Die liebe Änni hat mir einen Stock zugeworfen.
1. Denkst du manchmal in einer anderen Sprache als deiner Muttersprache? Wenn ja, welche und wann?
Ja. Wenn ich ein Buch in einer anderen Sprache lese, kommt es vor, dass ich in dieser Sprache denke und träume. Wenn ich fremdsprachige Bücher lese, dann vorwiegend auf Englisch und Italienisch. Meistens sind es nur kleine Versatzstücke, Phrasen, Flüche oder Wörter, die ich in dieser Sprache denke und die besser passen als im Deutschen.
2. Welche Eigenschaft an Menschen kannst du auf den Tod nicht ausstehen? Warum?
Ignoranz. Wenn Leute etwas behaupten, sich aber keine Gegenmeinung anhören. Wenn sie – um ein einfaches Beispiel zu nennen – sagen, Deutschland sei noch nie Fußball-Weltmeister geworden und mich dann auch noch für dumm hinstellen, wenn ich widerspreche. Überhaupt: Mit Menschen, die sich keine zweite Meinung anhören, kann ich nicht umgehen. Dazu gehören auch die Menschen, die gerne schreien: „Selbst schuld!“
3. Rituale: Ein anderes Wort für “stumpfsinniger Trott” oder aber Sicherheit vermittelnder Bestandteil deines Lebens?
Rituale sind gut. Es gibt so ein paar Dinge, auf die ich mich regelmäßig freue: Nach dem Fitti in die Sauna, samstags frische Brötchen – solche Sachen. Wie alle Dinge sollten sich aber auch Rituale weiterentwickeln. Manchmal verschwinden welche, dafür kommen neue. Rituale zu haben und zu lieben, heißt nicht, sie auf ewig zu behalten.
4. Rauchst du/ Hast du je geraucht?
Es gab eine Phase, in der ich auf Partys oder in Gesellschaft mal eine oder zwei geraucht habe. Seit einigen Jahren finde ich Rauchen – aktiv und passiv – aber so dermaßen ekelhaft, dass ich auch das nicht mehr mache. Ich meide außerdem Situationen, in denen Leute rauchen, weil ich nicht zugequarzt werden möchte.
5. Wie lange stehst du morgens vor dem Spiegel?
Zum Fönen, Zopf machen und Wimpern tuschen. Alles in allem zehn Minuten.
6. Wie häufig schminkst du dich?
Wenn ich zur Arbeit gehe, tusche ich mir die Wimpern. Wenn ich abends rausgehe, lege ich schonmal Lippenstift auf. Zu Lidschatten oder dergleichen habe ich nie Zugang gefunden. Damit fühle ich mich angemalt.
7. Gehst du gerne in den Zirkus? Warum?
Die Tiernummern fand ich schon als Kind doof, die Artistiknummern sind okay, aber wenn ich Artistik sehen möchte, gehe ich ins Varieté. Die kennen sich damit besser aus, und ich hocke nicht in einem Zelt.
8. Was passiert deiner Meinung nach nach dem Tod?
Es kommen Würmer und Mikroorganismen und fressen mich auf. Dann werde ich zu Humus und ernähre einen Baum. Der Baum ernährt ein puscheliges Eichhörnchen, irgendwer twittert ein Bild dieses Eichhörnchens, und ich lebe ewig weiter.
