Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Televisionen bei Männerschnupfen

5. 11. 2015 12 Kommentare Aus der Kategorie »Lebenslage«

Die Nenngröße TT mit einem Maßstab von 1:120 war in der DDR die beliebteste Spurbreite unter den Modellbahnfreunden. Da staunen Sie, was? Das wussten Sie nicht, ne?

Der Männerschnupfen, auf dem Sofa auskuriert, ist auch immer ein Bildungsschnupfen – und der so ziemlich einzige Anlass, wochentags am Nachmittag fernzusehen. Doch gerade das eröffnet neue Welten, Modellbauwelten.

In einer Wiederholung der Sendung „Eisenbahnromantik“ aus dem Jahr 1997 lerne ich zum Beispiel, dass es Modellbahnloks im Wert von 19.000 Mark gibt; zwei Männer in Wollrollkragen müssen so ein Objekt tragen. Eine Modellbahn kann übrigens eine Geschwindigkeit von 42 km/h erreichen, wenn man sie nur richtig betankt – mit Gas; das ist aber eine diffizile Sache, das kann nur ein ausgebuffter Modellbaubetankungsspezialist. Die Lok fährt dann auch nur kurze Strecken, und sie kann dann lediglich das eine, nämlich schnell fahren, niemals langsam und auch nicht mittelschnell und auch keine Kurven. Das ist natürlich ein Nachteil, so vom Spaßfaktor her.

Außerdem, anderes Thema, weiß ich nun etwas über die Riesenlinde von Heede. Und über die Süntelbuche in Hemsheim. Und die Balderschwanger Großvatertanne. Sie ahnen nicht, was an und in und mit diesen Bäumen los ist; was die alles schon erlebt haben – das geht auf keine Kuhhaut. Irgendwann, ich weiß es, werde ich bei Günther Jauch auf dem Stuhl sitzen, ich werde keine Joker mehr haben, er wird mich fragen, was das Besondere in Limmersdorf sei, und ich werde sagen: „Meinen Sie die Tanzlinde? Ach, lesen Sie erst die Antworten vor, dann sehen wir ja.“ Damit gewinne ich eine Million Euro und kann mir ein Profi-Waffeleisen kaufen; so ein schweres aus Edelstahl mit Eisenguss-Backplatte, das fluffige, eckige Waffeln macht.

Zum ersten Mal sehe ich außerdem diese Sendung, in der Frauen auf anderer Frauen Hochzeiten gehen und dort herummaulen. Zum Beispiel über die Braut, die keinen Schleier trägt, dafür ein Kleid mit Glitzer und einem Volumen, das an explodierte Sahne erinnert – es bekommt trotzdem ganz lieb gemeinte sieben Punkte; oder über die Torte, die zu süß ist, dabei ist sie eine Torte, und man fragt sich, was sie sonst sein soll. Mir erschließt sich das alles nicht oder sagen wir: die Regeln schon, aber die Intention nicht, dort mitzumachen. Doch es ist wie ein Unfall: Wegschauen geht nicht.

Am Ende nicke ich ein. Das macht im Detail keinen Unterschied, es ist alles ein seichter Fluss, Spurweite 3000 mm, ein breiter, mäandernder Strom, auf dem ich in Richtung Genesung treibe.

Kommentare

12 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓

  1. FrauZimt sagt:

    Ach ja, das gute Rekonvaleszenten-Bildungs-TV. Etwas, das ich von Ihnen gelernt habe und seither immer wieder mit Freude betreibe.

    1. Nessy sagt:

      Seichte Fernsehunterhaltung ist aus meiner Sicht der Schlüssel zur Genesung bei Bagatellerkrankungen. Wirkungsvoller als ein Arztbesuch.

  2. flyhigher sagt:

    Ich muss ja zugeben, dass ich mir diese Braut-Sendung auch manchmal im Vorbeizappen ansehe. Da geht es mir wie Dir – wegschauen geht nicht. Ich frage mich ja immer, warum? Ich würde auf meiner Hochzeit keine mir fremden Menschen dabei haben wollen. Und mich schon garnicht bewerten lassen. Höchstens Hochleben lassen. Diese ganze Schmach, und „Frooonk“, der Hochzeitsexperte, der seinen Senf dann auch noch dazu gibt, nur um mir einen faden Nachgeschmack meiner eigenen Hochzeit zu liefern?
    Es allen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann – und was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
    Huch, ein langer Kommentar für so eine dumme Sendung. Das lässt ja auch schon wieder tief blicken ;-)!
    Liebe Frau Nessy, ich wünsche Dir baldige Genesung!!

    1. Nessy sagt:

      Danke, danke. Es geht schon wieder.
      //*röchelt noch zart

      Ich bin da nur hineingeraten, weil die Sendung direkt nach „Shopping Queen“ kommt – das ideale Programm, um zu rekonvaleszieren.

  3. Frau Vorgarten sagt:

    Na so ein Glück, ich lese hier zum ersten Mal, dass es solche Hochzeitsmäkelsendungen gibt.

