Schweine-Einzug | Bevor ich zu den Meerschweinen komme, speziell zu einem Schwein namens Romeo, möchte ich die Management-Beraterin Theresia Volk zitieren:
Der Stratege agiert diskret und gestaltet die Situation allmählich so, dass sie sich neigt, sich zu seinen Gunsten verändert und sich letztlich wie ein Abhang auftut, den hinab die Auswirkungen ihren Lauf nehmen. […] Je wirksamer das Verhalten, desto weniger ist es sichtbar, desto mehr vereint es sich mit der Prozesshaftigkeit.
in: Theresia Volk (2019): Spielen, um zu gewinnen. Macht und Wirksamkeit in Organisationen
Noch vor Ostern werden Meerschweine in unseren Garten einziehen, und ich kann rückblickend nicht sagen, wie es dazu kam. Ich denke, dass es so war, wie Theresia Volk es beschreibt: Das Vorgehen der Strategen, die Überredungskünste der Kinder und die Bekräftigungen des Reiseleiters waren nahtlos anschlussfähig an die Prozesse des Umzugs und des Einrichtens, an die Pläne der Gartengestaltung und das Wir-Gefühl, das sich eingestellt hat. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ich der Sache sonst zugestimmt habe – wie es dazu kommt, dass der Reiseleiter und sein Vater morgen an den Niederrhein fahren und dort Schweine, einen Stall und ein Außengehege ins Auto laden und in unseren Garten fahren. Schließlich war ich nie ein Mensch mit Haustieren.
(Als Kind hatte ich Wellensittiche, aber sie liebten mich nicht. Sie liebten nur den großen Zeh meines Vaters, den sie knutschten, während er die sportschau guckte.)
Nun ziehen also Meerschweinchen bei uns ein, Gebrauchtmeerschweinchen. Sie leben aktuell bei Menschen in Moers, die sie „nur in liebevolle Hände“ abgeben. Wir mussten uns mit Foto bewerben (unseres Gartens, nicht von uns), und es gab allerlei Korrespondenz zu unserer Eignung und unserer Ernsthaftigkeit, ehe man sich entschied. Dafür bekommen wir nun alles all inclusive: Schweine, Stall und Austattung, Streu und Außengehege.
Über die Korrespondenz verstarb eines der drei Meerschweine. Es hieß Romeo, und es ist ungeklärt, ob Romeo sich die drohende Umsiedelung so zu Herzen nahm, dass er kummervoll verschied, oder ob er wütend und aus Protest die Grätsche machte; er war auch schon sechs Jahre alt. Jedenfalls ziehen nun keine drei, sondern nur zwei Meerschweinchen bei uns ein. Ihnen gegenüber stehen drei Kinder, die die Schweine schon unter sich aufgeteilt hatten; Sie ahnen, was das bedeutet. Meine Erfahrung aus Beratung, Mediation und Change Management wird einfließen müssen, um die Situation bis zum Eintreffen eines neuen Drittschweins zu stabilisieren.
Damit sind wir auch schon beim Kern des Problems: Meerschweine sind das Perpetuum Mobile unter den Haustieren. Verstirbt eins, muss man eins nachfüllen; eine Einzelhaltung ist nicht statthaft, denn die Tiere sind sozial und leiden, wenn sie alleine leben. Wenn sie wie bei uns das ganze Jahr über draußen wohnen, brauchen sie überdies Kameraden, um sich im Winter gegenseitig zu wärmen. Es endet also niemals.
Außer, man veranstaltet ein Fest und grillt sie allesamt. Diese Option habe ich schon heute, vor Eintreffen der Tiere, als Zukunftsvision in den Raum geworfen; man muss solche Dinge frühzeitig anmoderieren. Meerschweinchen sind in Peru eine Delikatesse: 65 Millionen Tiere werden dort jährlich gegessen. Es wäre nur folgerichtig, wenn wir die Tiere irgendwann ihrer Bestimmung zuführen und mit Paprika füllen.
Die Kinder haben ihren Vater angewiesen, mich nie mit den Schweinen alleine zu lassen.
Auswärtsspiel | Während sich daheim in Haltern die Entscheidung bezüglich der Moerser Schweine vollzog, befand ich mich in Wetzlar. Dort moderierte ich einen Workshop des Hessen MICE Net. MICE steht für „Meetings, Incentives, Conventions und Events“; die Mitglieder des Netzwerks sind Menschen aus dem hessischen Geschäftstourismus, die daran interessiert sind, Tagungen und Events in ihre Städte zu holen.
Was mir bis dato völlig unbekannt war: Die Städte bieten umfangreiche (und kostenlose) Beratung, wenn es um die Planung von Veranstaltungen geht. Wenn ich als Firma also eine Tagung, ein Symposium oder ein Kundenevent plane, kann ich mich an die Kongresscenter und die Tourismusinformationen der Städte wenden: Sie helfen mir, eine passende Location zu finden und ein gutes Rahmenprogramm zu gestalten. Überdies kennen sie sich mit allen möglichen Begleiterscheinungen aus, zum Beispiel wie man eine nachhaltige Veranstaltung plant, welche Auflagen man wann erfüllen muss oder wie man welche Technik einsetzt.
Eineinhalb Tage lang beschäftigten wir uns mit der Entwicklung des Netzwerks, mit mehr Bekanntheit und mit einer besseren Kundenansprachen. Zwischendrin besuchten wir das Ernst-Leitz-Museum.
Ernst Leitz, Vater der Leica-Kamera, baute die optische Industrie in Wetzlar auf. Ein sehr interessanter Ausflug in die Geschichte – und beeindruckend, wie das Leica-Gelände sich in den vergangenen Jahren dank des Investors Andreas Kaufmann entwickelt hat – samt Hotel, Museum und Kongresszentrum.
