Lektüre im März, April und Mai:
Colin Cotteril. Dr. Siri sieht Gespenster
Eine Obstverkäuferin wird ermordet, übel zugerichtet. War es der Bär, der Tage zuvor ausgebrochen ist? Dr. Siri, der einzige Leichenbeschauer Laos‘, macht sich auf die Suche und erkennt schnell, dass die Sache nicht ganz so einfach ist. – Vom ersten Siri-Buch „Dr. Siri und seine Toten“ war ich total begeistert. „Dr. Siri sieht Gespenster“ ist mir zu gewollt mystisch. Mehr Krimihandlung, weniger Esoterik wäre besser gewesen.
Nicholas Dryson. Kleine Vogelkunde Ostafrikas.
Mr. Malik ist sehr verliebt in Rose, die Leiterin der örtlichen Gruppe von Vogelbeobachtern. Gerne möchte er mit ihr zum Nairobi Hunt Ball gehen. Doch er traut sich nicht, sie aufzufordern, und kaum versieht er sich, tritt schon der machohafte Harry Kahn auf den Plan. Die beiden gehen eine Wette ein. – Ein nettes Büchlein, sehr warmherzig.
Tina Fey. Bossypants.
Bossypants ist ein gutes Buch, das leider einen schauderhaften deutschen Untertitel trägt: „Haben Männer Humor?“ Der Untertitel ist daneben, weil es in dem Buch gar nicht um Männer geht, und wenn, dann nur am Rande. Es geht um die Komödiantin Tina Fey, ihr Leben und ihren Job bei NBC. Fey ist witzig und selbstironisch, sie erzählt ihren Aufstieg ohne Pathos und sehr unterhaltsam. Aber wahrscheinlich meinen deutsche Verlage, dass Buchtitel erfolgreicher, humorvoller Frauen besser kommen, wenn sie sich an Männern abarbeiten.
Toni Jordan. Tausend kleine Schritte.
Grace zählt. Am liebsten alles. Die Schritte, die sie geht, die Streusel auf dem Kuchen, die Bisse, mit denen sie ihn isst. Dann kommt Seamus und bringt ihr durchgezähltes Leben aus dem Tritt. Einerseits findet sie es schrecklich, die Kontrolle zu verlieren, andererseits gefällt es ihr. – Die Geschichte ist munter erzählt. Die Figur Grace ist sympathisch und kein bisschen platt. Die Liebesgeschichte verläuft nicht so vorhersehbar, wie es zunächst scheint. Deshalb: Daumen hoch.
Ulla Lachauer. Ritas Leute.
Rita Pauls stammt aus Kasachsten. Ihre Familie lebt inzwischen über die ganze Welt verstreut. Autorin Ulla Lachauer erzählt ihre (Migrations-)Geschichte. Sie hätte gut daran getan, sich dabei zurückzunehmen und nicht ihre Recherchereise nachzuerzählen, sondern sich stattdessen chronologisch der Familie zu widmen. Ich habe das Buch nach der Hälfte weggelegt, weil ich das Gefühl hatte, überhaupt nicht an „Ritas Leute“ ranzukommen.
Audrey Niffenegger. Die Zwillinge von Highgate.
Valentina und Julia sind zwei verwöhnte amerikanische Teenager. Sie erben die Wohnung ihrer Londoner Tante Elspeth und bekommen zur Auflage, ein Jahr dort zu wohnen, bevor das Erbe in ihren Besitz übergeht. Nicht leicht für die Zwei, schließlich sind sie noch ziemlich unselbständig. – Ich sag’s ganz deutlich: Ich fand das Buch doof. Ein Frauen-Schnulli-Roman der schlimmsten Sorte. Valentina und Julia nerven, Elspeth taucht als Geist wieder auf und überhaupt wimmelt das Buch von Figuren, die mir auf den Zeiger gingen. Trotzdem habe ich es zu Ende gelesen. Ein bisschen erträglich war’s also doch.
Arnold Stadler. Ein hinreissender Schrotthändler.
Er ist ein frühpensionierter Studienrat. Seine Frau Gabi ist Handchirurgin. Irgendwann taucht der Schrotthändler Adrian in ihrem Leben auf, zieht bei ihnen ein und verschwindet nicht wieder. Sie nehmen ihn sogar mit in den Urlaub. – Als ich in das Buch reinlas, konnte ich mich direkt an der Sprache und der Liebe zum Detail erfreuen, mit der Stadler erzählt. Doch das war’s auch schon. Die Handlung ist abstrus und gewinnt auch nicht an Fahrt. Noch ein Buch, das ich nicht zu Ende gelesen habe.
Stephan Thome. Grenzgang.
Das beste Buch des Frühjahrs: Alle sieben Jahre findet im hessischen Bergenstadt Grenzgang statt, ein traditionelles, dreitägiges Volksfest. Die geschiedene Kerstin verliert den Kontakt zu Teenager–Sohn Daniel und pflegt ihre demente Mutter. Lehrer Thomas wollte in Berlin eigentlich eine akademische Karriere verfolgen, doch es hat nicht geklappt. Die Geschichte folgt den beiden über eine Zeitspanne von 21 Jahre in verschiedenen Rückblicken, jeweils zu den Grenzgangstagen. Schön konstruiert, mit viel Liebe zu den Figuren, trostlos und doch Hoffnung gebend, hält der Erzähler dem Leser den Spiegel vor. Ein großartiger Gesellschaftsroman im Stile Jonathan Franzens.
