Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Die ersten Tage in Südtirol: Wir lassen uns ein und essen mit Käse Gefülltes

9. 10. 2023 8 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Sich einlassen | Beginnen wir beim Wetter. Es ist warm in Südtirol, sehr warm. Heute hatten wir 28 Grad im Tal. Für die Chronik: Wir schreiben Montag, den 9. Oktober.

Wir hatten mit gutem Wetter gerechnet, aber nicht so gutem. Ich habe nur eine kurze Hose im Gepäck, nachträglich in den Koffer geworfen vom Reiseleiter, der mir nach Stuttgart nachreiste und, seiner Rolle folgend, das Reisewetter im Blick hatte und entsprechend handelte.

Wir wohnen in einem Hotel, das jeden Abend ein Vier-Gänge-Menü serviert. Ein Gang besteht immer aus etwas, das mit Käse gefüllt ist, sanft umgeben von einer Käsesoße. Am ersten Abend gab es mit Käse gefüllte Spinatknödel in Gorgonzolasoße, gestern mit Käse gefüllte und frittierte Canelloni, heute mit Käse gefüllte Rote-Beete-Knödel. Käse ist ein großes Thema hier, beim Frühstück, bei der Jause wie auch beim Abendessen. Wir lassen los und uns darauf ein.

Einlassen ist ein gutes Stichwort: Am ersten Wandertag ließen wir uns auf die Almprinzen ein, ein Volksmusikduo. Es spielt beim Almabtrieb in Nauders, frisch und frohgemut, mit Akkordeon und Gitarre und einer Sammlung Altherrenwitze, die Mario Barth hätte erblassen lassen. Die Wiese an der Spritzenhütte war voll mit Menschen, Touristen wie Einheimischen. Es gab Krapfen mit und ohne Marmelade, Pommes und Bier und eben die Almprinzen. Als wir dort ankamen, hochmarschiert aus dem Tal und etwas außer Puste, war mir sofort klar, dass man sich hier voll in die Situation werfen muss: Trachten, Volksmusik und Tiroler Bauernjugend – das muss man wollen, von Herzen.

Wir blieben dort, bestellten Alkoholfreies und beobachteten, wie Busunternehmen immer mehr Senioren auf die Wiese karrten. In der Warteschlange vor dem Toilettenhäuschen traf ich Frau, graues Haar. Sie sagte sie sei das erste Mal mit einem solchen Unternehmen unterwegs. Ich fragte sie, ob es gut sei. Sie antwortete: „Naja, es ist halt alles organisiert.“

Wiese mit Bergkulisse im Hintergrund. Auf der Wiese sehf viele Biergarnituren, auf denen allesamt Menschen sitzen.

Neben der Festwiese war eine weitere Wiese, doppelt so groß. Auf dieser Wiese parkten die Autos aller Menschen, die nicht wie wir zu Fuß gekommen waren. Mit dem SUV zum Almabtrieb, so macht man das heute, da lohnt sich danna uch die Bodenfreiheit, wenn es über rumpelige Grashügel zurück auf die Dorftstraße geht.

Irgendwann kamen dann auch die Kühe. Die Chefkuh war geschmückt, aber unbeeindruckt vom Trubel; sie kam sich in keiner Weise wichtig vor. Vielmehr hatte man den Eindruck, dass sie ein bisschen genervt war von all den Leuten – wer will es ihr verdenken. Man stelle sich so einen Almabtrieb anders vor, man stelle sich vor, die Kuh wäre ein Mensch, keine Frau, sondern ein Mann, ein Markus Söder unter den Almkühen. Den ganzen Sommer wäre er auf der Alm gewesen, bei Sonne und bei Regen, hätte 3000 Liter Milch nr mit dem eigenen Körper produziert – aus Gras! Ja, Herrschaftszeiten, da hätten wir uns etwas anhören können. Es hätte Reden über die Kraft Tiroler Kühe gegeben, über die Leistung des Almwesens. Ein Herzerl auf der Stirn hätte dann lange nicht gereicht, es hätte ein Krönungsgewand königlichen Ausmaßes gebraucht, um mit ihm von der Alm herunter zu schreiten; weniger wäre der Sache nicht gerecht gewesen.

Kühe auf der Weide, eine davon geschmückt. Dahinter die Festwiese.

