Der vorletzte von zehn Beiträgen aus Danzig, diesmal mit Meer-Content, Neobarock und Seebad-Gefühl. Denn es geht mondän zu, wenn man von Danzig aus nach Westen fährt.
Dort, nach 20 Minuten Fahrt über die Aleja Grunwaldzka, liegt Sopot: Kur- und Badeort mit Strand, Restaurants und Kneipen. Nicht ganz 40.000 Einwohner hat der Ort – und ist recht übersichtlich: eine kleine Fußgängerzone, Strand und Kuranlagen.
Und ein Grand Hotel.
Seit ich den Film Grand Budapest Hotel gesehen habe, komme ich stets nicht umhin, mir in derartigen Bauten Monsieur Gustave H. und seinen Lobby Boy Zéro vorzustellen. Sehen Sie, im Mittelturm, das erleuchtete Fenster unter dem AN? Dort dienen sie gerade Madame.
Es lässt sich hier sehr schön flanieren, die kleine Fußgängerzone hinunter, am Kurhaus vorbei, die Seebrücke zunächst rechts liegen lassend, durch die Alleen nahe des Strandes.
Sehen Sie auch, wie sie hier abends flanierten, die feinen Herrschaften, nachdem sie über Tag mit Badekarren ins Meer gefahren sind, bekleidet mit Pumphose und Trikot?
Die Seebrücke Sopots ist eine der längsten in Europa: 511 Meter lang, einen Kilometer hin und zurück. Da ist man beim Flanieren ein Weilchen unterwegs – länger, als es vom Strand aus zunächst den Eindruck macht. Ein ausreichendes Stück Weg, um zu sehen und gesehen zu werden. Der Seesteg in Kühlungsborn, zum Vergleich, ragt nur halb so weit ins Meer: 240 Meter.
Es ist sehr hübsch und windig dort auf dem Wasser. Am Ende ist ein Restaurant, das jetzt im Dezember aber nicht geöffnet hat.
Im Winter ist alles illuminiert: Die Brücke, die Hotels, die Promenade und das Kurhaus.
Das ist das Gute am Reisen im Winter: Alles ist sehr schön erleuchtet. Der Nachteil: Es ist nur sechs Stunden am Tag tatsächlich hell, was durchaus eine Herausforderung ist, wenn man nicht zu den frühen Vögeln gehört.
In der kleinen Innenstadt gibt es noch das Krzywy Domek, das Krumme Häuschen. Es ist nichts Besonderes darin, nur Läden und ein Radiosender. Aber es ist schon recht kurios anzuschauen, zumal wenn man sich sicher ist, nüchtern zu sein.
Tipp #9:
Häkeldeckchenatmosphäre im Café Stella, Tadeusza Kościuszki 3, Sopot. Dort Apfelkuchen mit Vanilleeis und Sahne – der beste der gesamten Reise, und glauben Sie mir: Ich habe viele getestet.
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Kommentare
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Sieht wirklich alles sehr schön aus.
In Sopot wurde übrigens Klaus Kinski geboren. (Und Donald Tusk.)
Klaus Kinski. Für den empfinde ich ungefähr genauso viel wie für Günther Grass.
Schön, von Sopot im Winter zu lesen. 2005 sind wir zum erstenmal in Sopot gewesen und haben damals dort auch gewohnt – 2015 dann in Danzig. Haben wir die Danziger Altstadt in diesem Zehn-Jahres-Abstand nicht sehr verändert gefunden, etwas renovierter natürlich, so sah das mit Sopot komplett anders aus: Wir haben das Städtchen nicht wiedererkannt!
2005 war Sopot ein quirliges Seebad mit einer ziemlich unorganisierten, lebendigen, lauten Partymeile den Weg zum Strand herunter mit Spielautomaten und allem, was sonst noch dazugehört. Die Gebäude rechts und links dort waren oft eher budenhaft, Vieles erschien improvisiert und „selbstgestrickt“. Kunterbunt, das Ganze.
Das Grand Hotel war grau, unscheinbar, unrenoviert.
2015 standen wir nun etwas desorientiert auf dem zentralen Platz unten mit den modernen weißen Gebäuden rundum und fühlten uns wie in einem neuen Universum: Wir haben in diesem Bereich so gut wie nichts wiedererkannt. Alles modern, weiß und vom Feinsten, zudem verkehrsberuhigt. Am Strand, an der Mole war zwar alles wiedererkennbar, aber auch dort auf Hochglanz gebracht. Was für ein Unterschied zu 2005!
Ich muss gestehen, dass ich bei allem Staunen schon auch ein bisschen Bedauern gefühlt habe, weil durchaus auch etwas Authentisches, Lebendiges verlorengegangen ist mit dem Aufpeppen des Ortes, den ich natürlich nach wie vor mag. „Molo“ ist und bleibt einfach grandios!
Das mit den frühen Sonnenuntergängen haben wir sogar mitten im Sommer immer bedauert. Wir haben seit 2005 insgesamt vier je dreiwöchige, selbstorganisierte Rundreisen durch das Land gemacht – immer im Juni/Juli, wenn es eigentlich am hellsten ist. Immer aber begann schon gegen 21.00 Uhr die Dämmerung – und dann ging es sehr schnell bis hin zur Dunkelheit. Ich habe Bilder vom letzten Jahr, auf denen es um 20.45 Uhr deutlich dämmert, um 21.15 Uhr dunkel ist – und das im Juli. Als wir vor Jahren in Lublin oder auch in Masuren waren, wurde uns dann aber auch klar, dass wir uns nur ca. 60 km entfernt von der nächsten Zeitzone befanden. Eigentlich gehört Polen da auch hin, was aber geopolitisch natürlich keine Option ist.
Wir mögen Polen sehr. Ach, was wird nur aus dem Land!? Ich hoffe, dass die Menschen dort wieder ihren altbewährten Oppositionsgeist entdecken …
Das hoffe ich auch. Vielen Dank für Ihre Erzählung.
Die Ostseebäder sind wirklich toll, nicht nur Sopot. Danzig gehört in die nächste Zeitzone? Mmmh … was die Helligkeit angeht, entspricht das auch meinem Empfinden. Ich hatte zuerst vermutet, es läge weiter im Norden als gedacht – tut’s aber gar nicht.
Wir waren im Juni in Sopot, besonders gute Erinnerungen habe ich an das Essen in der Villa Sedan und die schokoladigen Köstlichkeiten bei Wedel in der Fußgängerzone. Zum Baden war es uns leider auch im Juni zu kalt. :)
Von den schokoladigen Köstlichkeiten habe ich mir etwas mitgebracht. Es ist sogar noch da.
Beim Anblick eines Grandhotels muss ich stets an den herrlichen Filmklassiker „Manche mögen’s heiß“ denken. ;-)