    Von Eisenbahnromantik wusste ich hingegen schon und hab auch etliche Folgen schon gesehen. Bei meinen Eltern. Die streichen das sogar in der Fernsehzeitung an, damit sie keine Folge verpassen.

    Das lässt ja einige Rückschlüsse auf mich zu.

  4. Mercator sagt:

    Fernsehen in der Rekonvalesezenz?
    Ich sollte mal wieder krank werden. Aber ich glaube, der Preis ist mir zu hoch.

    Außerdem habe ich das letzte Mal Fern gesehen, da stand die Mauer noch… Seit es dieses WWW. gibt, gucke ich nicht mehr. Wobei natürlich dieses Seiten aufrufen, Links anklicken, Tabs schliessen und aktiv suchen unter Umständen mehr Arbeit ist (und damit nicht gesundungsfördernd), als das Knöpfchendrücken auf der Fernbedienung.

  5. Nihilistin sagt:

    Ich hatte eine TT-Bahn! Unter anderem mit einem Modell einer Diesellokomotive der Baureihe V180 und dazu passenden D-Zug-Wagen! Und mit einem von meinem Vater handgebastelten Schrankenwärterhäuschen mit rotem Klinkersockel! Und mit ein paar kleinen Modellen von Trabant, W50 und Robur!
    TT war einfach der Renner!
    (Wie Sie sehen, wirft mich heute noch die TT-Bahn komplett aus der emotionalen Spur. Danke für die gedankliche Anregung. Ich weiß Bildungsschnupfen ebenso zu schätzen wie Bildungsbandscheiben)

  6. So ne Hochzeitssendung hab ich auch gesehen… und zwar auf einem öffentlich-rechtlichen Sender. Ich, damals baldige Braut, war erschrocken, zu sehen, dass die liebloseste Hochzeit, bei der die Braut einen weißen Albtraum trug, Schlager spielen und saufen ließ, die meisten Punkte bekam. Die, die versuchten, Individualität reinzubringen, z.B. durch einen Mittelalter-Anstrich, wurden gefühlt totgehatet. Vor allem von der Prinzessin.

  7. Annika sagt:

    Noch schöner sind nur Filme mit Sophia Loren und Grace Kelly, da tränen die Augen nicht nur vom Schnupfen.

  8. Ach, ja, die wunderbar erbauliche Nachmittags-TV-Berieselung, die kenne ich aus meiner monatelangen Genesungszeit auch sehr gut… ;-)
    Ich hoffe, Sie haben Ihren Männerschnupfen mittlerweile erfolgreich auskurieren können.

  9. Punkt sagt:

    Gute Besserung, liebe Frau Nessy!

    Durch meinen werten Ex entwickelte ich mich zu einem Nachwuchstalent in Sachen Modellbahn, Fachbereich Spur N in 1:160.
    Erstaunlich faszinierend und hochgerechnet (einmalige Anschaffungen, laaaanger Spaß) sind die Kosten mit denen von Auto-/Motorradliebhabern oder Fernreisesüchtigen (Alle Jahre wieder) durchaus vergleichbar.

    Ich frage mich, was die Produzenten von Shopping-Queen sagen, wenn ich mir einen Mantel, zwei Jeans und ein Paar DocMartens kaufe, anstatt mit meinem Poloshirt „ein Comeback“ zu feiern, oder wie der „Sommer auf zwei Beinen“ rumzustaksen.
    Wenn ich die Sachen behalten darf, pfeif ich doch auf den Wochensieg und nehm mit, was ich kriegen kann…

  10. Alwin sagt:

    Frau Nessy, es ist wohl etwas zu spät um Ihnen noch gute Besserung zu wünschen, denn ich gehe davon aus, dass Sie mittlerweile genesen sind. Ich litt ungefähr zur selben Seit an einem ECHTEN Männerschnupfen (und ich bitte Sie, diesen Begriff nie wieder derart missbräuchlich zu verwenden, denn eine Frau KANN gar keinen echten Männerschnupfen haben, genausowenig wie ein Mann menstruiert) und habe mir auf Youtube zwanzig Folgen „Bonanza“ im Original angetan sowie zwecks Bildung ungefähr die halbe Playlist von „Frag den Lesch“. Überhaupt, bei Männerschnupfen sind Playlists was Feines. Denken Sie nur daran den Monitor zu dimmen, denn zu hell eingestellte Bildschirme sind bei Bindehautreizung und Kopfschmerzen nicht hübsch.

    Zum Abschluss noch eine persönliche Frage, Frau Nessy: Was halten Sie von diesen Vorlese-Büchern, ich meine Audio-Büchern oder „audibles“, wie man die wohl neuerdings nennt? Könnten Sie da mal einen Blogeintrag drüber schreiben? Ich schlafe nämlich regelmäßig nach 15 Minuten ein, wenn ich etwas vorgelesen bekomme, und verstehe nicht, warum visuell nicht oder kaum eingeschränkte Menschen für sowas Geld ausgeben sollten, wo es das beste Einschlafmittel (eine Flasche Grafensteiner Bier) bereits für 40 Eurocent (inklusive Pfand) beim Netto gibt. Was meinen Sie?

Die Kommentare sind geschlossen



In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen