Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Ereignisschnipsel aus Sommertagen

4. 8. 2024 4 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Ereignisschnipsel | Ich sitze auf dem Sofa, es ist Sonntag. Auf dem Fernseher läuft Olympia, ein flauschiger Ereignisteppich unter diesem Tag, an dem es eher kühl ist, der Himmel bedeckt. Man überträgt Bogenschießen.

Bogenschießen habe ich liebgewonnen, eine übersichtliche Sportart. Erst schießt der Eine, dann der Andere. Drei Schüsse sind ein Satz: Zehn plus zehn plus neun, das sind Neunundzwanzig, das kann man auch mit drei Neuronen noch zusammenrechnen. Selbst mit halber Hirnhälfte versteht man, wer hier grad besser ist. Dazu vor jedem Schuss dieses leichte Spannungsgefühl. Perfekt für den Sontagnachmittag.

Dann Dressurreiten, ich lese dabei. Ein großer Roman, tausend Seiten. Die Spannung baut sich langsam auf – in kleinen Begebenheiten und unscheinbaren Halbsätzen. Eine Geschichte, die daherkommt wie ein jovialer älterer Herr, zugewandt und freundlich, und doch spürst du: Irgendwas stimmt hier nicht. Dazu die Stimme Carsten Sostmeiers es ist hier der königliche Tanzpalast der Reiterei …

Ich bin heute etwas ermattet. In den Tagen zuvor war ich mehrmals schwimmen, einige Kilometer. Gestern fuhr ich fünfzig Kilometer Rad über den Vestischen Höhenrücken. Der Reiseleiter klärte mich über diese unerfreulich langsame Steigung auf, während wir sie unter den Reifen hatten. Es geht nicht wirklich bergauf, man hat eher das Gefühl, heute sei ungewöhnlich starke Schwerkraft am Werk. Am Tag danach sind meine Arme vom Schwimmen, die Beine vom Radfahren schwer. Ich mache mir Wassermelone mit Feta und plumpse ins Sofa … Ein Paukenschlag im Orchester der Hippologie!

Die gestrige Radfahrt führte zu den Schwiegereltern, Kaffeetafel mit Pflaumenkuchen. Ist das Jahr ist also schon soweit: Pflaumenzeit. Wir fuhren durch Maisfelder. Die Sonne fieselte durch eine trübe Wolkendecke. Mit Sonnenbrille war es zu dunkel, ohne zu hell. Die Luft lag schwer zwischen den Feldern. Beim Bergauffahren klebten sich Stechfliegen an die Arme und in die Kniekehlen.

In meinem Buch steht über den August:

Das Land explodiert, grün und gold und strohgelb. Die Halme schwanken schwer vor Mais, bremsen den leichten Wind. Die Landschaft lehnt sich zurück, üppig und stolz wie eine hochschwangere Frau, rekelt sich.

Ann-Marie MacDonald: Wohin die Krähen fliegen, S. 24f.

Der Pflaumenkuchen schmeckte gut. Der Boden schön dünn und leicht matschig. So mag ich das. Ich habe noch eine Woche frei. Vielleicht schaue ich demnächst im Supermarkt nach Pflaumen und backe auch einen Kuchen, mit Quark-Öl-Teig … Sie schenkt ihre Beine der Reiterin zum gemeinsamen Tanz … Allerdings habe ich auch noch Zucchini zu verarbeiten.

Während des olympischen Lesens hat sich der Stapel der Bücher neben meinem Bett auf wundersame Weise vermehrt. In der Stadt war Büchermarkt.

Ausbute vom Büchermarkt: "Klack", "Frühstück mit Kängurus", "Die Schwimmerin", "Sky Coubntry", "Mit der Faust in die Welt schlagen"

Draußen vor dem Fenster sitzt nun eine Kolonie Spatzen auf dem Rasen und frisst Samen weg. Neulich habe ich ausgestochen, was zu viel wurde: Breitwegerich, Löwenzahn, Ferkelkraut. Ich war im Gartenmarkt und kaufte einen Unkrautstecher für die langen Pfahlwurzeln. Nach dem Ausstechen habe ich den Rasen neu eingesät. Nun kommen die Spatzen und fressen ihn weg. Die Schweine könnten sich ein bisschen engagieren, denke ich, schließlich ist es auch ihr Rasen. Wird er gewachsen sein, werden sie ihn fressen. Aber sie befinden sich in einem Zustand völliger Entspannung und tun nichts, um die Spatzen zu vertreiben. Sie zerfließen im Stroh wie Camemberts in der Sonne.

