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P!nk in Köln, eine 90 Kilometer lange Radfahrt, eine Amsel im Schuppen und Vorlesungen in Osnabrück

13. 7. 2023 7 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Management Summary | Ich lebe in den Tag hinein, und das ist sehr hervorragend so. Während des Hineinlebens fuhr ich Fahrrad, schwamm im Freibad, hörte P!nk beim Singen zu, besuchte die Uni Osnabrück und las ein Buch.


Radeln | Am Samstag radelte ich nach Dortmund. Die Turnschwester aus Heidelberg war vor Ort (wir turnten um 2010 herum gemeinsam im Dortmunder Fitnessstudio, vor ihrem Umzug nach Baden-Württemberg), wir hatten uns zu einem Lunch-Date verabredet. Mir kam der Gedanke, dass ich mit dem Fahrrad fahren könne: 45 Kilometer hin, 45 zurück, das sollte gehen.

Ich sattelte also mein Rad, packte mir ausreichend Wasserflaschen, ein paar Nüsse und zwei Stützknoppers ein und radelte los. Auf dem Hinweg fuhr ich entlang der Kanäle: Erst am Wesel-Datteln-Kanal entlang nach Osten, dann am Dortmund-Ems-Kanal nach Süden.

Das ging ganz prima; lediglich eine Strecke durch Datteln war sehr lästig. Der Fahrradweg war eine Offroad-Strecke, durchsetzt mit Wurzeln und welligem Pflaster. Irgendwann gab es dann gar keinen Radweg mehr; es gelang mir, auf der Landstraße zu überleben.

In Dortmund musste ich dann erstmal zwei Liter trinken. Es war ja doch sehr heiß an diesem Tag, 32 Grad. Auf dem Rückweg wählte ich dann einen kleinen Umweg, fast nur über Nebenstrecken. Das war angenehmer. Bei Kilometer 66 lutschte ich meine geschmolzenen Knoppers aus der Verpackung. Habe niemals ein besseres gegessen!

Fahrrad unter einer Kanalbrücke

Bei Kilometer 78 musste ich dann nochmal eine Trinkpause machen. Nach 90 Kilometern kam ich dann zuhause an – ein bisschen verschwitzt, aber in einem erstaunlich guten Allgemeinzustand.


P!nk | Ich besuchte außerdem das RheinEnergie-Stadion in Köln und sah P!nk bei der Berufsausübung zu. Nach dem Desaster beim Grönemeyer-Konzert in Gelsenkirchen entschieden der Reiseleiter und ich, mit dem Auto anzureisen; seinerzeit kamen wir ja am Abend nicht mehr weg und mussten 70 Euro für ein Taxi ausgeben – das wäre aus Köln deutlich teurer.

Die Idee erwies sich als gut – für den Rückweg. Der Hinweg war beschwerlich. Rund um das Stadion staute es sich brachial. Wir standen eine gute Stunde in Wohngebieten herum, die offiziellen Parkplätze waren voll, ein Parkleitsystem gibt es offenbar nicht, die Lage war chaotisch. Durch Zufall sahen wir, unscheinbar an der Auffahrt auf eine Bundesstraße gelegen, die Stimmung war schon angespannt, ein Schild „Parken Konzert“ und fanden einen bis dato noch ziemlich leeren, aber offiziellen Parkplatz.

P!nk lieferte eine sehr solide Show ab, sang sehr schön, zog sich zigmal um (Trickkleider!), flog Helene-Fischer-mäßig durchs Stadion und hatte Akrobaten dabei, die oberkörperfrei Akrobatik machten. Für jeden etwas dabei!

P!nk im Müngersdorfer Stadion

Wir hatten einen Platz auf der Tribüne, letzte Reihe. Das war zwar klanglich nicht der beste Ort, dafür hatten wir niemanden hinter uns, die Luft zog über und unter das Glasgeländer des Stadions hindurch und uns war nicht ganz so heiß.


Gelesen | Der Boden unter unseren Füßen von Ursula Kirchenmeyer. Ich mag es ja, wenn ich Protagonisten nicht so ganz sympathisch finde; wenn sie Widersprüche in sich haben und ein Verhalten zeigen, bei dem ich denke: „Herrgottnochmal!“

Bei Ursula Kirchenmeyer geht es mir so mit Laura und Nils, ein junges Paar, das ungeplant schwanger wird und zusammenzieht. Die Wohnung scheint auf den ersten Blick ein Glücksgriff zu sein, mitten in Berlin. Bald stellt sich jedoch heraus, warum die Vormieter unbedingt aus der Wohnung raus wollten: Im Erdgeschoss wohnt Peggy, und Peggy hat paranoide Schizophrenie. Ihr Wahn bezieht sich vor allem auf Lauras und Niels Wohnung, in der sie ihre Tochter vermutet.

Laura und Nils gingen mir ein bisschen auf die Nerven in ihrer Berliner Bohème-haftigkeit – zwei Freiberufler, abgebrannt und hier und da ein bisschen sehr emotional. Das Buch zeigt jedoch gut die Problematik von Menschen mit psychischen Erkrankungen, die keine Krankheitseinsicht haben: das Dilemma zwischen dem Freiheitsrecht des Kranken und dem Schutzbedarf der Umgebung.


Hausbesetzung | In meinem Schuppen brütet eine Amsel.


Ausflug nach Osnabrück | Nach nunmehr eineinhalb Wochen Urlaub unterbrach ich mein intellektuelles Vergammeln, setzte mich in den Zug und besuchte Antrittsvorlesungen an der Uni Osnabrück. Ich hatte davon auf Instagram erfahren und mich kurzerhand angemeldet. Im Flyer der Veranstaltung heißt es:

Transformationen sind ein zentraler Untersuchungsgegenstand der Erziehungswissenschaft. In Erziehungs-, Bildungs-, Lern- und Sozialisationsprozessen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, aber auch in der Entwicklung von pädagogischen Organisationen sind Fragen der Veränderung, aktuell noch gesteigert vor dem Hintergrund geselslchaftlicher Umbrüche, konstitutiv.

