Verrückte Angelegenheit | In dieser Woche habe ich etwas Fantastisches erlebt: Ich bin Bahn gefahren, und alles war so, als wäre unsere Infrastruktur nicht marode. Ich stieg in den Zug, er war pünktlich und klimatisiert. Ich bekam alle Anschlüsse; die Fahrt war ausgesprochen komfortabel. Dank der Riedbahn-Sperrung kam ich sogar schneller von Haltern nach Karlsruhe als jemals zuvor: Es gibt nun eine Direktverbindung von Köln nach Wiesbaden, die über Mannheim nach Karlsruhe weiterfährt. Ich war kurz eingenickt, nur einen Wimpernschlag lang, und ganz irritiert, dass ich mich plötzlich in einer anderen Stadt, ja, in einer komplett anderen Gegend befand. Man muss nichts tun, nur gut gekühlt dasitzen.
Die Rückfahrt war dann noch irrsinniger: Ich war 45 Minuten schneller zu Hause als geplant. Denn ich plane immer mit mindestens zwanzig Minuten Umstiegszeit. Das war in diesem Fall aber gar nicht notwendig. In Köln erreichte ich mit nur zwei Minuten Umstiegszeit einen IC, in dem man mir auch noch eine kalte Cola brachte, in Recklinghausen kam direkt der Regionalzug, und ich war eine Dreiviertelstunde früher zu Hause.
Die letzten Meter vom Dorfbahnhof nach Hause:
Wetter zum Ersten | Immer, wennn ich in Karlsruhe bin, ist es abartig heiß. Egal, ob ich im April, im Mai, im August oder im Oktober dort bin: Es liegt eine drückende Hitze über der Stadt, die Beine werden schwer, das Gehirn weich, und ich möchte eigentlich nur ins Sonnenbad eintauchen, mit einem Calippo in der Hand. Die Karlsruher kennen sich offensichtlich gut mit diesem Zustand aus: Die Straßenbahn war klimatisiert, das Hotelzimmer auch, die Räumlichkeiten beim Kunden ebenfalls. Ich litt also wenig.
Diese Wettersache begegnet mir auch in anderen Städten, allerdings in der entgegengesetzten Richtung: Immer, wenn ich nach Berlin fahre, regnet es bei vier Grad und steifem Ostwind – kleine, harte Tropfen prallen wie Pfeile in mein Gesicht, und ihc fühle mich ungemütlich, während die Großstadt um meinen Kopf braust.
(Meiden Sie Berlin Mitte September, Anfang Oktober und Mitte November. Dann bin ich dort.)
Einer Freundin von mir geht es ähnlich, nur anders. Sie nannte sich kürzlich Die reisende Wünschelrute: Überall, wo sie hinkommt, findet sie Wasser, das Wasser findet sie, und es regnet leidenschaftlich.
Nina Chuba | Gemeinsam mit KindZwei und KindDrei besuchte ich ein Nina-Chuba-Konzert. Die Hälfte der Besucherinnen war irgendwas zwischen sieben und sechszehn Jahren alt und trug die gleiche Frisur wie Frau Chuba.
Es gab Nebel und Bässe, Rap und Schwermut, Konfetti-Kanonen und ein bisschen Feuer.Nach eineinhalb Stunden und einer Zugabe war familienfreundlich Schluss. Das Konzert findet sich hundertfach auf Handys wieder. Manch Besucherin hat es mehr durch den Bildschirm betrachtet, als dass sie live dabei war.
Eine solide Leistung. Positiv fiel mir auf, dass in der Band vier Frauen sind: Trompete, Posaune, Saxophon und Gitarre.
Auf dem Rückweg zum Auto gerieten wir in einen wilden Sommerregen. Erst blitzte es nur, dann tröpfelte es, dann schüttete es aus Kübeln. Das Feld, auf dem wir parkten, auf dem alle parkten, wurde zum Tough-Mudder-Contest. Völlig durchnässt, ich zusätzlich vermatscht, weil ich ausgeglitten war, erreichten wir den Wagen. Rundum ein Erlebnis.