Stattdessen aber waren die Kühe froh, als sie endlich unten waren und sich auf die Wiese fallen lassem konnten.

Am zweiten Wandertag ließ ich mich auch ein – nicht auf die Almprinzen, sondern auf eine Verhandlung mit dem Reiseleiter, der, abweichend von der geplanten Wanderroute, „einen kleinen Abstecher aufs Haunoldköpfl“ vorschlug. Der Abstecher weitete die Wanderung auf 850 Höhenmeter und 15 Streckenkilometer aus. Das wussten wir aber beim Beschluss des Abstechers nicht. Wir folgten nichtsahnend dem Schild „Haunoldköpfl, 1h“.

Der Aufstieg dauerte tatsächlich nur eine Stunde, aber eine Stunde, in der es ausschließlich über Steine und Wurzeln steil bergauf ging.

Weg aus Wurzeln und Steinen

Unerfreulicherweise gibt das Bild nicht ansatzweise das Elend wieder, das wir eine Stunde lang erlebten. Glauben Sie mir also einfach, wenn ich sage, dass es fordernd war.

Als ich auf dem Köpfl ankam, musste ich mich erstmal drei Minuten auf dem Kasten mit dem Gipfelbuch ablegen, sonst wäre ich umgefallen. Zugegebenermaßen entschädigte die Aussicht. Wir hatten einen wunderbaren Blick auf die Dreischusterspitze und die Drei Zinnen, hinab ins Tal nach Innichen. Der Wind umsauste uns, und die Wolken zogen über unsere Köpfe hinweg.

Panorama vom Haunolldkoepfl mit Blick auf die Drei Zinnen

Als ich wieder einigermaßen in Schuss war, platziere ich mich auf einem Stein, zog mir Jacke und Weste über und kramte Brotstangen aus dem Rucksack. Nicht nur, dass sie hier in Südtirol alles mit Käse füllen, sie haben im Supermarkt auch eine Wand aus Grissini zur Auswahl: Grissini aus Mais, Grissini stirati, Grissini mit extra gutem Olivenöl, Grissini in allen Längen und Dicken.

Ich knusperte also Grissini, während ich auf dem Felsen saß und auf die Dolomiten blickte, unter mir das Pustertal.

Vanessa auf einem Felsplateau über dem Tal

Hinunterlaufen ist genauso unangenehm wir hinauf, nur auf andere Art und Weise. Meine Oberschenkel waren jedenfalls butterweich, als wir eineinhalb Stunden später, nach Unmengen verwurzelter Serpentinen, aus einem Geröllfeld herausstiefelten und unten am Berg ankamen. Die Stimmung war zudem angespannt. Denn Grissini sind eine feine Sache, wir hatten aber längst den Moment überschritten, an dem uns trockene Brotstangen weiterhalfen. Wir brauchten etwas Warmes, mit Käse Gefülltes.

Mein Blick schwenkte nach rechts. Da war tatsächlich eine Bushhaltestelle, und aus der Bushaltestellte schauten Beine heraus. „Guten Tag“, sagte ich, „fährt hier etwa ein Bus?“ Ich konnte es nicht glauben. Ja, sagte die Frau, aber erst in einer Viertelstunde. Was für eine hervorragende Nachricht! Ich hätte sie am liebsten umarmt und den Mann, der neben ihr saß, gleich mit. Einträchtig warteten wir auf den Shuttlebus, der uns vier Kilometer Weg einsparte. Es war die schönste Busfahrt seit Langem.

In Innichen fuhren wir mit dem Zug zurück nach Mühlbach. Den Nahverkehr haben sie hier gut organisiert. Und die Bahnhöfe sehen außerdem aus wie aus dem Katalog.


Gelesen | Margret Millar: Die lauschenden Wände, aus dem Amerikanischen von Karin Polz. Ein Buch aus dem Jahr 1959, gefunden im Bücherschrank im Dorf. Ein solider Kriminalroman: Amy Kellog ist verschwunden. Ihr Bruder beauftragt den Privatdetektiv Dodds, um herauszufinden, ob ihr Mann sie ermordet hat. Die Spannung ist überschaubar; dennoch wollte ich wissen, wie es ausgehen. Nette Ferienlektüre.