Und man meint, im Gesicht der Stute ein Lächeln zu erkennen, das förmlich die Sonne im Dressurviereck zaubert … Ich könnte die Olympischen Spiele in der Mediathek schauen. Die Sportarten werden parallel gezeigt, in einzelnen Livestreams. Ich könnte mir aussuchen, was mir gefällt. Aber ich mag die lineare Übertragung. Es gefällt mir, mich zwischendurch zu langweilen. Es ist schön, wenn mir plötzlich Randsportarten gefallen, über die ich vorher nicht nachgedacht habe. BMX-Fahren sieht interessant aus und noch dazu sehr anstrengend. Eine Minute Vollspeed, Sprünge, Figuren, Pirouetten, und dann ist schon alles vorbei. Judo! Herumfummeln am Revers, Füßchen setzen, Leute umschmeißen und dann ein Schwitzkasten, der sich gewaschen hat. Ich denke an die Kinder. Sie kennen das gar nicht mehr: Gucken, was läuft, weil es keine anderen Programme gibt. Weil Langweiliges zu gucken besser ist als gar nichts zu gucken. Weil man zum Umschalten aufstehen müsste, und so lange dauert es dann doch nicht, als dass man diese Mühe auf sich nehmen möchte. Das sitzt man aus, das liegt man aus.

Auf der Fahrt über den Vestischen Höhenrücken, das erzähle ich noch kurz, fuhren wir durch Marl und stoppten an der Konrad-Kirche. Die Kirche liegt in einer Zechensiedlung und wurde schon vor Jahrzehnten entweiht. Ende der Siebziger Jahre hatte sich die Bevölkerung so sehr verändert, dass sich ein Unterhalt nicht mehr lohnte; niemand ging mehr zur Kirche, niemand glaubt an Gott, wie die Kirche es erwartet. Gemeinden wurden zusammengelegt. Die Kirche aber steht unter Denkmalschutz – was also tun damit? Sie wurde zu einem Kolumbarium.

Kolumbarium in einer Kirche. Durch bunte Fenster fällt Licht.

Ein ruhiger, wohltuender Ort: der Duft von Ölkerzen, gedämpfte Musik, buntes Licht durch Kirchenfenster.

Ich verlasse das Sofa. Ich brauche ein aktuelles Foto von den Schweinen, Chronistenpflicht des Tagebuchbloggens. Die Tiere sehen keinen Veranlassung, sich zu bemühen, schauen aus schlaftrüben Augen in die Kamera.

Auf dem Rückweg zum Sofa pflücke ich zwei Tomaten … eine hippologische Fontäne, deren Wasser wie eine Perle auf der Gänsehaut des Betrachters hinuntergleitet … Heute Abend Finale im 100-Meter-Lauf. Bis dahin lese ich noch ein wenig.


Schweine | Sonntagsdynamik.

Ein hellbaunes Meerschwein liegt vor der Heuraufe, ein etwas kleines geschecktes dahinter in einem Häuschen. Uninspirierter Blick.
Kommentare

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  1. PaulineM sagt:

    Mein Fernseher hat die gleiche Olympiade gezeigt wie Ihrer ;-)
    Freitag und Samstag habe ich fast den ganzen Zehnkampf verschlungen, dazwischen Bogenschießen, beim Judo habe ich lieber Kaffee gekocht, Dressurreiten und Kugelstoßen. Diese völlig unterschiedlichen Arten von Bewegung und Sport faszinieren mich an Olympia am meisten.
    Aber dann heute der absolute Höhepunkt – Mit einem Pferd in Versaille zu Edith Piaf tanzen. Besser wird es nicht! Dieses wunderbare Pferd, das kann man nicht toppen.

  2. Johanna sagt:

    Die Bücher Nr. 4 und 5 auf dem Foto sind ein guter Fund!

  3. […] reif, in Deutschland ebenfalls, das war das erwartete Zeichen der nächsten Stufe. Es gibt auch schon die ersten Pflaumenkuchenerwähnungen, dazu die Rezepte in den Foodblogs. Es werden wie immer viele […]

  4. Daniela sagt:

    Ich bin sehr gespannt auf Ihre Rezension zu Big Sky Country! Und ich bin neidisch auf die 50 Meter Bahn in Ihrem Freibad ;)

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