9. Was war der erbärmlichste/entwürdigendste (Neben-) Job, den du je hattest?
Was wirklich schlimm war, war mein Job in einem Kunststoffbetrieb. Der Betrieb stellte unter anderem die Deckel für Nutella, Honig und Ferrero Rocher her. Ich habe im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet: früh, spät, Nacht. In den acht Stunden hatte ich zehn Minuten Pause, mehr durfte nicht sein. Es war ein heißer Sommer, in der Halle waren 40 Grad. Wir durften nichts zu trinken mit an den Arbeitsplatz nehmen – angeblich wegen Arbeitsschutz. Zwei Wochen lang habe ich Aufkleber in Nutella-Deckelchen getan. Die Deckelchen fuhren auf einer Maschine an mir vorbei und ich habe die Aufkleber reingelegt. Weil es so heiß war, klebten die Aufkleber sehr fest aneinander und ich konnte sie nicht in der Geschwindigkeit auseinanderfriemeln, wie die Deckelchen an mir vorüberfuhren. Ich konnte deshalb den Akkord nicht einhalten und wurde am Tag 15-mal von der Vorarbeiterin rund gemacht. Nach zwei Wochen war Schluss mit Nutella und ich wurde zum Nachfüllen und Wegräumen an verschiedene Maschinen versetzt. Aus einer der Maschinen kamen Deckel für Quarkschälchen. Sie rollten auf zwei Rohren aus der Maschine heraus und fielen, wenn sie zu langsam waren, zwischen diesen Rohren hindurch. Ich musste in den Spalt zwischen den Rohren greifen, um sie aufzusammeln. Dabei bekam ich immer einen kurzen, elektrischen Schlag; ab dem 20. Schlag tat es richtig weh. Das Schlimme in diesem Betrieb war nicht die Arbeit als solche, sondern dass die angestammte Belegschaft die Ferienarbeiter so mies behandelte. Rückblickend glaube ich, dass die Angestellten dort außerhalb des Sommers keine Kollegen haben, die auf einer niedrigeren Hierarchiestufe stehen als sie selbst. Deshalb haben sie an uns ausgelassen, was sie selbst erleben.
Im nächsten Jahr habe ich dann in einem andere Betrieb gearbeitet, im Messebau. Wir haben abends den Lkw beladen, sind morgens um 5 Uhr auf die Messe gefahren und haben von 6 Uhr bis 1 Uhr nachts aufgebaut. Dann sind wir zurück in den Betrieb gefahren, haben den Lkw beladen, sind zwei, drei Stunden ins Bett gegangen und sind dann zurück auf die Messe gefahren. Einmal haben wir für die Intertabac zu Zweit sechs Tonnen Bodenbelag gelegt: ein mal ein Meter große Holzplatten, die in Rahmen verlegt wurden. Der Messestand als solcher stand dadurch auf einem kleinen Podest – die Besucher gingen über den Boden wie auf Dielen; passend für eine Zigarren-Marke. Die Arbeit war sehr anstrengend und schlecht bezahlt, wesentlich schlechter als die Sache in der Kunststofffabrik, aber ich habe sie lieber gemacht, weil ich nicht an eine Maschine gebunden war, weil die Leute netter waren und weil wir schöne Stände erschaffen haben.
10. Wie verhältst du dich in einem Museum?
Ich laufe da rum, gucke mir die Sachen an und vermeide es, von Museumswärtern angeranzt zu werden. Kann man das auch anders machen? Am liebsten mag ich Museen, in denen man etwas anfassen kann, wo ich Dinge ausprobieren oder in irgendwas reingehen darf – Häuser zum Beispiel oder U-Boote oder Flugzeuge. Ich mag sehr gerne Museen, in denen es um Technik geht. In der Schule habe ich nie Zugang zu den Themen gefunden – wahrscheinlich, weil es nicht von mir erwartet wurde. Heute finde ich technische Zusammenhänge sehr interessant. Aber ich mag auch Museen, in denen Gemälde ausgestellt werden. Zumindest, solange ich etwas darauf erkennen kann.
11. Wie stehst du zu Leggins?
Die Frage ist doch: Wie stehen Leggins mir? Im Sommer ziehe ich ab und an welche an, unter Kleidern. Ansonsten nur zum Sport.
Kommentare
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Unglaublich, ich habe eine ähnliche Nebenjoberfahrung gemacht, nur waren es bei mir keine Nutelladeckel, sondern Erdnusstütchen u.ä. Schlimm fand ich alles. Den Druck, den die Maschine ausübte, die zäh verrinnende Zeit, die Atmosphäre. Aber am schlimmsten habe ich auch den Umgang der Arbeiterinnen mit mir blödem Ferienarbeiter empfunden. Höhnisch und herabsetzend. Da hieß es gerne: „Schaut sie euch an, die feinen angehenden Abiturienten. Klug wollen sie sein, aber nichtmals einen Karton können sie packen.“ Ich habe das so verstanden, dass sie selber litten unter der Perspektivlosigkeit dieser Arbeit und sich kurz besser fühlen konnten, wenn sie die Ferienarbeiter rund machten.
in keinem Ferienjob in meinem ganzen Leben ging es mir so mies wie vor paar Jahren, als ich in der Zeitarbeit war.
