Dave Eggers. Weit gegangen. Valentino Achak Deng ist ein kleiner Junge im Sudan. Als sein Dorf Marial Bai von Murahilin-Kriegern überfallen wird, flieht er. Er geht viele hundert Kilometer zu Fuß bis nach Äthiopien, lebt dort einige Jahre in einem Flüchtlingslager, wird auch dort vertrieben, geht zu Fuß nach Kenia, lebt dort zehn Jahre in einem weiteren Lager – und landet schließlich in den USA, wo er nie richtig ankommt.
Das Leid, das er auf seinem Weg erlebt, beschreibt Autor Dave Eggers auf 770 Seiten – und es ist unfassbar. Valentino ist sechs oder sieben, als er sieht, wie seine Nachbarn erschossen werden oder in ihren Häusern verbrennen. Er lebt Tage und Wochen ohne mehr als zwei Handvoll Wasser und ein paar Wurzeln. Er erlebt, wie seine Freunde sich unter einen Baum setzen und sterben, vor Hunger und Erschöpfung, von einem Moment auf den anderen – weil sie es so wollen, weil sie nicht mehr können.
Das Buch hilft, den Konflikt im Sudan zu verstehen. Es hilft, die Kultur zu verstehen. Und es hilft, das Denken eines Menschen zu verstehen, der über Jahre nichts anderes erlebt hat als Gewalt, Hunger, Angst und die Sehnsucht nach einer Familie.
Jeffrey Eugenides. The Virgin Suicides.
Deutsch: Die Selbstmord-Schwestern. Die Lisbons haben fünf Töchter: Lux, Mary, Bonnie, Therese und Cecilia. Letzte schneidet sich erst in der Badewanne die Pulsadern auf und stürzt sich Wochen später aus dem Fenster.
Die verbliebenen Mädels pubertieren unter der Beobachtung der Nachbarschaftsjungen gewaltig – bleiben für sie aber fern und unergründlich. Die Wir-Erzähler beschreiben die Mädchen das ganze Buch über praktisch von der anderen Straßenseite aus, bleiben auf Distanz und liefern letztendlich keine Begründung dessen, was in der Pseudoidylle der amerikanischen Vorstadt in dem nun kommenden Jahr geschieht.
Das Buch ist hoch gelobt – meinen Geschmack trifft es jedoch nicht. Die beobachtende Distanz, die zweifelsohne gewollt und das entscheidende Stilmittel der Geschichte ist, liegt mir einfach nicht. Ich kam das ganze Buch über nicht in die Geschichte rein und fand weder einen Zugang zur Handlung noch zu den Charakteren.
Khaleid Hosseini. Tausend strahlende Sonnen.
Mariam lebt in Kabul. Ihre Familie stirbt bei einem Bombenanschlag auf ihr Haus. Sie wird dem Schuhmacher Raschid zur Frau gegeben und lebt fortan mit seiner Erstfrau Laila in einem Haushalt.
Wie schon im „Drachenläufer“ verknüpft Khaled Hosseini die Geschichte seiner Protagonisten mit den Geschehnissen in Afghanistan, verwebt die Vergangenheit und Politik des Landes mit den Schicksalen. Das mutet zunächst etwas pathetisch an, ist es aber nicht. Das Buch lässt sich ebenso wie der Vorgänger gut lesen.
Eshkol Nevo. Wir haben noch das ganze Leben
WM-Finale 1998. Frankreich – Brasilien. Churchill, Juval, Amichai und Ofir, alle um die dreißig und Freunde seit Jugendtagen, gucken Fußball und beschließen, bei der nächsten WM Bilanz über ihr leben zu ziehen. Dazu schreiben sie jeweils drei Erwartungen an das Leben auf einen Zettel.
Juval erzählt die Geschehnisse der folgenden vier Jahre aus der Ich-Perspektive. Liebe, Tod, Lebensfreude und Melancholie begleiten die vier Männer. Am Ende werden alle Erwartungen erfüllt – nur anders, als sie gemeint waren.
Ein toller Roman, dessen Erzähler sich am Ende selbst entlarvt.
Hauke Trinks. Leben im Eis.
Untertitel: Tagebuch einer Forschungsreise in die Polarnacht. Hauke Trinks ist Extremforscher, Abenteurer und Einhandsegler. Er ist außerdem Physikprofessor an der Uni Hamburg-Harburg und bricht auf eine einjährige Fahrt ins Norspolarmeer auf, um dort zu erforschen, wie vor vielen Millionen Jahren Leben im Eis entstand.
Trinks beschreibt die einsame Fahrt von Hamburg nach Spitzbergen und seine Zeit im Eis, in der ihn nur zwei Hunde begleiteten. Seine Tage sind gekennzeichnet von Robbenjagd, kargen Mahlzeiten, seinen Bemühungen, sich der vielen Eisbären zu erwehren – und natürlich seinen Forschungen.
Das Buch ist nicht unbedingt eine literarische Erfüllung, aber trotzdem spannend. Ich kann nach dem Lesen jedenfalls sagen, dass ich dort oben wahrscheinlich jämmerlich erfroren und verhungert wäre.
Ab sofort erzähle ich besser einzeln von den Büchern, die ich gelesen habe. Dann ist es nicht immer so viel auf einmal. Aktuell: Harry Cauley – Bridie und Finn: Die Geschichte einer Freundschaft.