Scheiter heiter! Und: buntes Chemnitz, Entscheidung für ein E-Auto, ein Anruf in Sachen Gießkannen-Code
Chemnitz | Gestern Abend kam ich aus Chemnitz zurück – nicht mit dem Zug, sondern in Katjas Auto. Katja war mit mir als Kollegin in Chemnitz, wir haben zusammen ein Seminar gehalten. Im Seminar ging es um den Umgang mit Macht – um eigene Macht und die Macht anderer – und um den Umgang mit herausfordernden Personen, die mit ihrem Verhalten Macht über uns ausüben. Sei es, weil sie dominant auftreten oder weil sie nicht zu packen sind, weil sie sich uns immer entziehen. Katja und ich, aber insbesondere Katja, sind in Rollenspiele mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegangen. Das Motto war „Scheiter heiter!“, denn so ein Rollenspiel, vor allem mit Katja als Gegenüber, kann man erstmal nicht gewinnen. Aber dann, mit Beratung der anderen Teilnehmer:innen, mit Ausprobieren und mit dem Ausbrechen aus bestehenden Mustern geht es doch.
Wir hatten uns für eine gemeinsame Rückfahrt verabredet. Gemeinsam ist es ja immer geselliger. Wir haben die Strecke staufrei und mit guten Gesprächen rumgekriegt. Außerdem haben wir uns selbst auf die Schulter geklopft, nicht die ganze Zeit, nur bis zur Autobahn: Nicht nur, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer uns gutes Feedback gegeben haben. Sie möchten uns auch im kommenden Jahr noch einmal sehen.
In Chemnitz residierte ich standesgemäß im Wasserschloss. In Hamburg oder München würde man für diese Residenz wahrscheinlich Unsummen bezahlen; in Chemnitz hingegen kann man dort wohnen, ohne das Budget zu überschreiten.
Eine gute Bleibe zeichnet sich ja vor allem durch drei Dinge aus: ein hartes Bett, ein gut durchlüftetes Zimmer und das Gefühl, dass die Leute sich ein bisschen Mühe für mich geben. Das war im Wasserschloss so; ich habe sehr zufrieden geschlafen.
Am zweiten Tag waren wir abends im der Innenstadt von Chemnitz. Dort ist es erfreulich hübsch. Es gibt Springbrunnen, bunte Bänke und das beste Heidelbeereis. Ich kaufte Viba-Nougat in der Karl-Marx-Verpackung, Touristen-Edition.
Sushi mit Dampf | In Chemnitz traf ich A., wir kennen uns von Instagram. Menschen, die mit Blogs und Social Media nichts am Hut haben, sind stets befremdet, wenn ich von derlei Verabredungen berichte. Einfach so fremde Personen treffen? Und was, wenn sie unsympathisch sind?
Erstmal finden diese Menschen mich ja sympathisch, sonst würde es nicht zu einer Verabredung kommen. Also muss von ihrer Seite zumindest eine gewisse Grundsympathie bestehen. Ich selbst finde mich auch sympathisch, also haben wir schonmal etwas gemeinsam. Wie fast alle Menschen, die ich übers Blog oder Social Media kennenlerne, ist A ein grundsympathischer Mensch. Wir hatten einen sehr schönen Abend – mit einer Sushiplatte. die dampfte. Der Dampf hatte keine Funktion, war lediglich eine Marketing-Masche. Aber ich muss sagen: Ich war schon beeindruckt. Gut schmeckte es außerdem.
A arbeitet im Gesundheitswesen und bestärkte wieder einmal meinen Eindruck, den ich aus anderen Gesprächen habe: Die Menschen, die dort arbeiten, sind super. Aber das System ist am Arsch.
Die E-Auto-Entscheidung | Die Entscheidung ist gefallen. Ich möchte etwas ausholen, bevor ich sie verkünde.
