Man fährt, wenn man fährt | Das lange Wochenende war ausgesprochen entspannt. Ich fuhr mit der Möwe auf dem Halterner Stausee. Meine Tante war zu Besuch, sie ist 80 Jahre alt, und die Fahrt war eine Möglichkeit, ihr lokale Attraktionen zu bieten. Die Möwe heißt eigentlich Möw-e, weil sie ein Elektroschiff ist. Ein Mordswortspiel.
Ginge es nach den Betreibern, den Stadtwerken, hieße das Schiff eMS Lebensfreude. „eMS“ steht dabei für „Elektromotorschiff“, also elektro-Motorschiff Lebensfreude. Kurz bevor das Schiff zu Wasser gelassen wurde, enthüllten die Stadtwerke den Namen. Entsetztes Schweigen in der Bevölkerung: Ein Name wie ein schwimmendes Seniorenheim. Oder wie ein Männergesangsverein: „eMS Lebensfreude: Der Melodienstrauß ist breit aufgefächert“ – nein, das konnte nicht wahr sein.
Nach einem Moment der Schockstarre geriet der ganze Ort in Aufruhr. Beim Bäcker, beim Friseur, an Marktständen – überall gab es nur ein Thema. Man schickte Brandbriefe an die Stadtwerke und an die Lokalzeitung. Mit Erfolg: Das Schiff heißt nun wieder Möwe, so wie sein Vorgänger aus dem Verbrennerzeitalter. Alles bleibt also, wie es ist, nur in umweltfreundlich.
Die Fahrt mit der Möwe, pardon: Möw-e, ist, nun ja, entschleunigend. Mit der Geschwindigkeit einer Ente schiebt sich das Schiff über den See. Niemand muss sich am Geländer festhalten, niemand muss Angst um seine Frisur haben. Es bleibt ausreichend Zeit, die Sehenswürdigkeiten am Ufer zu betrachten. Diese bestehen im Wesentlichen aus Bäumen. Das Schiff hält bei Jupp am Biergarten, an der Jugendherberge und in der Stadtmühlenbucht, an letzterer sogar eine halbe Stunde. Das Anlegen, das Ein- und Ausladen von Menschen, alles dauert so lange, wie es dauert. Der Ticketkontrolleur, der Snackverkäufer, die reisenden Seniorengruppen: Es ist so, als gebe es die Welt drumherum nicht, als sei man in einem eigenen, eineinhalbstündigen Universum. Alles ist ganz wunderbar. Man fährt, wenn man fährt, man steht, wenn man steht – mehr muss man nicht wissen.
Fortgang Elektroauto | Die Elektrofahrsache nimmt (Achtung, Wortspiel) auch zuhause Fahrt auf. Ich habe eine Wallbox bestellt. Ein Elektrofachbetrieb wird sie installieren.
Kulinarik | Der Garten gibt noch etwas her, Mangold zum Beispiel.
Ich kochte Mangoldpasta: Mangold, Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Pfeffer, abgelöscht mit etwas Sahne. Dazu aufgerauhte Linguine, damit die Soße gut haften bleibt, und Parmesan.
Außerdem buk ich Pflaumenkuchen. Nach der Fahrt mit der Möwe kamen wir in Haltern Downtown beim Früchtejuwelier vorbei, ein türkischer Gemüsehändler mit ambitionierten Preisen, aber auch mit guter Qualität. Ich kaufte eineinhalb Kilo Pflaumen und verarbeitete sie am Feiertag zu Kuchen.
Pflaumenkuchen geht bei mir nur mit Quark-Öl-Teig. Der wird schön fluffig und schlotzig. Alles andere ist mir zu trocken.
Gelesen | Frau Novemberregen schreibt über Strategien zur Berufswahl, die auch den meinen entsprechen:
Ich habe schon alles Mögliche gearbeitet. Im Nachhinein kann ich all diese Jobs zu einer überzeugenden Geschichte zusammenfügen in der alles Sinn ergibt und die gar keinen anderen Schluss zulässt, als dass ich meine jetzige Stelle habe. In Wirklichkeit ist das aber Quatsch, es war eine Aneinanderreihung von Zufällen und genutzten Gelegenheiten ohne jede Strategie. Ich wusste gar nicht, dass es Arbeitsplätze wie meinen jetzigen gibt; meine Eltern, Tanten, Onkel, Großeltern haben nie in einem Büro gearbeitet.
3. Oktober 2023
Ich beobachte bei jungen Menscheneine eine große Sorge, die falsche Entscheidung zu treffen, was die Wahl des Ausbildungsplatzes oder des Studiums angeht. Mitunter mündet diese Sorge in völliger Tatenlosigkeit. Ich kann nur ermutigen, irgendwas anzufangen. Legt einfach los, lasst Euch ein. Es wird sowieso nicht Eurer letzter Job sein, wahrscheinlich nicht einmal Eure letzte Ausbildung, sondern nur die erste von vielen. Einfach starten – der Weg zeigt sich beim Gehen.
Schweine des Tages | Der Dicke, kuschelbedürftig, auf der Suche nach einem Anschmiegeschwein.
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