Benefit des Bloggens | Es hängt hier alles etwas. In den Seilen. Am Mittwoch und Donnerstag war ich in Frankfurt. Danach bin ich in eine Feiertagsapathie verfallen, die im Wesentlichen daraus bestand, zu schlafen und Handygames zu spielen. Und ein Hörbuch zu hören. Dazu später mehr.
Die Kundin in Frankfurt liest meinen Blog und hatte deshalb, bezugnehmend auf diesen Beitrag, Toffifee bereitgehalten.
Am Ende hat doch alles einen Sinn, auch das Bloggen.
Liebe als Entscheidung | Frau Kaltmamsell geht in ihrem Blog auf das von mir veröffentlichte Zitat ein, Liebe sei eine Entscheidung – und Arbeit.
Das scheint allgemein akzeptiert zu sein, gruselt mich aber ein wenig. Doch genau deshalb gefällt mir Neil Geimans Ansprache, denn: Ich weiß es doch auch nicht. Frau Nessy mag den Begriff „Entscheidung“, auch das trifft zumindest für mich nicht zu. Je länger ich so durch die Gegend lebe, desto klarer wird mir: Jede Beziehung ist anders, es gibt kein Patentrezept. Die einzigen empfehlenswerten Elemente, die ich für über-individuell halte, sind gegenseitiges Wohlwollen (also dem Gegenüber Gutes zu wollen) und Respekt.
Journal Freitag, 1. November 2019 – Schlachthofviertel und Beifang aus dem Internetz
Ich habe daraufhin tiefer darüber nachgedacht, bleibe allerdings dabei. Ich halte Liebe – das, was nach der Verliebtheit kommt – für die Summe vieler kleiner Entscheidungen: der Entscheidung, den Anderen zu mögen. Ihn ins Herz zu lassen und dort willkommen zu heißen. Ihm Wohlwollen entgegenzubringen. Ihn zu respektieren. Den Mut zu haben, sich ihm zu offenbaren. Das Leben mit ihm teilen zu wollen.
Die Entscheidungen fallen Tag für Tag aufs Neue; mit allem, was ich von mir zeige, in Worten, in Gesten. Mit jedem Seufzen, das er mir abringt; mit den behaglichen und den leidenschaften Seufzern und mit den missmutigen Seufzern. Jeder Tag, den wir bleiben, ist eine Entscheidung.
Handballkrimi | Heute schaute ich Handball, das Ost-Derby Leipzig gegen Magdeburg, das der MDR erfreulicherweise übertrug. Ich war weder für den Einen noch für den Anderen; genauer gesagt war ich für den Schiedsrichter. Mit dem hatte ich nämlich tags zuvor in Dortmund noch Limo getrunken.
Das Spiel war großartig – so, wie ein Derby sein muss. Ein sechzigminütiger Kampf (Video vom Spiel), der spektakulär endete: mit dem Siegtor in den letzten drei Sekunden.
Souverän gepfiffen war’s auch.
Gehört | Tausend Zeilen Lüge von Juan Moreno, gelesen von Richard Barenberg. Die Geschichte des Relotius-Skandals, aufgeschrieben von demjenigen, der sie aufgedeckt hat. Ein unglaublicher Krimi. Ich begann am Freitag mit dem Hörbuch und hörte es in fast einem durch, beim Kochen, beim Putzen, beim Autofahren, beim Einschlafen, neun Stunden lang. Das passiert mir selten. Große Empfehlung.
Moreno beginnt mit dem Buch dort, wo die Sache auch für ihn seinen Anfang nahm: bei der Reportage, die er gemeinsam mit Relotius schreiben sollte. Sie findet sich heute im PDF mit allen 59 Relotius-Reportagen, die der SPIEGEL veröffentlichte und nach Aufdeckung der Affäre nachrecherchierte – mit erchreckendem Ergebnis.
Moreno erzählt von den Widersprüchen, die er in Relotius‘ Passagen wahrnahm, von seinen eigenen Zweifeln, von seinen Recherchen, von den Reaktionen seiner Vorgesetzten, von weiteren Recherchen, wie sich immer mehr ein Bild ergab und wie schwierig es war, dieses Bild Dritten zu vermitteln. Schließlich handelte es sich bei Relotius um einen mehrfach preisgekrönten Journalisten, eine bis dato unangefochtene Koryphäe.
Was offenbar wird, sind mehrere Dinge: Wie viel Anstrengung, Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen esmbraucht, bis ein Hochstapler wahrgenommen wird, dessen Verhalten die Wünsche und Erwartungen seines Publikums erfüllt.
Als erstes musst du dich fragen: Was wollen die Leute? Worauf richtet sich ihre Sehnsucht? Du musst für sie ein Bild malen, auf das sie lange gewartet haben, eines, das Freudestränen in ihre Augen treibt: Mit tränenverhangenen Augen werden sie halb blind sein. Von ganzem Herzen haben sie sich gewünscht, einmal ein solches Bild zu sehen, und jetzt, da dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist, werden sie das Bild selbst gegen die eigenen Zweifel verteidigen. Sie werden wollen, dass es echt ist, und damit nehmen sie dir die Hälfte deiner Arbeit ab.
Linus Reichlin, zitiert nach Moreno
Moreno deckt außerdem die geschlossene Welt elitärer Organisationen auf: Wie das Streben nach Großartigem zu Lügen führt und wie das System den Lügner stützt und befeuert.
Er hält uns darüber hinaus den Spiegel vor. Denn wir alle lieben gute, einfache Geschichten.
Zwei amerikanische Journalisten, Joshua Glenn und Rob Walker, kauften vor einigen Jahren 100 Gegenstände auf ebay, völlig unbedeutende Gegenstände. wie Flaschenöffner und Porzellanfiguren. Sie gaben 128,74 Dollar aus. Dann baten sie Autoren, zu jedem einzelnen Gegenstand eine gut geschrieben Geschichte zu verfassen und stellten dieselben Objekte samt neuem Narrativ erneut bei ebay ein. Sie erlösten 3612,51 Dollar.
Juan Moreno: Tausend Zeilen Lügen, Hörbuch-Kapitel 143
Gelesen | Der Psychologe Arist von Schlippe berät Familienunternehmen, deren Familienmitglieder sich im Streit befinden: „Das zerstört Beziehungen ungeahnten Ausmaßes“. Ein gutes Interview übers Loslassen, übers Annehmen und über Ambivalenz.
Angeguckt | Ein Musikvideo, in dem nichts Anderes passiert, als dass Menschen gekonnt Tischtennis spielen. Meditativ.
Kommentare
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Liebe und Arbeit: H. stimmt Ihnen voll und ganz zu.