Wetter zum Zweiten | Von mir aus ist jetzt auch gut mit Hitze. Vierundzwanzig Grad sind ganz wunderbar, bei vierundzwanzig Grad ist man nicht vollkommen aufgelöst und kann gleichzeitig im Freibad schwimmen. Dreißig Grad hingegen sind unerhört, vor allem wenn man arbeiten muss. Das Hirn quillt auf, die Füße auch.
Die Erholung in der Nacht ist mäßig: Ich werfe meine Decke von mir, im nächsten Moment sirren Mücken um meinen Körper, ich ziehe die Decke wieder über den Kopf. Es ist ein Elend. Zwar bin ich nicht so übellaunig wie Frau Novemberregen, aber ich muss zugeben: Die Lunte ist kürzer als sonst.
Ratternd auf dem Rad | Ich fuhr noch eimal Fahrrad. Diesmal keine hundertzehn Kilometer, sondern nur achtzig. Allerdings achtzig Kilometer, die anstrengender waren als hundertzehn. Ich brauchte mehrere Tage, um mich davon zu erholen. Ich fuhr von Haltern nach Dortmund und wieder zurück, zum Sommerfest meines Dortmunder Service Clubs. Sowohl auf der Hinfahrt als auch auf der Rückfahrt hatte ich Gegenwind – eigentlich eine physikalische Unmöglichkeit, aber ich schwöre, dass es so war.
Nach Dortmund ging es zudem latent bergauf, und je näher ich dem Ruhrgebiet kam, desto schlechter wurden die Straßen. Der Asphalt war aufgerissen, die Schlaglöcher tief, Flicken waren erneut geflickt, und die geflickten Flicken auch noch einmal. Das Rad ratterte und rumpelte, gemeisam wurden wir durchgeschüttelt wie ein Cocktail. Am nächsten Tag hatte ich Muskelkater in Schulter und Armen.
Auf den letzten zwanzig Kilometern, am Wesel-Datteln-Kanal entlang, dann nochmal ein unerhörter Gegenwind. Ich wäre am liebsten umgekippt und im Gras liegen geblieben. Zum Glück fand ich noch einen Schokokeks in meiner Tasche.
Gelesen | Ann Marie MacDonald: Wohin die Krähen fliegen, aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Ein großartiger Roman, reich und dicht, mit einer Auflösung, die erst nach mehr als 1.000 Seiten kommt. Die Geschichte spielt in den sechziger Jahren, der Zeit der Kuba-Krise, des Wettrüstens und des Wegs zum Mond. Im Mittelpunkt steht die junge Madeleine, die gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder auf verschiedenen Militärstützpunkten aufwächst. Die Geschichte entwickelt sich langsam und wird immer intensiver, fast unerträglich. Mit kleinen Ereignissen, mit Andeutungen steigt die Spannung, bis nach 500 Seiten eine Klassenkameradin Madeleines stirbt, fast als Nebenereignis. Das Ereignis verschiebt die Wirklichkeit, verstärkt Geheimnisse und schafft moralische Dilematta. Der Roman ist auch in der ARD-Hörspieldatenbank.
Stammtisch | Freunde-Stammtisch, diesmal im eigenen Hause. Der Kochlöffel geht reihum, diesmal waren wir dran, drei Gänge herzustellen, acht Erwachsene und fünf Kinder zu bewirten. Der Garten trug reichlich bei: Tomaten, Zucchini und Kräuter.
Wir pflegen diesen Stammtisch seit unendlicher Zeit, seit mindestens fünfzehn Jahren. Jedesmal, wenn ich dran bin mit Kochen, stehe ich vorab zwischen Zutaten und Schüsseln und denke: Das werden wir unmöglich alles essen können. Aber die Runde zeigt sich jedesmal leistungsstabil.
Motto des jüngsten Abend war: Wir beginnen mit Vorspeisen, und es kommt immer mehr dazu.
Und dann war da noch | Heimatfest in der Stadt: Jahrmarkt mit Karussels, Verkaufsständen, Essen, Trinken und Musik – eine Gaudi.
