Heute: Serviceblog!
Ich habe für Sie die Mobilitätsgarantie von Skoda getestet, über die Imbissqualität in italienischen Industriegebieten recherchiert und mein Italienischvokabular im Kfz-Wesen erweitert.
Wie gestern bereits befürchtet: La gomma è rotta! Der Reifen ist im Eimer. Oder genauer gesagt: die Felge. Ich kramte also die Nummer vom Skoda-Mobilitätsservice raus und rief in Hessen an.
„Was ist denn passiert? … Ah, und wo sind Sie? … Oh! Nördlich von Rom! … Haben Sie Begleitung? … Allein! Oh … Wir kümmern uns.“
Taten sie auch. Eine halbe Stunde später rief eine italienische Dame an, sagte, sie mache jetzt eine Vertragswerkstatt ausfindig, die abschleppen könne, und nahm nochmal die Adresse auf. Eine weitere halbe Stunde später rief der Abschlepper an und entschuldige sich dreimal, dass er erst um 12.30 Uhr kommen könne. Nochmal eine Dreiviertelstunde später rief wieder der Mobilitätsservice an und fragte, ob die Italiener sich gemeldet hätten. Ich bejahte und sagte ihm, alles sei gut. Er meinte, ich sei ja wirklich sehr entspannt, dafür dass ich alleine und als Frau nördlich von Rom gerade eine Autopanne hätte. Wir scherzten etwas. Der Mann war kurz davor, mich zu heiraten.
Während ich auf den Abschleppwagen wartete, eignete ich mir relevantes Vokabular an: Reifen, Felge, Achse, Lenkung, Querlenker, Stoßdämpfer. Denn eins war klar: Die Dame vom italienischen Skoda-Service sprach zwar Englisch mit mir, aber spätestens beim Mechaniker würde es vorbei sein. Ich bin in Montefiascone und Umgebung noch auf niemanden gestoßen, der eine andere Sprache als Italienisch spricht.
Um viertel vor Eins kam tatsächlich der Pannendienst, ein patenter junger Mann, der mein Auto auflud und uns beide nach Viterbo fuhr.
„War ein Schlagloch, ne?“, fragte er.
„Mmh-mmh, Schlagloch“, sagte ich.
„Hamwa öfters.“
„Überrascht mich jetzt nicht.“
„Die Werkstatt macht grad Mittag und erst um 15 Uhr wieder auf.“
„Mmh-mmh.“
„Ich kenne aber einen guten Imbiss. Da setze ich dich ab, von dort aus kannst du zur Werkstatt kommen. Gute Pasta und alles. Kann ich empfehlen.“
So kam ich zu einer Zucchini-Carbonara im Industriegebiet von Viterbo, und ich sag mal: Da können deutsche Kantinenköche mal ein Praktikum machen.
Zurzeit läuft noch der Test, wie lange so eine Carbonara satt macht. Wir sind bei sieben Stunden, und ich fühle mich immer noch wie frisch gestopft.
Mit dem Pannendienstfahrzeug wichen wir übrigens sicher zehn, fast knöcheltiefen Schlaglöchern aus. Ich habe den Verdacht, dass die Straßenverhältnisse hier eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Mechanikerzunft sind. Bandscheibenpatienten sollten lieber den Zug nehmen.
Nach dem Essen, einem Kaffee und ein bisschen Warten dackelte ich zur Werkstatt hinüber, vorbei an einem Luftwaffenstützpunkt der italienischen Armee, die sehr große Transporthubschrauber hat. Und: Sie fliegen! Wenn das die Bundeswehr wüsste.
In der Werkstatt wusste man erstmal nicht, dass es mich und mein Auto gibt, aber ich zeigte es ihnen auf dem Hof, erklärte nochmal, was los sei und wir tranken einen Kaffee.
Erste Diagnose: Die Felge ist auf jeden Fall hinüber. Sie gucken sich das jetzt genau an und rufen mich an. Kann bis morgen dauern oder bis übermorgen, man wird sehen.
Der Mechanikus fuhr mich dann zum Busbahnhof in Viterbo, der sogar noch charmanter ist als der Busbahnhof in Hagen. Und nur echt mit Hakenkreuz.
Die Busfahrt von Viterbo nach Montefiascone, rund 17 Kilometer, kostet 1,30 Euro. Ein Schnapper. Die Preise richten sich nach der Entfernung, und alles bis 20 Kilometer kostet einsdreißig. Ich stieg vor dem Supermarkt aus, in dem ich am Samstag eingekauft hatte, ging den Berg zu meiner Residenz hinauf und hielt noch einmal im Keksparadies für ein frisches Brot an.
„Regnet’s?“, fragte die Bäckerin, eine ältere Frau.
„Gerade nicht“, sagte ich.