Noch was zu ChatGPT | Im meinem letzten Blogbeitrag teilte ich meine Erfahrungen mit ChatGPT; es ging im Wesentlichen darum, dass das Programm alles auflistet, was da ist, und Übersichten schafft. Herr Buddenbohm hat das in seinem Blog kommentiert:
Das habe ich ähnlich und mit gleichem Ergebnis probiert, und ich finde, das ist gar nicht wenig. Man muss, wenn man das weiter so umsetzt, bei keinem Thema mehr bei Adam und Eva anfangen, man kann bei sämtlichen Standardproblemen und -prozessen (und die meisten Bürojobs sind voll davon) die Erfahrungen anderer einfach und bequem übernehmen und da aufsetzen. Das ist schon was. Es ist vielleicht nicht gerade eine Disruption, aber doch eine spürbare Änderung.
Währenddessen in den Blogs
Dem schließe ich mich an: Meine Arbeit besteht sehr stark daraus zu denken, nachzudenken, Probleme zu verstehen, Lösungen zu suchen, die richtigen Methoden zu finden, um andere zu Lösungen zu bringen. Es ist eine große Bereicherung, wenn ich nicht alles von vorn denken muss, sondern an manchen Stellen einfach eine Übersicht bekomme über das, was schon da ist. Das ist dann nicht das Ende meiner Arbeit, ganz im Gegenteil, danach fängt sie erst an. Aber sie fängt eben an einem späteren Punkt an; ich spare mir Energie und Recherche und Zeit – Zeit, in der ich dann im Garten bin, um wiederum Kraft zu sammeln für die kreativen Dinge, für die Dinge, mit denen ich Werte für andere schaffe, die ein Bot nicht erzielt.
Gelesen | Die Unsterblichen von Ketil Bjørnstad, aus dem Norwegischen von Lothat Schneider. Handlung: Thomas Brenner ist Arzt und Ü50. Er möchte Verantwortung abgeben, doch stattdessen bekommt er immer mehr aufgebürdet. Auf der einen Seite sind da die beiden Töchter, die mit Mitte Zwanzig noch nicht auf eigenen Füßen stehen, auf der anderen Seite die alten Eltern, die pflegebedürftig werden. Ich habe den Roman im Bücherschrank hier im Stadtteil gefunden – ein lakonischer Roman, gut beobachtet. Hat mir gefallen.
Und sonst | Während ich in Wetzlar war, starteten die Zucchini durch:
Kommentare
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Und wenn man dem letzten verbliebenen eigenen Meerschweinchen ein Kameradenschweinchen zur Seite geben will, dann leiht man sich eines. Googeln Sie mal, dss gibt es wirklich.
Ein Langzeit-Escort. Nicht übel! Brauche ich auch später im Altenheim.
Ein Kollege von mir hat ein ecuadorianisches Kochbuch mit vielen Meerschweinrezepten herausgegeben. Ich sach nur mal so.
Ich wusste: Auf meine Kaffeehausgäste ist Verlass.
„Als ich Jenö kennenlernte, war ich neun; ich las Edgar Wallace und Conan Doyle, war eben sitzengeblieben und züchtete Meerschweinchen.
Jenö traf ich zum ersten Mal auf dem Stadion am Faulen See beim Grasrupfen; (…)
Ich tat erst, als sähe ich ihn nicht, und rupfte um ihn herum; aber dann drehte er doch ein bißchen den Kopf zu mir hin und blinzelte schläfrig und fragte, ich hätte wohl Pferde.
„Nee“, sagte ich, „Meerschweinchen.“
Er schob sich den Grashalm in den anderen Mundwinkel und spuckte aus. „Schmecken nicht schlecht.“
„Ich eß sie nicht“, sagte ich; „dazu sind sie zu nett.“
„Igel“, sagte Jenö und gähnte, „die schmecken auch nicht schlecht.““ Wolf-Dietrich Schnurre, „Jenö war mein Freund“
(zack, selber wieder neun, das Lesebuch in der Hand… wie dann die Igel in Lehmkruste zubereitet werden hat mich schwer beeindruckt)
Ob meine Meerschweinchen nett sind , muss sich noch herausstellen. Aber wenn sie es sind, werde ich sie wahrscheinlich nicht essen (nur in der Not).
Was geht denn hier ab? Vanessas Blog tut immer so unschuldig und – zack – landet man in einer Art Darknet voller Koch – und Gewaltfantasien gegen Meerschweinchen.
Erschütternd.
Ja. Schlimm, schlimm.
Ich habe Fragen:
1. Kennen die liebevollen vor-Schweincheneltern das Kännchenblog?
2. Wären Kartoffeln und Mais nicht auch wunderbar passend?
Die Vor-Schweincheneltern kennen das Kännchenblog meines Wissens nicht – aber ich will nichts ausschließen. Es ist ja immer wieder überraschend, wer das Kännchencafé alles kennt.
Setzkartoffeln stehen bereits zum Vorkeimen im Hauswirtschaftsraum und kommen in Pflanzsäcke. Mais habe ich in Dortmund mal ausprobiert – glücklos.
Bester Satz: „Meine Erfahrung aus Beratung, Mediation und Change Management wird einfließen müssen, um die Situation bis zum Eintreffen eines neuen Drittschweins zu stabilisieren.“ Ich höre geradezu, wie Du das sagst:-). Und das „Drittschwein“ ist gold!!
Liebe Grüße aus dem tiefen Süden
Patricia
Wir haben eine Lösung „out of the box“ gefunden: Andere Schweine!