Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Haltung bewahren, Schülerinnen begeistern und Handball

29. 1. 2024 2 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Na sowas | Es ist immer noch Januar, kaum zu glauben.


Haltung bewahren | Am Wochenende war ich auf dem Markplatz hier im Ort, anlässlich einer Kundgebung für Demokratie und Vielfalt. Mein Jahresvorsatz ist ja, Haltung zu bewahren. Wenn mir dafür eine Demo serviert wird, quasi verzehrfertig, gehe ich dort natürlich hin.

Der Halterner Marktplatz voll mit Demonstrant:innen.

Angemeldet waren 500 Teilnehmer:innen. Es kamen 5.000 – für unsere Kleinstadt eine erfreuliche Quote, etwa ein Sechstel der Bevölkerung. Die Redner:innen hielten sich knapp: Klare Worte, kurze Sätze, das war gut. Der inhaltlich beste Beitrag kam vom evangelischen Pfarrer, war mit Wumms vorgetragen und inhaltlich auf den Punkt.

Ich bemerkte eine gewissen Erfahrungsschatz in der Anti-Akw-Generation, was die Fertigung von Bannern angeht: Während die junge Generation in bester Absicht und stets bemüht mit Pappkarton und Holzleisten an den Start ging, zeigten sich die Älteren mit soliden Besenstielen, boten hochwertige textile Aufbereitung und gut lesbare, gut zitierfähige Schriftzüge. Hier können wir voneinander lernen.

Herr Buddenbohm berichtet mit gewohntem Unterhaltungswert von verwandten Ereignissen in Norddeutschland.


Handball | Ich hatte große Freude an der Handball-EM. Zum Halbfinale besuchte mich die Torfrau (die dereinst auf einem französischen Landschloss ihre Ehe feierte, Sie erinnern sich vielleicht). Sie brachte Zimtschnecken mit, „damit wir die Dänen wenigstens so vernaschen“. Die Zimtschnecken waren wunderbar lecker und zimtig. Die Torfrau deutete an, dass sie zu achtzig Prozent aus Guterbutter bestünden; ich verweigerte mich weiteren Informationen.


Broterwerb erklären | Am Wochenende war ich an der Schule der Bonuskinder zu Gast. Die Schule veranstaltet einmal im Jahr eine Berufemesse, auf der Eltern (und Bonuseltern) ihren Beruf vorstellen.

Stand auf der Berufemesse in der Schule: An der Wand ein Plakat mit den bislang ausgeübten Berufen, davor ein Tisch mit Lego

Der Aufruf der Schule, dort mitzuwirken, war von dem Wunsch begleitet, dass auch weniger gradlinige Lebensläufe teilnehmen. „Da könntest du mitmachen“, hatte der Reiseleiter daraufhin gemeint. Also tat ich es – weniger, um Schüler:innen speziell für den Beruf der Unternehmensberaterin zu begeistern, sondern mehr, um zu zeigen, dass man einen Beruf lernen und einen anderen ausüben kann (und noch einen und noch einen); und auch, dass es Berufe gibt, zu denen man auf verschiedenen Wegen kommt. Ich erlebe nämlich Schulabgänger:innen unter großem Druck, einerseits nicht zu wissen, welchen Weg sie einschlagen wollen, und andererseits voller Sorge, sich mit der Wahl einer Ausbildung oder eines Studium fürs Leben festzulegen.

Damit die Jugendlichen etwas mit nach Hause nehmen konnten, habe ich ein Flyererstellt. In einem Interview erkläre ich in einfachen Worten, was ich arbeite (Credits gehen raus an K2, die die Fragen gestellt hat).

Auf der Messe besichtigten mich mehrere Gruppen. Ich hatte jeweils zehn Minuten Zeit, meinen Beruf zu zeigen. Die 14-Jährigen bauten aus Lego Ideen, was ihre Schule besser machen würde. Die Top Drei:

  • eine Außenerweiterung der Schulcafeteria für Sommertage
  • ein Raum, in dem man sich zurückziehen kann, wenn es einem nicht gut geht
  • Sitzsäcke, weil der Hintern nach 90 Minuten Unterricht so weh tut, dass man sich gar nicht mehr konzentrieren kann

Wir überlegten danach, wie man die Ideen testen könnte, ohne zunächst groß zu investieren (minimum viable product), und wie man messen könnte, ob die Idee funktioniert und genutzt wird (Proof of Concept). So erfuhren die Kids im eigenen Erfahrungshorizont, was ich – neben anderem – in Unternehmen tue.

Ich bin übrigens ziemlich angetan von den Ideen, die alle binnen fünf Minuten entstanden. Die dahinter liegenden Bedürfnisse sind klar artikuliert.


