Reisetag | Ich fahre in die Abruzzen. Von San Pellegrino aus sind das knapp 700 Kilometer, zunächst Richtung Mailand, dann über Bologna Richtung Osten an die Adria, dort die Küste hinunter bis nach Pescara. Die Fahrt ist entspannter, als man sie sich auf einer deutschen Autobahn jemals vorstellen kann. Der Verkehr fließt dahin; alle fahren die gleiche Geschwindigkeit.
An den Raststätten fallen mir drei Dinge auf:
- Es gibt, als Schutz vor der Sonne, überdachte Parkplätze – darauf Photovoltaik.
- Die Anzahl der Ladeplätze für E-Autos ist schon auf der Autobahn ausgeschildert.
- Während auf deutschen Autpbahnen zunächst die Tankstelle und dann die Raststätte kommt, ist es hier umgekehrt: Erst parkt man, besucht die Toilette, isst und trinkt, und beim Wegfahren tankt man. Das erscheint mir deutlich sinnvoller.
Ich höre „Die Diplomatin“, geschrieben von Lucy Fricke, gelesen von Bettina Hoppe. Es ist die Geschichte der Diplomatin Friederike Andermann, die in Montevideo beginnt und nach Istanbul führt, wo Friederike – Fred – an ihrem Beruf zu zweifeln beginnt und eigene Wege geht. Die Lesung von Bettina Hoppe gefällt mir noch besser als das Buch selbst, ein lakonisch-rotziger Lesestil von einer tollen Stimme.
Gegen Abend komme ich in Torrevecchia Teatina an. Hier werde ich zwölf Tage bleiben; auch der Reiseleiter und die Kinder werden kommen. Der Pool ist noch abgedeckt. Wir werden sehen, ob es in den nächsten Tagen warm genug ist. Der Blick aus dem Liegestuhl geht jedenfalls bis hinunter aufs Meer.
Ich räume die Sachen ins Haus und fahre noch rasch in den Supermarkt, Brot und Käse kaufen, Gemüse, Obst, Getränke und ein paar Kekse.
Torrevecchia Teatina | Als ich am Morgen erwache, weiß ich nicht, wo ich bin. Nach den Nächten auf der Schlaf-Empore, eng unterm Dach, ist das Schlafzimmer riesig. Durch die Vorhänge schimmert die Morgensonne.
Es ist warm, viel wärmer als auf dem Berg in Norditalien. Aus der Umgebung klingen betriebsame Geräusche herüber: Klopfen, Brummen, das entfernte Dröhnen von Maschinen. Ich könnte aus dem Schlafzimmer direkt hinunter in den Pool gehen; an einem anderen Tag vielleicht.
Seit mehr als einer Woche bin ich nun unterwegs, und es ist an der Zeit, Wäsche zu waschen. Ich verreise, was die Oberbekleidung angeht, ja nach dem Prinzip 5-5-5: fünf T-Shirts, fünf Hosen oder Kleider/Röcke und fünf andere Dinge, zum Beispiel ein warmer Pullover, die Wanderweste oder die Bluse, die ich Anfang vergangener Woche beim Kunden trug (von dort bin ich direkt in den Urlaub gestartet). Nach acht Tagen braucht’s da mal eine Waschmaschine.
Ich wasche also einmal Dunkelbunt und einmal Hellbunt, genieße den Blick ins Tal und schaue der Wäsche beim Trocknen zu. Die Olivenbäume wiegen sich im Wind. Schmetterlinge fliegen vorbei. Die Nachbarskatze zerlegt knirschend eine Gottesanbeterin.
Ich fahre ans Meer. Der nächste Ort die Straße runter, sechs Kilometer, ist Francavilla al Mare, ein Badeort. Dort: Leere. Der Strand: leer. Die Straßen: leer. Die Parkscheinautomaten: abgeschaltet. Die Geschäfte: geschlossen. Die Rolläden: heruntergelassen. Der ganze Ort ist abgetakelt, bereit für den Winterschlaf. Das Wasser hingegen ist noch warm, wärmer als ein deutsches Freibad im Sommer.
