings bei schönem Wetter, was mich zu dem Vorhaben bewegt, wieder öfters mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Es war nämlich richtig nett.

Worüber ich während des Radelns aber vielmehr nachgedacht habe, ist:

  1. Haben alle Ruhris ein Auto? Oder haben sie nur kein Fahrrad? Nehmen sich die Leute frei? Trotzdem, dass weder Busse noch Bahnen fuhren, waren kaum Radfahrer unterwegs.
  2. Was bringt der Streik eigentlich? Die Arbeitgeber kratzt es doch wenig: Alle Monatskarten sind bereits bezahlt, und die KiTa-Beiträge werden auch nicht anteilig erstattet.
  3. Wie soll eine Lohnerhöhung finanziert werden? Das kann ja nur über Beitragserhöhungen geschehen.

Vielleicht kann hier mal ein Streikender schreiben, wie er oder sie das sieht. Ich finde ja auch, dass Erzieherinnen zu wenig verdienen. Aber so richtig solidarisch fühle ich mich wegen der oben genannten Fragen trotzdem nicht. Oder wie sehen Sie das?

Meine Mutter hat mir einen Pyjama geschenkt.

Pyjama mit rosa Plümchen

Ich habe sie gefragt, ob sie möchte, dass ich nie wieder Geschlechtsverkehr habe. Sie antwortete: „Wieso? Der ist doch gut verarbeitet! Was soll ein Mann dagegen sagen?“

Nach diesem Wochenende muss ich mich der Wahrheit stellen:

Meine Handballmannschaft droht aufzusteigen. In den vergangenen Wochen habe ich das beiseite geschoben: Bloß das A-Wort nicht erwähnen, das bringt Unglück. Außerdem: Es kann noch viel passieren – Verletzungen, Wurfpech, raumgreifende Unfähigkeit. Deshalb besser nicht daran denken.

Seit heute nun führen wir mit Punktevorsprung die Tabelle an. Es sind noch vier Spiele zu spielen.

Heute hatte ich auch meinen ersten Einsatz nach dem Bänderriss. Die Trainingseinheiten zuvor waren leidlich. Der Fuß schmerzte, der Kopf blockierte, und ich japste mit dem Lungenvolumen eines Zwergeichhörnchens durch die Halle. Aber wie sagt man so schön: Was zählt, is‘ auf’m Platz – und da bin ich ja ’ne Kampfsau.

Wenn Sie sich ein bisschen im Handball auskennen, stellen sie sich mir bitte als Oliver Roggisch einer Ruhrgebiets-Freizeitliga vor (nur mit Brüsten natürlich): vorne am Kreis, hinten in der Abwehr der Mittelblock, und alles in allem keine rhythmische Tanzgymnastin, sondern mehr, nun ja, ukrainische Kugelstoßerin.

Falls wir nun aufsteigen, wird die Luft dünn – buchstäblich, denn meine Kondition und meine Dynamik sind absolut untauglich, eine Liga höher zu spielen. Außerdem erreiche ich mit Mitte 30 so langsam das gepflegte Handball-Rentenalter, in dem man in der Bezirksliga noch ein bisschen Bälle schubsen kann, sich aber ansonsten keine Ziele mehr stecken sollte. Aber aufhören? Nach einem Aufstieg?

Niemals. Falls wir tatsächlich aufsteigen, werden Sie hier im Sommer lesen, wie ich leide. Denn dann ist es mit lockeren 10-Kilometer-Trainingsläufchen nicht getan.

Ich fürchte mich schon jetzt.

„Mein Hund hat den Aufgabenzettel gegessen“,

war in der Schule eine beliebte Ausrede, wenn es um nicht gemachte Hausaufgaben ging. Eine Freundin, die bis vor Kurzem als Uni-Dozentin in Australien arbeitete, hat die Steigerung davon erlebt. Eine Studentin konnte ihre Hausarbeit nicht pünktlich abgeben mit der Begründung: „Mein Alpaka hat Grippe.“ Wie großartig! Der Satz ist bei uns schon jetzt ein geflügeltes Wort.

„Warum bist du so spät?“
„Tut mir leid, aber mein Alpaka hat Grippe.“

„Morgen joggen?“
„Kann nicht. Mein Alpaka hat Grippe.“

Passt immer. Und bei Ihnen? Schon doofe Ausreden gehört – oder genutzt?

Als rege Besucher des Kännchencafés wissen Sie:

Die Chicks und Checker, mit denen ich Busse und Bahnen teile, sind dankbare Lieferanten blogbarer Begebenheiten. Am Wochenende allerdings versammelten sich derart sonderbare Gestalten im Regional-Express 1, dass ich es selbst nicht fassen konnte.

