Sonnenaufgang | Mein Tag begann in Technicolor.
Kraxelei | Heute war der letzte Tag auf La Gomera, morgen reise ich ab. Deshalb ging ich nochmal wandern, eine kleine, stressfrei Tour sollte es sein, nachdem ich ja vorgestern, als ich nur ins Nachbardorf wollte, doch nicht nur ins Nachbardorf ging.
Es ließ sich auch geschmeidig an.
Der Weg machte ein paar Schleifen, steuerte auf eine Schlucht zu und lief zunächst hoch über dem Tal weiter.
Danach ging es bergab. Steil bergab. Im Wanderführer heißt das „felsiger Talschuss“.
Über eine Felsnase stieg ich runter, im Hintergrund das Dorf Imada und die Südspitze La Gomeras.
Ja, richtig: Das geradeaus ist der Weg. Über die Felsen ging es drüber und dann rechts hinab. Dort der weitere Abstieg:
Ich bin mir nicht sicher, ob man es sieht: Es ist steil. Ich bugsierte mich rückwärts, mit Festhalten, über die Felsen. Auch das, was danach kam, war wenig anheimelnd: eine fast ebene Fläche den Berg hinab. Ich erwog, mich einfach auf den Hintern zu setzen und runterzurutschen. Es ging dann aber doch irgendwie aufrecht und seitwärts.
Im Folgenden, das kennen Sie von anderen Wanderungen, sah es dann so aus, links der Weg:
Über Felsen und Schleifen stieg ich ins Tal.
Bei solchen Abstiegen gilt ja die goldene Regel: Nicht an Kakteen festhalten. (Nicht lachen! Passiert total schnell.) Während ich hinabkraxelte, dachte ich: Das ist gleichzeitig eine Weisheit fürs Leben, ein schönes Bild, im übertragenen Sinne.
Das Zauberhafte am Runterlaufen ist, dass es postwendend wieder hinauf geht. Ich erspare Ihnen immergleiche Fotos der folgenden Aufstiegsstunde. Beispielhaft:
Während ich hinaufschnaufte, zogen Wolken das Tal hoch. Jeder Versuch zu eilen schlug allerdings fehl: Schneller hinaufsteigen war nicht drin.
Eine Stunde später verflachte sich der Weg, stieg aber weiter stetig an.
Auf der Hochfläche wuchsen nur Sträucher und Heidekräter und sehr große Disteln. Ich ging an einer einsamen Kate mit einzelnen Terrassenfeldern vorbei. Dort waren riesige Kakteen.
Schließlich erreichte ich Igualero, das höchste Dorf der Insel. Dort war ich schon bei der ersten Wanderung auf den Garajonay.
Am Bushäuschen genehmigte ich mir eine Pause. Ich brauchte ein bisschen Sprit im Tank, aß eine Banane und zwei Kekse, beobachtete Hühner und beäugte den Schädel.
Das letzte Stück auf den Garajonay war identisch mit der ersten Tour. Allzu viele Wege führen eben nicht nach oben.
Nach dreieinhalb Stunden Wandern erreichte ich das Gipfelplateau.
Vor mehr als zwei Wochen stand ich vollständig in Wolken. Diesmal war es wärmer, die Wolken waren deutlich weniger – aber dennoch: Sie waren da. Die Nachbarinseln sah ich nicht.
Es waren einige andere Wanderer dort oben; es schwäbelte vernehmlich. Überhaupt schwäbelt es hier an allen Ecken und Enden. Vielleicht ist es manchmal auch Badisch – was weiß ich als Dortmunderin schon. Im Januar scheint La Gomera jedenfalls eine Rentnerwanderinsel für rüstige baden-württembergische Frühsenioren zu sein.
Beim Abstieg saß ein Turmfalke auf dem Wegweiser.
Das Schild sagte, es seien 3,7 Kilometer bis zu meinem Parkplatz „Pajarito“. In weiten Schleifen sollte der Weg den Berg hinabführen. Gerade das Richtige, um die Beine auszulaufen.
Ich stapfte also frohen Mutes über die Forststraße hinab, oberhalb des Dorfes Igualero. Dort gab es eine tolle Wolkenshow.
Als ich weiterlief, war jedoch plötzlich Schluss: Felssturz! Der halbe Hang war runtergekommen, riesige Felsen überall – kein Durchkommen. Hierher kam ich nicht nach Hause.
Zweihundert Meter vor dem Felssturz hatte ich einen Weg den Berg hinauf gesehen. Vielleicht führte er drumherum? Ich ging hinauf, es sah zunächst gut aus, aber dann endete der Weg in immer dichter werdender Baumheide. Sehr naturnah, besonders für meine nackten Beine.
Ich kehrte um, blätterte im Wanderführer, schaute auf meine Offline-Karten. Es gab keine Alternative: Ich musste zum Garajonay-Sattel zurücklaufen, wieder zwei Kilometer hoch, um dann über die andere Seite steil abzusteigen.
Sonne und Wolken schenkten mir dabei doch noch einen Blick nach Teneriffa.
Rechts unten der Parkplatz.
Infos zur Tour: Rother Wanderführer Nr. 11: Von Pajarito über Imada auf den Garajonay / 10 Kilometer / 650 Höhenmeter
Für mich waren es 14 Kilometer und um die 850 Höhenmeter.
Zurück am Auto war ich feddich wie’n Brötchen. Auf der Heimfahrt ins Eremitenhäuschen musste ich einen Nothalt einlegen und ein Stützeis kaufen.
Letzter Abend | Das Tal gab nochmal alles, um mir den Abschied schwer zu machen.
Kommentare
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Einfach toll!
Danke
vielen dank für’s mitnehmen. ich verabscheue ja das wandern (gehe aber gerne auf stundenlange spaziergänge am meer entlang..fragen sie nicht. vermutlich handelt es sich um ein kindheitstrauma aus klassenfahrten, bei denen wir küstenkinder den harz vollständig erwandern mussten, und dies ohne jede rücksicht auf verluste), aber ich stelle bei den fotos fest, dass ich gerne anderen beim wandern zusehe.
schön war’s. gerne wieder.
Ich hoffe, das Stützeis hat seine Schuldigkeit getan. Das war eine sehr interessante Reise. Vielen Dank fürs Mitnehmen.
Vielen Dank fürs Mitnehmen, das sah alles toll aus!