Und in keinem Job in meinem ganzen Leben bin ich so schlecht behandelt worden.
dreißigtausend Kreuze, dass das auf immer vorbei ist.
Interessant, ich habe ewig nicht mehr daran gedacht, aber bei meinem ersten Nebenjob nach dem Abitur habe ich genau die gleiche Erfahrung gemacht. Ich habe damals im Akkord Einlassventile für Automotoren geprüft. Und der Umgang mit mir als schüchterner, junger Studentin war genauso wie oben geschildert.
Ich muss allerdings sagen, dass ich für kurze Zeit diese an sich eintönigen Jobs ganz gerne gemacht habe, da ich damals Phasen hatte, in denen ich nicht besonders kommunikativ war und dabei ganz gut nachdenken konnte.
Der andere Nebenjob im selben Sommer war Post in Postschliessfächer sortieren. Das extrem frühe Aufstehen war zwar für mich mörderisch, aber dort war es viel entspannter, weil ich bei den Damen, die dort gearbeitet haben, offenbar die mütterliche Seite angesprochen habe. Jedenfalls war die Atmosphäre insgesamt wesentlich netter.
So schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben! Zum Museum: Es gibt durchaus verschiedenen Museums-Besuchs-Kulturen. Menschen, die minutenlang mit hochgezogener linker (ja, meist ist es die linke) Augenbraue vor einem Gemälde mit einem schwarzen Quadrat auf weissem Grund stehen, dann mit Räuspern, Daumen am Kinn und Zeigefinger an der Wange die Position um 20cm nach rechts verschieben und weiter starren, zum Beispiel. Ich persönlich bin da mehr so der Fast-Food-Besucher. Ich gehe zügig rum, guck mir ein paar Minuten das an, was mir gefällt und verlasse das Museum je nach Grösse und Exponaten nach 15-20 Minuten wieder.
ui. Die schlimmsten Museumserfahrungen sind auf immer verknüpft mit dem Pergamon in Berlin.
Mein Vatter wollte uns Kultur zeigen und wir waren nicht in dem Alter, wo man das Altertum besonders interessant findet… und die Museums“wärter“ haben nichts getan, um es uns leichter zu machen.
Man durfte sich da nicht mal an die Wände lehnen — also ganz neue Wände. Die vom Gebäude.
Die Leutchens waren wirklich nicht kindertauglich.
Es ist jetzt zwar nicht so, dass ich allzu warme Erinnerungen an meinen ersten Ferienjob zur Finanzierung des Führerscheins habe, aber so schlimm wie das Fließband-Fabrikding war es dann doch nicht.
Ich bin „Museumswärterin“ – sprich Museumsaufsicht. Die meisten von uns raunzen nicht, sondern machen Besucher höflich darauf aufmerksam, daß man Bildern nicht zu nahe kommen sollte, wegen der Alarmanlagen, daß die Modelle einer Architekturausstellung nicht dazu da sind, um damit zu spielen, und man auch tunlichst keine Fingerabdrücke im nicht ausgehärteten Material zweier Motorrad-Designstudien hinterlassen sollte… Wären Sie die Erschafferin bzw. Eigentümerin eines oder mehrerer Kunstwerke, würden Sie mit Sicherheit auch sehr großen Wert darauf legen, daß diese im Museum Ihrer Wahl so unbeschadet als möglich zu sehen sind.
„Museumswärter/in“ bzw. Museumsaufsicht ist übrigens ein in Deutschland anerkannter Ausbildungsberuf, man nennt das Schutz- und Sicherheitsfachkraft. Bevor man sich acht Stunden täglich in einem Museum die Füße platt stehen und sich von so einigen Besuchern dumm anmachen lassen muss, wenn man seinen Job gewissenhaft ausführt und hin- und nicht wegguckt, und dadurch den deutschen Steuerzahlern viel Geld erspart – denn in den meisten Fällen werden Restaurierungskosten vom Staatssäckel, sprich, von uns, dem Stimmvieh, finanziert – , muss man zumindest eine sogenannte Unterrichtung nach GewO § 34 a mitgemacht haben.
aha!
dankeschön für diese Belehrung.
Man lernt ja immer noch dazu.