Ein Stück den Strand hinauf fährt ein Mann einen Trecker. Er kämmt den Strand, schiebt Sand zusammen, baggert ihn von links nach rechts, fährt zum Meer.
Zwei Schwimmer entkleiden sich, legen ihre Kleidung auf einen Haufen und steigen ins Meer, erst nur bis zur Hüfte, dann tauchen sie unter.
Schirme stehen da wie Statuen. Der Wind zerzaust sie sanft. Bald werden auch sie eigemottet.
Ich fahre weiter Richtung Ortona. Ich brauche dringend ein Eis.
Wenn man nach Ortona will, fährt man die Landstraße am Meer entlang, durch Badeorte, die ebenso verlassen sind wie Francavilla al Mare, und doch ist einiges los. Supermärkte und Geschäfte säumen die Straße. Zwischen den Orten: Schilf und Bambus.
Ortona ist für zwei Dinge bekannt: In der Kirche San Tommaso liegen die Gebeine des Apostels Thomas. In den Straßen der Stadt fand ein erbitterter Häuserkampf statt – im Dezember 1943, zwischen deutschen Fallschirmjägern und Einheiten der Ersten kanadischen Infanterie-Division. Seither trägt es den Namen „Stalingrad Italiens“.
Ich finde ein Eis und setze mich auf eine Bank an der Promenade. Bänke sind etwas, das die Mittelmeerländer uns voraus haben: Überall sind Bänke, und kaum wird es Abend, sitzen die Menschen dort.
Ein Paar, er und sie, kommt von links. Er schiebt einen Rollator vor sich her, am Griff ihre Handtasche. Sie geht eine Schrittlänge voraus, pafft eine langstielige Zigarette, ihre Schuhe klappern auf den Fliesen. Von der anderen Seite kommen Sohn und Mutter, ganz offensichtlich, sie haben nicht nur denselben gebeugten Gang, dasselbe Gesicht, sie haben auch beide einen Schnurrbart. Ein Mann und ein Kampfhund kommen und gehen wieder. Von rechts ein Mann und eine Frau, sie unterhalten sich auf Deutsch. Er trägt sein Haar wie Guildo Horn, das Polohemd spannt, über die Brust der Riemen einer Herrenhandtasche. Sie ist hübsch, eine Alltagsschönheit, hat die Haare hochgesteckt und wirkt, als sei sie einem Esprit-Katalog entstiegen. Das Eis ist spektakulär gut.
Ich gehe noch etwas durch die Gassen.
Dann fahre ich nach Hause. Die Sonne steht bereits tief.
Gehört | Alles gesagt? mit dem Wissenschaftsdirektor der NASA, Thomas Zurbuchen. Wieder einmal bedaure ich, dass es zwei Männer sind, die in diesem Podcast die Interviews führen. Eine Frau, da bin ich sicher, hätte an einigen Stellen anders gefragt. Sie hätte tiefer nachgefragt, als Zurbuchen sagte, dass er für Frauen, die bei der NASA arbeiten, viel verändert hat. Sie hätte sich genau erklären lassen, wie die Teamarbeit, die Zurbuchen oft anspricht, bei der Nasa tatsächlich funktioniert, welche Strukturen er verändert hat, nach welchen Kriterien Stellen besetzt werden, welche Rolle Diversität spielt. Sie hätte ihn beim Bericht seines Tagesablaufs gefragt, wie er seinen Beruf mit der Familie vereinbare, zumal wenn er, um 20 Uhr nach Hause kommend, erstmal laufen geht. Auf der anderen Seite bin ich sicher, dass die Interviewer all das gefragt hätten, wäre Zurbuchen eine Frau.
Gehört | Die Lage der Nation – mit einem Interview zum Energiemarkt der Zukunft mit Prof. Lion Hirth, Hertie School (ab 01:02:21). Im Grunde nichts Neues, aber sehr empfehlenswert, weil nüchtern und faktenbasiert. Gerne gehört.
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