Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Freibad, Broterwerb und Urlaubsvorfreuden – alles vor der Kulisse des Zustands der Welt

6. 9. 2022 2 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Freibad | Zwischen Frühstück und einem Tantenbesuch eilte ich am Sonntag ins Freibad, die letzten Öffnungstage ausnutzen.

Das Schwimmerbecken ist gesäumt von Bänken. Auf den Bänken saßen, aufgereiht wie Stare auf der Hochspannungsleitung, Senioren. In Grüppchen plauschten sie, einander zugeneigt; die Damen, sowohl drall als auch hager, in blumigen Badeanzügen, die Haut gegerbt und übersät mit Alterflecken; die Herren, kugelig oder faltig, die Badehose klein, die Beinvenen groß. Die wenigstens sind hier, um ins Becken zu gehen, vielleicht kurz anfeuchten. Sie sitzen dort, um zu sitzen, um zu schauen; um zu reden – aber nur, wenn es wirklich etwas zu sagen gibt.

Neben dem Becken ist ein Häuschen. „Warmwasserduschen“ steht in orange-brauner Schrift über den beiden Türen, eine für Damen, eine für Herren. Eine Minute kostet zehn Cent, mit drei Minuten kommt man gut aus. Unter der Dusche schrubbt sich eine alte Frau; wo sie Badenazug trug, ist die Haut weiß. In den vergangenen vier Monaten sei sie jeden Tag hergekommen, immer zur selben Zeit. Jetzt müsse sie sich wieder eine andere Beschäftigung suchen – und auch wieder zu Hause duschen. Ihre Dusche habe sie seit Mai nicht mehr benutzt.

Auch ich werde wehmütig. Acht Monate ohne Freibad stehen bevor.

Freibad

Danke | Herzlichen Dank an die Leserin SF für die großzügige Zuwendung in die Kaffeekasse! Sie wird in Form von Eisbechern auch an den Reiseleiter und die Kinder gehen, im Urlaub, in original Gelato-Ambiente.

Die Urlaubsvorbereitungen laufen. Alsbald werde ich für drei Wochen nach Italien reisen. Über den Comer See fahre ich bis in die Abruzzen, anschließend über die Toskana wieder zurück nach Deutschland. Auf meinem Nachtschrank liegt bereits ein Bücherstapel für diese Zeit. Ich habe vor, viel zu lesen, nichts zu arbeiten und durch die Tage zu treiben. Eine großzügige Woche lang werden der Reiseleiter und die Kinder dazukommen: Ich werde sie in Rom abholen, und wir wollen Zeit in den Abruzzen verbringen, in den Bergen mit Nähe zum Meer.

Sie dürfen mich hier im Kännchencafé gerne wieder begleiten, das hat ja Tradition.


Broterwerb |  Ich habe einen Keynote-Vortrag gehalten – nach langer Zeit mal wieder. Die letzte Buchung war vor der Pandemie. Schön, dass das nun wieder stattfindet. Ich schlug einen Bogen von Homeoffice, New Work hin zu großen Veränderungen, sprach darüber, was Veränderungen emotional für uns bedeuten, woher Widerstand kommt und dass Change Management viel damit zu tun hat, die Geschwindigkeit zu steuern, mit der wir dem Wandel begegnen.

Ich blieb in Köln und nutzte den Abend für einen kurzen Bummel.

Einige Aspekte aus dem Vortrag werde ich in meinen nächsten Newsletter mitnehmen. Besonders das Thema „Geschwindigkeit“ liegt mir am Herzen – und „Energie dort nutzen, wo sie frei wird“. Hier geht’s zur Anmeldung.

Vor dem Vortrag habe ich mir zwei Einheiten Stimmtraining bei Rebecca Könen gegönnt. Das war sehr lehrreich – und auch sehr anstrengend. Zunächst habe ich gelernt, so zu atmen, dass meine Stimme bei Anspannung nicht gepresst wirkt. Dafür gibt’s eine einfache Technik; als Rebecca sie mir erklärte und ich es ausprobierte, war sofort klar, wie es funktioniert. Wir haben Entspannungsübungen für den Sprechapparat gemacht. Den Großteil der Zeit haben wir aber am Text gearbeitet, haben meine Stimme trainiert, an Betonungen geübt, Brücken zwischen Wörtern geschlagen. Uff! Das war fordernd, aber auch sehr gut.


Aufträge klären | Ich habe einen Text geschrieben: Zehn Fragen, die helfen, Aufträge zu klären, die einem über den Zaun geworfen oder auf den Schreibtisch gekippt werden – damit am Ende etwas Gutes rauskommt, und man nicht den Schwarzen Peter hat. Die Fragen helfen auch, mit unpräzisen Erwartungen umzugehen: Ich habe einen Auftrag. Oder doch nicht? Checkliste zur Auftragsklärung


Zustand der Welt #1 | Verdunstung lässt Europa austrocknen

„Verdunstung ist nicht so intuitiv wie Regen“, sagt Seneviratne. Dabei sei die vor allem in Europa oft die entscheidende Größe für Trockenheit und Dürre. Man kennt das vom Wäscheaufhängen: Am schnellsten trocknen die Hemden, wenn es heiß, sonnig, trocken und windig ist. […]

Doch kaum jemand nimmt die Bedrohung wahr, die sich seit Wochen anbahnt. Stattdessen genießen die Menschen das endlose Badewetter, sonnen sich auf verdorrenden Wiesen und kühlen sich in Flüssen, die immer weniger Wasser führen. Braun gebrannt sehen die Deutschen ihrem Land beim Austrocknen zu.