Gelesen | Junge Frauen werden liberaler, junge Männer konservativer. Die Gründe dafür finden sich im Papier von Axel Honneth vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Es ist aus dem Jahr 2011, also deutlich älter als die neuesten Beobachtungen, aber dennoch lesenswert. Honneth argumentiert, dass Männer stärkerer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt seien, seit Frauen vermehrt daran teilnähmen. Dadurch seien männliche Privilegien wie Bildungsabschlüsse, Karriereperspektiven und durch Sexismus geprägte Arbeitskulturen unter Druck geraten; körperliche Arbeit werde zunehmend abgewertet. Die verlorene Anerkennung in der Wirtschaftssphäre können Männer aber nicht mit Anerkennung im Privaten kompensieren: Ihre Rolle als Familienernährer sei infrage gestellt, sogar die Rolle des Vaters gelte nicht mehr, wenn Frauen gleichgeschlechtlich Kinder aufziehen können. All dies manifestiere sich in Versuchen, …

[…] die eigene Unsichtbarkeit in Augenblicken einer obszönen Präsenz in den Medien abzustreifen, verkörpern sich in Gegenkulturen des Respekts, in denen eigensinnige, gesellschaftlich abgekoppelte Anerkennungsregeln herrschen.

Verwilderungen des sozialen Konflikts: Anerkennungskämpfe zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Broterwerb |  Die Tage gestalten sich arbeitsreich, wenngleich nicht arbeitsreicher als sonst. Es ist eher die Themenvielfalt, die anspruchsvoll ist. Ich möchte mich jedoch keinesfalls beschwerden. Die Auftragslage 2024 entwickelt sich bereits jetzt, in der Jugend des noch neuen Jahres, ausgesprochen erfreulich – nicht nur quantitativ, sondern auch, was die Art der Herausforderungen angeht: tolle, interessante Projekte, super Kunden, mit denen es große Freude macht zusammenzuarbeiten.

Ich versuche dieses Jahr ein bisschen achtsamer mit mir zu sein. Gerade im zweiten Halbjahr 2023 bin ich viel gereist. Der Alltag war zwischendurch arg verdichtet. Das möchte ich in diesem Jahr besser machen. Ich muss schließlich noch fünfundzwanzig Jahre arbeiten und möchte gerne gesund bleiben.

(Falls mir vor Ablauf der fünfundzwanzig Jahre jemand eine Tätigkeit als Privatier anbieten möchte, etwa durch Übertragung nennenswerter Vermögenswerte und einer kleinen Finca, bin ich natürlich offen. Ich würde auch weiterbloggen.)


Wer den Schaden hat | Im letzten Blogbeitrag habe ich einen Fehler eingebaut. Ich erhielt deshalb wiederholt und natürlich vollkommen berechtigt die Information, dass Karlsruhe nicht in der Südpfalz liegt – in Kommentaren unter dem Blogartikel, auf Social Media und mündlich am Küchentisch: Ich wohne nämlich mit einem Geographen zusammen. Was ich mir anhören konnte! Ich bitte freundlich, von weiteren Zuschriften abzusehen. Ich in geläutert.


Gelesen und gehört | Petras Aufzeichnungen oder Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit von Paula Schlier. Die demokratische Journalistin Schlier berichtet in ihrem autobiographischen Text von 1926, wie sie sich drei Jahre zuvor als Schreibkraft in den Völkischen Beobachter, das Propagandablatt der Nationalsozialisten, einschleust. Sie erzählt vom Hitler-Putsch ebenso wie von den Sitten in der Redaktion. Schlier konnte damals unbehelligt beim Völkischen Beobachter recherchieren, weil sie nur als „Tippmamsell“ wahrgenommen wurde; es bedurfte keiner weiteren Tarnung, als eine Frau zu sein. Der Bayerische Rundfunkt hat Paula Schlier einen Podcast gewidmet: Paula sucht Paula.

Gelesen | Bahn-Angestellte erzählen ihre Motive zu streiken


Schweine | Der Freundeskreis Rohkost bei der Abendspeisung:

Kommentare

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  1. Andreas sagt:

    Am vergangenen Mittwoch war ich mit dem Kind auch zur Kundgebung „Kein Tee für Nazis“ auf dem Norder Marktplatz. Allein schon der Weg dorthin hatte etwas besonderes; wie bei einer sehr verstreuten Sternwanderung liefen Einzelpersonen, Paare und Familien in Richtung Innenstadt. Über 2000 Teilnehmer wurden dort gezählt und es packte mich etwas wie eine freudige Ergriffenheit, als ich den Marktplatz so voll vorfand.

    Das hatte leider auch zum Nachteil, dass wir nicht zu den Freunden des Kindes und deren Eltern fanden, mit denen wir uns eigentlich verabredet hatten. Und nach einer halben Stunde hatte ich dann auch ein Einsehen, dass die Redebeiträge gut und wichtig sind, eine Achtjährige aber nur begrenzt bei Laune halten können, insbesondere wenn man von deren Perspektive aus nur Bäuche und Hintern sieht und auch Papas Schultern keine Dauerlösung sind. Kinder werden groß, das ist gut, aber leider werden sie dabei auch schwerer.

    P.S.: Wenn alle Stricke reißen, sähe ich bei Dir auch noch eine schillernde Karriere als Illustratorin, und sei es auch nur für den Nischenbereich „Berufsweg“

  2. Birte sagt:

    Jetzt habe ich geschmunzelt. Ich bin ja sehr anti-atomkraft und friedensbewegt sozialisiert und musste gerade beim Lesen feststellen, dass ich zwar unzählige Flugblätter (damals quasi die social media) mit verfasst habe, aber nie ein Bettlaken missbraucht habe.
    Ich muss zwar nur noch 9 Jahre, wäre aber einem Leben als Privatier alles andere als abgeneigt.

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