Der RE 1, so viel sei vorausgeschickt, ist die Hauptverkehrsachse des Ruhrgebiets. Er fährt von Aachen nach Paderborn und hält dabei in allen großen Städten des Potts. An Werktagen schmiegen sich ölige Aktentaschenträger in die Achselhöhlen ihrer Nachbarn. Am Wochenende ist der RE1 das Stangentaxi fürs Partyvolk, der Samba-Express nach Köln. Stets ist es warm und lauschig. Mal riecht es nach Puff, mal nach Schnapsbrennerei.

Als ich am vergangenen Freitag einsteige, betreten mit mir den Zug: ein pöbelnder Tippelbruder mit nur einem Arm und eine Gruppe studentischer Sozialflippies mit Dreadlocks. Ein Bahnbediensteter schiebt außerdem einen bärtigen Muslim mit gestrickter Gebetsmütze in den Waggon: Der Mann hat keine Füße und sitzt im Rollstuhl.

Die Türen schließen sich piepend. Die Reise beginnt. Der Pöbler schwingt sich eine fleckige Jutetasche über die armlose Schulter und macht die Sozialflippies an. Sie sollen ihre Bierflaschen hergeben, die NATO bereite Kriege vor, da brauche er Pfandgeld, es könne jederzeit losgehen. Einer der Jungs sagt: „Nimm, Bruder“, und reicht ihm eine leere Flasche.

„Da ist ja gar nichts mehr drin!“, beschwert sich der Einarmige, hält die Pulle mit dem Hals nach unten und lässt einen Rest Bier auf den Boden kleckern. Während er der Plörre nachguckt, fällt sein Blick auf den Muslim, auf dessen nicht vorhandene Füße das Bier tropft.

„Du hast ja gar keine Füße“, stellt er verwundert fest und sagt: „F*ck, ey, du kannst nicht mal moscheemäßig beten. Du bist echt  feist gef*ckt, Alta.“

Der Muslim schaut zu ihm auf, blickt ihn eine Weile an und sagt sehr ruhig: „Dafür kann ich Handstand machen und du nicht.“

Streik im Nahverkehr.

Endlich eine Gelegenheit, nach dem Winter das Fahrrad aus dem Keller zu holen. Draußen sind es knapp vier Grad. Aber Sie kennen mich: Ich bin kein Gelsattelsitzer. Kälte ist kein Feind, Kälte ist eine Herausforderung. Also Mütze auf, Handschuhe an, das wattierte Shirt drunter, los geht’s.

Auf dem Hinweg geht es bergauf, acht Kilometer lang. Mir wird reichlich warm. „Bischt den Buckel ’nauf’g’schnauft?“ fragt die schwäbische Kollegin, als ich im Büro ankomme. Ich bejahe und gebe mich heroisch. Das Team nickt mir anerkennend zu.

Abends dann – nur die Nerds sind noch da, schreiben Ajax-Gedichte und teilen sich knuspernd eine Packung Currywurst-Chips -steige ich wieder aufs Rad. Es regnet. Aber was soll’s. Wetter, Wind, Natur – das ist eins, das gehört zusammen. Da fühlt man erst, dass man lebendig ist.

Nach nur einem Kilometer bin ich durch. Es stürmt. Ich bin nass. Es geht nur bergab. Ich friere wie ein Schneider. Der Regen tropft vom Helm, weht mir in die Augen, bricht das Licht entgegenkommender Scheinwerfer. Ich sehe drei Meter weit, beuge den Kopf, der Wind weht mir in den Kragen. Leise und formelartig murmle ich: „Radfahren ist schön. Radfahren macht Spaß. Total! Spaß!“

Zu Hause dann: kein Team, das anerkennend nickt. 18 Grad in der Wohnung. Ich suche den Flauschbademantel, schäume Milch auf, trinke Kakao.

Keine Pointe.

Die Schnullerfee ist ein geheimnisvolles, unbekanntes Wesen.

Herr Buddenbohm schreibt über sie:

Die Schnullerfee gehört zu den eher seltsamen Gestalten in der modernen Mythenwelt der Kleinkinder. Man weiß nicht, wo sie wohnt, man weiß nicht, wie sie aussieht, man weiß auch nicht, was sie sonst so treibt, wenn sie nicht gerade ihrem Hauptberuf nachgeht. Eigentlich weiß man nicht einmal, ob sie fliegen kann, und verblüffender Weise scheint auch niemand Interesse daran zu haben, es herauszufinden. 

Im Jahr 2007 entdeckte ich während einer Reise zum Nordkap im Stockholmer Freilichtmuseum Skansen das Haus der Schnullerfee:

Das Haus der Schnullerfee in Skanes
In dicken Bündeln hingen die abgelegten und plattgelutschten Schnuller vom Dachfirst des Hauses. Vereinzelte, abgeliebte Exemplare lagen verlassen im Vorgarten. An den umstehenden Bäumen bildeten sie schwere Girlanden.
Schnullergirlanden an Haus der Schnullerfee
Vor dem winzigen, knapp kniehohen Gebäude spielten sich seinerzeit dramatische Szenen ab. Weinende Kinder klammerten sich an ihre Nuckis, warfen sie weinend in den Vorgarten, schlugen wütend auf ihre Eltern ein. Großeltern reichten tröstend Zuckerstangen. Aufgewühlte Mütter klammerten sich mit Mienen der Reue an Stofftiere und Schnuffeltücher. Väter saßen auf Bänken in der Umgebung und unterhielten sich über – keine Ahnung. Wahrscheinlich Fußball. Mitarbeiter der Schnullerfee verkauften für 24 Kronen kalte Limonade an die erhitzte Kundschaft.