„Schlimm, dieses Wetter. Ich ertrage das nicht mehr.“
„Ich komme aus Deutschland. Wir haben das immer.“
„Ach je, du Arme!“
„Ja.“
„Ja.“
Auf dem weiteren Weg machte ich noch einen Abstecher in den kleinsten „Einmal hin, alles drin“-Supermarkt der Welt, um etwas für aufs Brot zu kaufen – und fotografierte das beeindruckende Knopfsortiment.
Hier nun großes Gewitter mit Hagel. Sehr schön, dass der Niederschlag variiert. So haben die Bäckerin und ich Abwechslung.
*
#serviceblog
der Reifen: la gomma
die Felge: il cerchio
die Lenkung: lo sterzo
die Achse: l’assale
der Querlenker: il braccio trasversale
der Stoßdämpfer: lo smorzatore, l’ammortizzatore
abschleppen: rimorchiare
das Schlagloch: la buca
der junge Mann vom Pannendienst: il ragazzo
Scheiße: Merda!, Cazzo!, Porca puttana!
Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen: Piove sempre sul bagnato! (Wörtlich: Es regnet immer auf den, der eh schon nass ist.)
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Ich habe, um mir die Zeit zu vertreiben, beim Warten ein bisschen getwittert (Thread). Weil dort die Frage aufkam: Ich war tatsächlich entspannt. Die Sache ist nämlich: Ich kann es ja eh nicht ändern.
Außerdem habe ich mir vor der Fahrt natürlich Gedanken gemacht, was so alles passieren kann. Nicht sehr sorgenvoll, aber dass ich eine Autopanne haben könnte, war natürlich möglich.
Wenn ich mir vorher überlege, was alles passieren kann, entwickle ich immer schon eine Haltung dazu, und wenn das Ereignis dann tatsächlich eintritt, bin ich emotional ziemlich neutral und wickle das Drumherum dann besonnen ab. Kommt vielleicht vom Projektmanagementgeschäft, in dem ich noch kein einziges Projekt erlebt habe, bei dem nicht irgendwann etwas Unvorhergesehens geschehen ist. Und so eine fünfwöchige Italiendurchquerung ist ja auch irgendwie ein Projekt. Dadurch, dass ich weiß, dass mindestens einmal etwas Unvorhergesehenes passieren wird, kann ich, selbst wenn ich nicht weiß, was genau es sein wird, das schonmal vorsorglich wegatmen, dann ist es, wenn es soweit ist, auch kein großes Ding.
Hatte ich schon gesagt, dass Sie mich buchen können, wenn Sie mal ein paar Kühe vom Eis holen müssen? Ich habe sogar gute Laune dabei!
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Jetzt noch eine Folge Grey’s. Ich bin gerade dabei, Staffel 13 zu beenden.
Kommentare
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Gut, dass dir nichts passiert ist.
„Ich kann es ja eh nicht ändern“ – genau. Deswegen war mein erster Gedanke, als mir im Urlaub in Schottland morgens der platte Reifen am Mietwagen auffiel, auch nur: Gottseidank sind wir gestern nach 8 Stunden noch heil angekommen. Der Rest waren halt ein paar Telefonate, dann kam aus der 20 km entfernten Werkstatt ein Pannenwagen (dessen Fahrt allerdings ein Höllenritt war), ich musste mir auch etwas zum Mittagessen suchen und konnte nach einer Stunde sogar den Wagen mit neuem Rad wieder mitnehmen für einen Preis, den ich zuhause schon ohne den Transport gezahlt hätte. Und ich dachte die ganze Zeit nur entspannt: Kein Unfall, keine Panne am Straßenrand irgendwo in der Pampa ohne Mobilfunk. Glück gehabt.
Eben, passiert ist mir nichts, und das ist ja das Wichtigste.
Ich war auch froh, dass ich gestern Abend noch nach Hause gekommen bin. Die Reifendruckanzeige machte schon ein paar Minuten nach dem Aufprall Alarm. Da war mir klar, wie es enden wird, und ich dachte: „Zehn Kilometer noch, Hoffentlich reicht’s.“ Reichte auch, und beim Blick auf den Reifen dachte ich: „Juut, kümmerste dich morgen drum.“
Die Fahrt im Abschlepper war kein Höllenritt, dafür die Fahrt zum Busbahnhof. 110 innerhalb geschlossener Ortschaften geht auch mit einem Fiat Panda.
Ich bin guten Mutes, dass sich alles fügen wird.
Das IST aber mal ein Service hier – die Vokabelstunde ist extraklasse, vielen Dank.
Wenn ich mir jetzt noch die zugehörigen Fuchtelgesten als Foto wünschen dürfte – ohne versteht das doch wohl kein Italiener.
Tut mir leid, ich bin ja fremdsprachig. Fuchtelgesten können nur Muttersprachler.
Und alles Gute! (Tutto il meglio?)
Dankeschön! Wird schon.
Grazie.