A fragte mich bei unserem Date, ob es nicht komisch sei, dass wir uns träfen und sie so viel über mich wisse und ich über sie quasi nichts. Diese Frage bekomme ich bei derlei treffen quasi immer gestellt. Ich habe dazu schon mehrmals in mich hinein gehorcht und kann sagen: Nein, das beunruhigt mich nicht. Denn es ist ja nicht so, dass ich hier mein ganzes Leben erzählte. Vielmehr gibt es jede Menge mehr private Dinge, aber auch unprivate, die ich aus banalen Gründen (keine Zeit, zu langweilig, keine Lust) hier nicht erzähle. Überdies, und da schließt sich der Kreis zum Thema Macht, könnte man zwar meinen, dass meine Blogleser:innen durch dieses Wissen Macht über mich haben; die größte Macht habe ich allerdings selbst, indem ich auswähle, was ich preisgebe und was nicht.
Außerdem, und jetzt kommen wir zur E-Auto-Entscheidung, habe ich durch meine Erzähltipperei im Kännchencafé viel mehr Nutzen als umgekehrt. Nachdem ich über meine Elektroauto-Überlegungen gebloggt hatte, erhielt ich Zuschriften aus zweierlei Richtung: Zum Einen von einer Person mit ausgewiesener Expertise in Informations- und Verfassungsrecht, die mir viel Kontext hinsichtlich chinesischen Elektroautos gab, die darin erhobenen Daten, die Nutzung dieser Daten durch den chinesischen Staat – und was das für praktische Konsequenzen haben kann. Zum anderen von einer Person aus dem Kfz-Sachverständigenwesen, die mir Informationen zu Sicherheitsaspekten des MG gab; nichts, was einen sofort umbringt, aber was zu Unaufmerksamkeiten im Straßenverkehr führt: Doppelbelegungen von Lenkradtasten, kleine Displayanzeigen. Danke an beide für die Infos!
Im gleichen Atemzug mit den Zuschriften geschahen zwei weitere Dinge:
- Das Leasingangebot des MG-Händlers traf ein. Das Leasing des MG ist in der Gesamtschau – inklusive steuerlicher Aspekte hinsichtlich Geschäftswagen, Versicherung und Wartungskosten – preiswerter als die Dauermiete des Tesla. Allerdings nicht in einem Maße, das mir Unbehagen bereitet.
- Meine Auftraggeberin in Chemnitz holte mich am ersten Morgen am Wasserschloss ab – mit einem Tesla Model Y.
All dies führte zu der Entscheidung für einen Tesla.
Unerfreulicherweise las ich einen Tag später im aktuellen Newsletter des Recherche-Nertzwerks Correctiv von Verstößen von Arbeitsschutz- und Umweltschutzauflagen in der brandenburgischen Tesla-Fabrik. Sie hören mich seufzen. Es wird aber bei der Entscheidung bleiben.
Der Gießkannen-Code | Dann geschah noch etwas: Ich erhielt einen Anruf. Am anderen Ende der Leitung war eine Journalistin, die im Auftrag eines bekannten Autors recherchiert. Ich kenne den Autor, habe selbst schon Bücher von ihm gelesen; er ist vielfach ausgezeichnet. Sie riefe an, sagte sie, weil ich in meinem Blog über den Gießkannen-Code geschrieben habe: Wenn man Witwe oder Witwer sei und auf den Friedhof ginge, könne man die Gießkanne auf bestimmte Weise tragen, mit dem Ausguss nach vorne oder nach hinten, das signalisiere, ob man wieder bereit sei für eine neue Beziehung. Besagter Autor wolle dies in sein neues Buch einbauen, wolle aber vorher ein Fact-Checking machen: Gibt es das wirklich? Sie fragte mich, ob ich Quellen habe, ob ich Menschen kenne, die dies bestätigen könnten oder ob ich mir das ausgedacht habe. Ich telefonierte mit meinem Vater, mit meiner Tante und mit einer Bekannten meines Vaters und bestätigte der Journalistin: Ja, doch doch, das gibt es. Allerdings, gab ich der Journalistin weiter, komme dies nach meiner Meinung Sauerländer Verwandtschaft nicht mehr zur Anwendung, man seis chließlich offener geworden, würde sich eher ansprechen. Aus aktuellen Anlass könne man allerdings sagen, dass der Friedhof eine hervorragende Partnerbörse für das gesetztere Semester sei, *zwinkizwonki. Ich gab diese Informationen weiter. Die Journalistin bedankte sich und versprach mir ein Exemplar des Buches.
Schwein des Tages | Mittagessen, unser Entdeckerschwein: neugierig, mutig, Schnellmerker.