Die Schnullerfee selbst habe ich nicht gesichtet. Man munkelte damals, sie leide an Burnout und befände ich auf Kur.

Mjamm!

Quarkriegel

In jedem Land, das ich bislang besucht habe, habe ich großartige Köstlichkeiten entdeckt. In Russland waren es Blini und Sirniki – und Sirok, Quarkriegel mit Schokoglasur. Sirok ist ein bisschen wie Kinder-Pingui, aber viel weniger süß, außerdem quarkig und frisch. Es gibt verschiedene Geschmacksrichtungen: pur, Vanille, Erdbeer, Orange und Kondensmilch. Pur, Vanille und Kondensmilch sind eine Offenbarung, wildes Entzücken, reine Glückseligkeit.

Sie können sich vorstellen, was in meinem Innersten vorging, als ich dieses Produkt im russischen Supermarkt „Gastronom“ entdeckte, auf welchen ich wiederum gestoßen war, als ich Ludmillas Atelier besuchte.

Einmal in der Woche pilgere ich nun in den Gastronom und kaufe nichts anderes als zwei Arme eine Hand voll Quarkriegelchen. Die Verkäuferin beobachtet das mit Befremden, freut sich aber auch wie Bolle, nun eine deutsche Kundin zu haben. Der Laden wird sonst nur von russischen Kunden besucht, liegt mitten in einer rein russischen Hochhaussiedlung; es wird ausschließlich russisch gesprochen.

Als ich mich bei meinem letzten Sirok-Einkauf mit einem спасибо bedankte, gab es dann kein Halten mehr: Die Verkäuferin schlug die Hände vor ihren rotbemalten Mund, entließ mit glühenden Wangen einen Wortschwall und ging in Richtung Kühltheke, mit der Hand winkend, ich solle ihr folgen. Sie zeigte mir ihre Wareniki, mit Brombeeren und Frischkäse gefüllte Teigtaschen, und bedeutet mir wort- und gestenreich, sie würden mir auch schmecken, wo ich doch so auf Sirok stünde.

Demnächst gibt es also Wareniki. Ich werde an dieser Stelle berichten.

Sollten Sie sich zwischendurch langweiligen,

schauen Sie doch mal woanders vorbei. Neben den Damen und Herren, die in meinem Schaufenster stehen, habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten einige neue und alte Blogs entdeckt, die ich Ihnen vorstellen möchte.

Frau Anne.
Frau Anne mag das Ruhrgebiet. Das muss man wollen und ist allein schon ein Grund, sie zu lesen. Sie isst gerne, fotografiert viel und steht total auf Bubble Tea. Vor allem aber kommt sie voll knorke rüber.

Herr Wilson.
Schreibt unaufgeregt. Manchmal auch schlau. Was sexy sein kann, beides. Fährt einen alten Benz. Sonst nix Besonderes, aber alles sehr gefällig.

Frau Juliane.
Sie kocht. Danach fotografiert sie den Mampf so, dass er toll aussieht. Ich meine: Ich koche auch gut, aber wenn ich das Zeug fotografiere, sieht es aus wie Erbsensuppe. Wenn Sie also mal nicht wissen, was Sie kochen sollen: Bei Frau Juliane können Sie es nachgucken.

Frau Chirurgin.
Schneidet an anderen herum und freut sich darüber. Kann ich verstehen, würde ich auch tun, schließlich war ich schon immer der Basteltyp. Allerdings nicht mit dem nötigen Geschick, weshalb ich bei Frau Chirurgin nachlese, wie mein Leben mit mehr Talent hätte werden können.

Ach Naja.
Schreibt unsympathisch. Offenbart dadurch Einblicke und Wahrheiten. Ich lese ihn nur wegen dieses Gegensatzes.

An dieser Stelle möchte ich Sie an Frau Nicky erinnern. Denken Sie bitte an sie. Sie kann’s gebrauchen.

Inzwischen ist es wohl allseits bekannt: das Chantalismus-Blog.

Die Jüngeren unter Ihnen sind vielleicht der Meinung, Chantalismus und Kevinismus seien ein Phänomen der jüngeren Zeit. Dabei gab es auch damals™ schon typische Ghettonamen.

Die Chantalle der 80er war in meinem Viertel die Sandra. Kevin hieß Dennis. Wenn Kinder nach Prominenten benannt wurden, hießen sie nicht Brad und Angelina. Stattdessen kannte ich die Geschwister Paola und Kurt und Albano und Romina.

Und bei Ihnen?



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