Ich ging an einen Stand neben dem Kettenkarussel. Dort konnte man sich Schultern und Nacken massieren lassen. Aus allen vier Himmelrichtungen dröhnte unterschiedliche Musik und vermischte sich zu einem Geräuschbrei, während mich eine Frau mit ihrem Ellenbogen durchbohrte. Es war herrlich.
Die Kinder fuhren Fahrgeschäfte und gaben ihr Geld für sinnloses Zeug aus. Es ist das Wesen von Taschengeld, dass Kinder es für Dinge ausgeben, die Erwachsene unsinnig und übertreuert finden; das muss man aushalten. Manchmal fällt es aber wirklich schwer.
Was kommt | Wie ich das alles aufschreibe, stelle ich fest: ganz schön viel Programm für eine Woche. Ich fühle mich auch deutlich ermattet.
Das berufliche Leben geht allerdings rasant weiter. Bis Endes des Jahres werde ich nicht nur dreimal in Berlin sein, sondern auch noch einmal in Karlsruhe, außerdem in Chennitz, zweimal in der Region Stuttgart und mehrmals in nordrhein-westfälischen Städten. Es werden intensive und arbeitsreiche fünf Monate.
Schweine | Blumenwiesenfreuden.
Kommentare
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In meinem Leben gibt es, getrieben von der Partnerin, Schlafzimmer nur noch mit Fliegengitter. Es ist wirklich sehr entspannend, bei der größten Hitze alles aufzureißen was geht und NICHT komplett zerstochen zu sein am nächsten Tag.
Die üblichen Verdächtigen (zuschneidbare Netze und Klettband) finden sich in jedem dm oder Rossmann und passen für Alt- und Neubaufenster.
Wir haben Gitter. Es sind trotzdem Mücken im Haus. Davon abgesehen sind die billigen aus dem Drogeriemarkt Mist: elendes Zurechtschneiden, und am Ende bleiben sie nur zwei Tage kleben.
Wir haben auch alle relevanten Fenster vergittert – diese Fliegengitter mit Alurahmen aus dem Baumarkt sind doch ein deutliches Upgrade gegenüber den geklebten und gekletteten Tüchern.
Die Sache hat nur einen Nachteil: Wenn sich dann doch mal ein Fluginsekt in unser Haus verirrt, (die Haustür blieb aus logistischen Gründen unversiegelt) ist es umso schwerer, es nach draußen zu geleiten.
Aber davon abgesehen: Beste Entscheidung. Endlich können wir sorgenfrei die Fenster offen lassen.
Danke für den Tipp mit der ARD Hörspieldatenbank, leider bin ich anscheinend zu doof, ich finde dort nirgends die Möglichkeit das auch abzuspielen. Haben Sie einen Rat für mich doofi? Danke und herzliche Grüße, Daniela
Stimmt … sehe ich auch gerade. Man kann es offenbar auch nirgendwo abrufen – als Podcast oder in einer Audiothek. Schade. Ich selbst mag zwar keine Hörspiele, nur Hörbücher, aber für alle mit Hörspielneigung wäre das toll gewesen.
Bei Tough Mudder muss der Verweis auf eine der schönsten Kurzgschichten Norddeutschlands kommen:
„Mudder im Modder“ von Matthias Stührwoldt.
Ich bin versucht, euch das Buch zu schicken, der Humor knarzt bei ihm ähnlich trocken wie hier.
http://www.matthias-stuehrwoldt.de/werke_id.php?ISBN=978-3-930413-35-5
https://www.bauernstimme.de/buchcd/matthias-stuehrwoldt
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/mudder-modder-1334646.html
Das hört sich gut an!
„… Es werden intensive und arbeitsreiche fünf Monate.“
Zu schade, daß für dieses Mammutprogramm tatsächlich nur noch vier Monate zur Verfügung stehen.
Daran liegt‘s also, dass mir der Zeitplan so eng vorkommt!
Kommen Sie gerne bald nach Berlin und bringen sie die Freundin gleich mit. Regen haben wir hier nach vier Wochen Trockenheit und ohne Aussicht auf Besserung bitter nötig.
Challenge accepted!