Zustand der Welt #2 | Regierung bereitet Frankreich auf den Atom-Blackout vor

Die französische Regierung hat die halbstaatliche Elektrizitätsgesellschaft Electricite de France unter Druck gesetzt, 32 Atomreaktoren innerhalb weniger Monate wieder in Betrieb zu nehmen. […] Die französische Regierung bestätigt damit, dass für sie Sicherheitsfragen bei Atomkraftwerken zweitrangig sind. […]

So muss die EDF derzeit auch für die teure Kühlung von 32 abgeschalteten Meilern den internationalen Strommarkt abgrasen. Frankreich treibt mit seinem enormen Stromhunger derzeit die Strompreise in ganz Europa hoch. Sogar um Mitternacht von Samstag auf Sonntag importierte das Land 9,5 Gigawatt von seinen Nachbarn, wie beim französischen Netzbetreiber RTE nachvollzogen werden kann. Am Freitag waren es in der Spitze sogar fast 13 Gigawatt, mehr als die Hälfte dessen, was die altersschwachen Atomkraftwerke im Land noch liefern können.

Zustand der Welt #3 | Heatwave in China is the most severe ever recorded in the world

Thousands of factories in the province have had to cease operations because of electricity shortages amid high demand for air conditioning. Offices and shopping malls were also told to reduce lighting and air conditioning to save power.

In Sichuan alone, 47,000 hectares of crops are reported to have been lost and another 433,000 hectares damaged. 

Zustand der Welt #4 | Derweil ist auch der Amazonas-Urwald am Kipppunkt. Ursache sind die größten Rodungen der Geschichte, getrieben vor allem durch die Viehhaltung der Fleisch produzierenden Industrien: Foreign capital powers Brazil’s meatpackers and helps deforest the Amazon

It’s largely accepted that clearing land for cattle accounts for 70% of Amazon deforestation, with the rate of rainforest cutting accelerating drastically since President Jair Bolsonaro took office at the start of 2019. Between August 2020 and July 2021, 13,235 square kilometers (5,110 square miles) were lost, the highest level since 2006. That devastation is likely to increase in 2022, undermining the Amazon’s vital carbon storage capacity.

Fröhlicheres kann ich grad nicht anbieten.


Na sowas | Der jüngst verstorbene Christian Ströbele besaß die Rechte an der Originalübertragung des Endspiels der Fußball-Weltmeisterschaft 1954: „… Schäfer nach innen geflankt. Kopfball – abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“

Sofern die Übertragung nicht im Ersten Programm wiederholt wird, musste mit Christian Ströbele verhandelt werden. Er war der Neffe des Fußballreporters Herbert Zimmermann. Die erzielten Gelder spendete Ströbele (Quelle).


Stern des Nordens | Stichwort „Fußball“: Ich stand an der Wiege des BVB. Das war aber nicht das Thema, sondern es ging um Arbeiterwohnungsbau in Dortmund. Die Führung hat mir die Dorfnachbarin geschenkt – zu ihrem Geburtstag.

Die Dorfnachbarin hat mit Corona eine neue Tradition eingeführt: Geburtstag feiern durch Umherlaufen. In den vergangenen Jahren waren wir abstandsgetreu wandern, diesmal spendierte sie eine Führung durch den Dortmunder Norden, rund um das Hoesch-Gelände. Spannend! Von (Ver-)Führerin Annette erfuhren wir, wie der Dortmunder Norden als Arbeiterstadt rund um die Westfalenhütte entstand und warum viele der Altbauten heute noch stehen und nicht den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer fielen: Weil die Karrées wie ein Pfeil auf die Westfalenhütte zeigten, 1a-Orientierungspunkte für die Piloten, die dadurch ihr Ziel fanden.

Die Führung endete in einem Nussladen – später in einer Weinwirtschaft und danach noch auf der Terrasse der Dorfnachbarin. Am nächsten Tag hatte ich Jetlag.


Und sonst | Zu Beginn des Sommers kaufte ich einen handgroßen Feigenbaum. Inzwischen geht er mir bis zur Brust und trägt Früchte. Wenn das so weitergeht, erwarte ich für die kommenden Jahre Großes, sehr Großes (immer vorausgesetzt, dass wir noch Wasser haben und uns keine Atomkraftwerke um die Ohren fliegen).

Feigenbaum mit Feigen (noch grün)

Am Donnerstag soll es Regen geben. Reichlich und hoffentlich tatsächlich. Er war schon oft angekündigt.

Kommentare

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  1. PaulineM sagt:

    Viel Freude und Entspannung im Italienurlaub. Ich freu mich schon aufs Mitreisen. Möglicherweise bin ich zur gleichen Zeit in Wien, aber das schaffen wir schon.

    1. Vanessa sagt:

      Können wir das schaffen?
      Ja, wir schaffen das!

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