Frühe Siedler
Als ich im vergangenen Jahr in mein neues Heim einzog, war mein Garten wild und schön – aber vor allem wild.
Die Verwandtschaft aus dem Sauerland kam, brachte eine Motorsäge mit, haute drei Bäume weg und beschnitt mit der Gründlichkeit eines atomaren Erstschlags das übrige Grün. „Das kommt wieder!“ war ein Satz, der mehr als einmal fiel, den ich allerdings an mehr als einer Stelle anzweifelte.
Doch tatsächlich: Es kommt wieder, alles. Der Kirschbaum zum Beispiel: Er blüht zart in weiß.
Auch die übrigen Büsche treiben. Erst vorsichtig wagten sich vor einigen Wochen die ersten Knopsen hervor. Nach den warmen Tagen und dem Regen nun, schlagen sie voll aus. Nicht mehr lange, und sie stehen in vollem Grün.
Dort, wo einstmals die große Tanne stand – hoch wie das Haus und mit bestimmt sechs oder sieben Metern Umfang – habe ich ein Gemüsebeet angelegt. Auf Knien habe ich Efeu herausgerissen, Wurzeln gezogen und mit Hacke, Harke und Mistgabeln den Boden umgegraben. So müssen sich die frühen Siedler gefühlt haben, als sie das Land urbar machten.
Ich habe zunächst Kohlrabi, Rotkohl und Lollo angepflanzt. Die Gesellen schienen mir robust und deshalb für ein Experiment jenseits von Tomaten geeignet. Bis jetzt halten sie sich tapfer – der Kirschbaum hat vor Freude Konfetti gestreut.
Auch im übrigen Garten sprießt es überall. Finken, Spatzen, Meisen, viele neugierige Rotkehlchen, die dicke Taube und sogar ein Eichelhäher besuchen mich regelmäßig. Wäre ich Rentnerin, ich säße den ganzen Tag auf meiner Terrasse und beobachtete das Leben beim Wachsen.