Kommentare

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  1. Danke für die Grissini, die mir bis eben völlig unbekannt waren. Kann man die eigentlich auch mit Käse?

  2. Daniela sagt:

    sehr treffende söder beschreibung!

  3. „Den Nahverkehr haben sie hier gut organisiert.“ schiebt Südtirol ruckartig nach oben auf meiner Wanderurlaubsliste. (Wenn mich dann die Bahn erstmal hinbringt.)

    1. d sagt:

      Sehr empfehlenswert, vor Ort traumhafte Bedingungen für einen autofreien Urlaub. Man muss nur etwas planen bei der Unterkunftswahl und bei den Tagesetappen. Die Bozencard ist ein Traum für flexibles Vorankommen.

      Wir sind diese Jahr ab München mit dem Flixbus gefahren, das war unerwartet angenehm und sehr günstig.
      Die Bahnfahrt (anderes Jahr) fand ich nicht so komfortabel, es waren uralte Züge und obwohl erste Klasse hatte es was von 80er Jahre bahnfahren. Kein gewohnter angenehmer Fernreisekomfort.

    2. Vanessa sagt:

      Der ÖPNV war bestens. Wir haben die Almencard Plus vom Hotel bekommen. Sie ermöglicht die Nutzung von Regionalzügen und Bussen in ganz Südtirol, außerdem von Bergbahnen in der Umgebung. Zusätzlich hat man freien Eintritt zu einem Museum seiner Wahl.

      Die Züge waren auf den Minutenstrich pünktlich. Die Busverbindungen sind zahlreich und führen in jedes Dorf. Wir haben das Auto nur für zwei Wanderungen genutzt, weil es uns mehr zeitliche Flexibilität ermöglichte (Drei Zinnen & Reiner Höhenweg); beide Wanderungen wären auch mit dem ÖPNV möglich gewesen.

  4. Fujolan sagt:

    habe ausgezeichnete Erfahrungen mit autofrei reisen in Südtirol.
    Von ALmbus zu begeisterten Gastwirten, die einen abholen bis hin zu zuverlässig fahrenden Zügen. Und freie Fahrt mit Gästekarte auch oft

  5. Eva sagt:

    Ich war letzten Herbst autofrei in Südtirol und kann bestätigen, dass es vor Ort wirklich problemlos ist.
    In den ersten Tagen über das Hotel in Bozen die Bozen-Card kostenfrei erhalten, damit freier Eintritt in Museen und freie Nutzung des ÖPNV (Fahrt mit den Regionalbahnen zwischen Brenner und Trient, auch zwischen Bozen und Meran, und außerdem alle Busse plus einige Seilbahnen).
    In der zweiten Woche Ferienwohnung in Lana ohne eine solche Karte, dafür dann ein Wochenticket für den ÖPNV gekauft für unschlagbare 30 Euro (ohne Museen, aber gleiche Leistungen wie die Bozen-Card für den ÖPNV in Südtirol).
    Die Regionalbahnen und Busse fahren in einer guten Taktung und vor allem auch bis in den späten Abend hinein. Bei der Wahl der Unterkunft muss man halt ein wenig aufpassen, der idyllisch gelegene Berghof 400 m über dem Ort ohne Anbindung scheidet dann natürlich leider aus.
    Und ja, die DB muss einen natürlich erst einmal dorthin bringen. Bin nachts in Düsseldorf losgefahren, mit einem Zeitpuffer von 2,5 Stunden für den Umstieg in München. Meine Idee von einem entspannten Frühstück dort war wohl etwas naiv gewesen, letztendlich war ich froh, in der auf 20 Minuten zusammengeschmolzenen Umstiegszeit noch schnell einen Blitzeinkauf beim Bäcker tätigen zu können …
    Trotzdem: Bei der Entfernung immer noch deutlich entspannter (und kostengünstiger) als eine Anreise mit dem Auto.

    1. Vanessa sagt:

      Bei der Wahl der Unterkunft haben wir geschaut, dass ein Bahnhof in der Nähe ist – in diesem Fall Mühlbach/Rio di Pusteria. Das würde ich in jedem Fall empfehlen. Je näher man außerdem zum bevorzugten Wandergebiet ist, desto besser natürlich.

      Geplant war auch eine Anreise mit der Bahn. Aber die Deutsche Bahn hat uns leider sitzen gelassen.

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