Jonathan Tropper. Sieben verdammt lange Tage.
Papa Foxman ist tot und hat beschieden, dass seine Familie nach seinem Ableben sieben Tage lang Shiwa sitzt. Allen Familienmitglieder steht schon beim Gedanken daran Schweiß auf der Stirn, und es kommt, wie es kommen muss: Bereits nach kurzer Zeit gehen sie sich auf die Nerven. – Die Geschichte wird aus der Perspektive von Judd erzählt, einem der Brüder, der seine Frau erst vor Kurzem in flagranti mit seinem Chef erwischt hat. Ich habe das Buch beim Lesen die ganze Zeit als Film vor mir gesehen. Es würde sich wunderbar auf der Leinwand machen: sehr unterhaltsam, ein bisschen verrückt, ein bisschen tiefgründig und rundum sympathisch.
Richard Yates. Easter Parade.
Das Buch erzählt die Geschichte der Schwester Sarah und Emily. Sarah heiratet früh und bekommt drei Söhne. Emily lebt ein rastloses Leben mit vielen Affären. – Ein schönes Buch. Die Geschichte ist locker erzählt und fließt so dahin. Ich habe es fast ausschließlich im Zug gelesen, was perfekt war. Autor Richard Yates hat übrigens auch „Zeiten des Aufruhrs“ geschrieben, verfilmt mit Kate Winslet und Leonardo di Caprio.
Kommentare
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Weil es mir in diese Liste zu passen scheint (auch wenn das Medium ein anderes ist): falls Sie es noch nicht wahrgenommen haben, sollten Sie mal sehen, ob Sie beim Inhaltelieferanten Ihres geringsten Misstrauens den Folgen von Downton Abbey habhaft werden koennen. Ich habe das bedauernswerteste daran gefunden, dass die Staffeln nur 7 oder 8 Folgen haben. Ansonsten: merci fuer die vielen Tipps.
Downton Abbey … googlegoogle … Sie gucken Kostümdramaserien?!
Sicher. Zumindest gelegentlich. Ich habe ja auch Saeulen der Erde gelesen. Oder diese Rosenkriegsgeschichte, die Sie empfahlen. Und ganz frueher mal Fackeln im Sturm geschaut.
„Die Zwillinge von Highgate“
Oh Gott. Oh Gott! Oooooooooh Gott!
Das einzige Buch aus der Liste, das ich gelesen habe. Gekauft, weil „Die Frau des Zeitreisenden“ eines DER Bücher der letzten Jahre war, die mich wirklich nachhaltig begeistert haben.
Und auch ich war, wie soll ich es sagen, nur genervt. Immer wieder kurz davor, das Buch in die Ecke zu pfeffern und einfach nicht zuende zu lesen. Nun ja. Ich habe tapfer durchgehalten, aber es wurde bis zum Ende nicht besser, sondern nur immer, immer kruder. Und gehört zu den Büchern, die ich garantiert nicht noch einmal lesen werde und landete daher auch direktemang in der Flohmarktkiste.
Klassisches Beispiel dafür, das man, wenn man ein Buch eines Autors mochte, noch lange nicht seine anderen Bücher auch mag.
Einzig geblieben ist mir das Vorhaben, mir bei meinem nächsten Londonbesuch unbedingt diesen berühmten Friedhof ansehen zu wollen. Immerhin etwas.
So war es bei mit auch: „Die Frau des Zeitreisenden“ – fantastisches Buch. Toller Film. Habe bei beidem Rotz und Wasser geheult. Und dann so ein Reinfall. Kaum zu glauben.
lieblingsNessy, haben sie tausend dank für die wundervollen lese-empfelhungen! … seit „adams erbe“ schwöre ich ja auf sie :-) … haben sie „wunder“ schon gelesen?
Nee, habe ich noch nicht. Meinen Sie das Buch mit dem Jungen, der ein entstelltes Gesicht hat?
ja, genau – das ist das buch
Ich freue mich ja (als stille Mitleserin) immer über Ihre Buchbeschreibungen. Hier möchte ich mal selber einen Hinweis anbringen: Bei Dr. Siri einfach weiterlesen. Band 2 ist meiner Meinung nach der schwächste der Reihe, Band 1 lange nicht der stärkste. Und wenn man auch auf englisch noch zur Erholung lesen mag: Hier lohnt sich die Mühe.
Sie meinen also, ich soll Dr. Siri noch eine Chance geben? Na gut. Gerne auch auf Englisch. Ich lese, was mir unterkommt.
Oh, Tina Fey und Toni Jordan mochte ich auch gerne! Hab die beiden allerdings auf Englisch gelesen.
Wunder kann ich auch empfehlen. Und Memoirs of an imaginary friend von Matthew Dicks. Und, jaaaaaa, ich mochte auch die ersten beiden Bände der Justin Cronin Trilogie…
Dieses Justin-Cronin-Sache hört sich für mich nicht so gut an. Aber „Memoirs of an imaginary friend“ habe ich mir auf die Wunschliste gesetzt. Danke für den Tipp!
Haben Sie, so als Vielleserin, „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ gelesen? Bin grade dabei.
[…] “Der menschliche Körper” von Paolo Giordano (“Il corpo umano“) und “Grenzgang” von Stephan Thome. Arno Geigers “Der alte König in seinem Exil” muss ich noch […]