Eine Freundin macht eine Ausbildung zur Yogalehrerin.
„Ich brauche Opfer“, meint sie irgendwann. „Zum Üben. Hast du Lust?“
Yoga, denke ich, na klar. Ein bisschen turnen, ein bisschen atmen – warum nicht. Für Entspannung bin ich immer zu haben.
„Du musst auch nichts können“, schiebt sie hinterher und guckt ermunternd.
Das Ganze lässt sich gut an: Wir sitzen auf einem Kissen und atmen. Doch es dauert nicht lange, und ich hänge im Herabschauenden Hund. Wobei „hängen“ das falsche Wort ist: Ich stehe in meinen Armen, das zwiebelt ganz schön, entspannt ist dabei nichts, im Gegenteil, das ist anstrengend, und ich schaue auch nicht lässig hinab, auch wenn die Yogalehrerin mir liebevoll über den Rücken streicht und meinen Hintern richtet.
Vom Herabschauenden Hund geht es geradeaus in die Liegestütz, „wir werden ein Brett“, das kenne ich aus dem Bootcamp, dort sind wir alle immer Bretter; Bretter, die bisweilen etwas ausbeulen, aber innerlich sind wir hammamäßige Bretter.
Sie korrigiert ein wenig an mir herum, dann noch an meinen Nebenleuten; es haben sich insgesamt vier Opfer gefunden. Mein Nebenmann hängt etwas durch, die Freundin arbeitet an ihm, und arbeitet; immerhin, denke ich, hat meine jahrelange Saisonvorbereitung etwas gebracht, Körperspannung, ich bin ein bisschen stolz auf mich. Der erste Schweißtropfen rinnt meine Stirn hinab und perlt auf die Matte, der Nebenmann wird noch weiter situiert, und mir schwant langsam, dass das hier mehr wird als ein bisschen atmen. Das Brett in mir wird jetzt morsch, sehr morsch, immer morscher, meine Schultern rufen den Notstand aus, es wird schwer, wirklich SCHWER, du lieber Himmel, können wir jetzt mal langsam –
Gott sei Dank geht es im letztmöglichen Moment hinab in die Kobra, endlich hinlegen, denke ich, sapperlott.
„Wir öffnen das Herz“, sagt die Yogalehrerin, „und atmen langsam und bewusst ein und aus.“ Langsam! Haha! An langsam ist nicht zu denken, meine Muskeln brüllen: „SAUERSTOFF!“, und bewusst ist mir, dass sich das alles hier in die falsche Richtung entwickelt.
„Wir fühlen jetzt in unseren Körper hinein“, sagt die Lehrerin, aber ganz ehrlich: Ich brauche da nicht reinfühlen. Der kommt zu mir raus.
In dem Moment zieht die Freundin meine Schultern nach hinten. Und plötzlich: Oh! Was ist das? Wundersamerweise öffnet sich tatsächlich etwas, es ist der Brustkorb, ich atme ein, tief ein, eine ziemlich coole Sache.
Es geht weiter, über die Fersen wieder in den Herabschauenden Hund. „In diese Stellung kehren wir immer zurück.“ Ist das eine Drohung? Warum nicht die Kobra? Die war doch so schön.
In verschiedenen Variationen wiederholen wir die Sache, stehen zwischendurch, strecken uns, dann geht es zurück in Hund und Kobra, es wird leichter mit der Zeit, und irgendwann, schwupps, sind wir Krieger.
Der vordere Oberschenkel gebeugt, das hintere Bein lang, und die Hüfte – die Freundin korrigiert – oh-a, jetzt zwiebelt’s richtig. Lassen Sie sich von den Links und den Bildern nicht täuschen, dort sieht das alles ganz flockig aus; die Wahrheit ist aber: Das brennt Ihnen die Oberschenkel weg, und wenn Sie dann noch die Arme heben, also dieselben Arme, die Ihren Körper bis anhin achtmal, neunmal, ach, was sag ich: hundertmal in den Hund gestemmt haben, dann wissen Sie, dass Sie leben.
Heute, was soll ich Ihnen sagen? Es ist wunderbar. Der Körper ist überall angestrengt. Der Rücken ist gerade. Ich stolziere aufrecht und mein Herz, das ist ganz weit und offen.
Ich bin jetzt öfter Opfer.