Beruflich beschäftige ich mich mit Transformation in Unternehmen, aber auch mit Veränderung im Allgemeinen. Die Erziehungswissenschaft schaut mit einem übergeordneten Blick auf Bildung und Sozialisierung; ich kenne das noch aus meinem Studium der Entwicklungs- und Sozialpsychologie. Deshalb war ich mir sicher, dass ein Besuch sich lohnen würde. Überdies war waren unter den Vortragenden zwei bekannte Gesichter: Aladin El-Mafaalani und Ferdinand Stebner – über ersteren sprach ich im letzten Blogbeitrag, letzterer hatte jüngst die Montessori-Schule der Reiseleiter-Kinder besucht; ich wollte wissen, was er mit den Erkenntnissen und auch sonst akademisch tut.

Die Vorträge waren erhellend. Hier nur zwei Aspekte: Aladin El-Mafaalani trug zum Thema „Migrationshintergrund“ vor und war dies für den Alltag in Schulen bedeutet. 27 Prozent der Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund – de facto sogar mehr, das liegt an der Definition des Begriffs; das aufzudröseln würde jetzt hier zu weit führen. Diese 27 Prozent sind deutlich diverser als die 73 Prozent der Kartoffeldeutschen. Warum, zeigt die nachstehende Folie, eine Erhebung aus einer Grundschulklasse.

Während die grobe Statistik stets nur erfasst, wie viele Mädchen und Jungen in einer Klasse sind und wie viele von ihnen einen Migrationshintergrund haben (linke Seite), ist die Realität deutlich vielfältiger (rechte Seite, Erhebung der Wissenschaftler:innen): Die fünfzehn Schüler:innen mit Migrationshintergrund stammen aus elf verschiedenen Ländern auf drei Kontinenten, gehören vierzehn ethnischen Gemeinschaften an, acht unterschiedlichen Konfessionen und sprechen elf Sprachen (plus Deutsch). Zwei von ihnen sind ohne sicheren Aufenthalt in Deutschland. Als Unternehmensberaterin frage ich mich jetzt natürlich: Was sollten die Unternehmen tun, um darauf vorbereitet zu sein – und auch, um das Potential zu nutzen, das darin steckt? Diese Schüler:innen kommen in zehn bis fünfzehn Jahren in die Betriebe.

Ferdinand Sterbner stellte einen Weg vor, mit Widerständen von Lehrkräften umzugehen, wenn es um die Transformation von Schule geht. Sehr interessant für mich. Außerdem berichtete er über Forschungsergebnisse zum selbstregulierten Lernen. Die Mechanismen, die dort greifen, scheinen mir sehr ähnlich zu denen in Unternehmen, wenn Mitarbeiter:innen stärker selbstorganisiert arbeiten sollen. Stebners Erkenntnisse: Die Schüler:innen, die selbstreguliert lernen, erbringen bessere Leistungen – jedoch nur in dem Fach, in dem sie an die Methodiken des eigenständigen Lernes herangeführt wurden. Ein Transfer auf andere Fächer findet erstmal nicht statt beziehungsweise muss stark begleitet werden. Genau dasselbe erlebe ich in Unternehmen: Mitarbeiter:innen, die stärker in die Verantwortung gehen (sollen), können dies meist nach kurzer Zeit – bezogen auf ein Aufgabenfeld. Ändern sich die Aufgaben jedoch leicht oder kommt eine andere Kundenanforderung, fallen sie nach meiner Beobachtung oft in alte, hierarchische Muster zurück inklusive Silodenken. Spannende Parallele!

Die frustrierende Erkenntnis aus allen Vorträgen: Die Erziehungs- und Bildungswissenschaft weiß genau, was heute in den Schulen nicht passt und wie wir Schule gestalten müssen. Wir haben kein Erkenntnisproblem. In der Politik tut sich allerdings nichts; dort lebt man noch im Jahr 1985. Wir haben ein Umsetzungsproblem – ohne Licht am Horizont.

Die Uni (die Einlassungen auf dem Uni-Klo passend zum Vortrag „Migrationshintergrund als deutsche Perspektive“):


Schweine | Schwein of the day:

Meerschwein in seinem Häuschen
Kommentare

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  1. Die Uni Osnabrück ist immer noch so schön wie damals, als ich dort studiert habe (2012 bis 2017). Und ich halte mein Fach, die Erziehungswissenschaft, nach wie vor für sehr wichtig. Die von Ihnen vermittelten Erkenntnisse auch.

    1. Vanessa sagt:

      Sehr wichtige Erkenntnisse; ich habe auch nochmal gelernt, wie vielfältig die Erziehungswissenschaft ist. Erstaunlich fand ich auch, wie viele Erkenntnisse zum Schulalltag vorliegen (und ich habe ja nur ein My davon gesehen!), und wie wenig davon sich im Bildungssystem widerfindet.

  2. Die Amsel sieht eher wie eine Drossel aus.

    1. heidierdbeer sagt:

      Das mag daran liegen, daß die Amsel eine Schwarzdrossel ist.

    2. Vanessa sagt:

      Sie brütet jedenfalls immer noch.

  3. Nea sagt:

    Wissen Sie evtl, ob man die Vorlesungen irgendwo nachlesrn/-hören kann?

    1. Vanessa sagt:

      Es gab zwar einen Fotografen, ich weiß aber nicht, ob die Vorlesungen irgendwo auf Video zu finden sind. Tut mir leid.

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