Freitag | Ein Sommerabend in Oberhausen. Tief stehende Sonne, rote Asche, ein Fußballplatz des Betriebssportskreisverbandes.
Die BSG Dellerheide zu Gast bei der BSG Holzmann. Vor der Umkleide werden Würstchen gegrillt. Zwanzig Minuten vor Anpfiff bauen die Spieler ein Tor auf. Zehn Minuten später das zweite. Niemand läuft sich warm. Warmlaufen steht in keiner guten Tradition. Wer vor Anpfiff läuft, verschießt sein Pulver schon, bevor es losgeht.
Was mir die Kalendergirls waren, ist für C die BSG Dellerheide. Altherrenfußball auf dem Ascheplatz. Sechs Männer auf dem Kleinfeld. Diese Saison: eine verlorene Meisterschaft. Am Freitagabend: die letzte Chance auf einen Titel – das Pokalfinale.
Um 19:45 Uhr Anpfiff.
Es staubt. Die Sonne steht tief. Hier wird noch volle Möhre gegen den Ball getreten; kein Streicheln, kein Lupfen, kein Schnibbeln. Es wird gebolzt, was das Hüftgelenk hergibt.
Zur Halbzeit steht es 3:0 für Dellerheide. Die gegnerischen Fans murmeln etwas von „einfach nur Bewegung tut auch gut“. Zum Abpfiff steht es 9:0. Pokalsieg.
Was hängen bleibt, ist Fußballweisheit: „Du kannz nich‘ da spielen, wo andere stehen. Aber wenn’de da bis‘, wo keiner is‘, is‘ da auch keiner.“
Der junge Andi Möller hätte es nicht schöner formuliert.
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Samstag | Lesungstag! Vormittags lege ich letzte Hand an die Texte und lese Probe. Am Nachmittag holen Moderatorin Steffi und ich Herrn Buddenbohm vom Bahnhof ab.
Die Sache wird durch den Umstand erschwert, dass Dortmund am Wochenende ein Pokémon-Hotspot ist. 100.000 Gäste sind in der Stadt. Überall laufen Menschen mit Smartphones herum, also: noch mehr Menschen mit noch mehr Smartphones, außerdem mit Rucksäcken, an denen Plüschfiguren baumeln. Zeugnisse des Wahnsinns finden sich auch in der Bahnhofshalle, Anonymisierung von mir.
Maximilian hat nur ein Hotelzimmer jottwehdeh gefunden, kurz vor Castrop-Rauxel, in einem Stadtteil namens Bövinghausen. Der war mir vorher noch nicht untergekommen; man lernt nie aus.
Im Gegensatz zu Hamburg ist es warm in Dortmund. Es hat 25 Grad – das sind locker 15 Grad weniger als eine Woche zuvor, als ich auf weichem Asphalt in Frankfurt stand. Aber es ist deutlich wärmer als in Hamburg, wo er losfuhr.
Wir fahren zur Stehbierhalle für örtliche Folklore, für eine Apfelschorle und ein Alkoholfreies.
Danach siedeln wir zum Lesungsort um, bauen auf, warten und posieren für dokumentarische Zwecke.
Es kommen allerlei Leute aus dem Internet. Das ist sehr wundervoll.
Ich habe mich jeden einzelnen gefreut, deshalb sollte ich niemanden hervorheben; aufgrund seiner zurückgelegten Entfernung tue ich es dennoch: Die Anwesenheit von Herrn Giardino (Twitter) hat mein Herz besonders berührt.
Bei Joriste kann man ein bisschen was über die Lesung lesen. Gegen 22 Uhr wurden wir Zwei als Letzte aus der Halle gefegt. Das war super.
Fotos gibt’s beim Dortmunder Ladies‘ Circle auf Facebook.
Ein dickes Dankeschön nochmal an Maximilian, der extra aus Hamburg angereist ist – und an Moderatorin Stefanie Opitz, die gewohnt souverän durch den Abend führte.
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Sonntag | Den Sonntag verbringe ich inhäusig. Ich putze.
Vor einigen Wochen hat mich bedauerlicherweise meine Hausfee verlassen. Sie war die Erste ihrer Branche, die über eineinhalb Jahre hinweg konstant super war. Diese Qualität haben auch andere Menschen bemerkt, Menschen außerhalb der Branche; sie haben sie fest angestellt, in der Gastronomie. Deshalb putzt sie nicht mehr. Jetzt geht die Suche wieder von vorne los.
Bis ich jemanden Neues habe, muss ich selbst ran, habe allerdings wenig Zeit dazu. Deshalb fällt die Tätigkeit im Alltag ausgesprochen oberflächlich aus – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich einen totalen Putzwahn bekomme, weil der sich sammelnde Mikrodreck zu äußerst unangenehmem Makrodreck geworden ist und Dinge plötzlich fies werden.
Zudem habe ich vor einigen Tagen den Fehler gemacht und auf den Küchenschrank gefasst. Ich erinnere nicht mehr, warum ich dort oben herumtastete; jedenfalls fühlte es sich nach einer zweiten Welt an. Einer klebrige Welt. In den vergangenen Tagen musste ich viel an diese Welt denken; es ließ mir keine Ruhe.
Ich steige also auf eine Leiter, um die Welt genauer zu betrachten, und sehe, dass die Klebrigkeit auch Vorteile hat: Nicht nur ich, sondern auch Fruchtfliegen bleiben auf meinen Schränken haften; meine Küche ist eine riesige Fruchtfliegenfalle. Das ist nicht schlecht – unterm Strich aber kein Argument, um die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Also sauge und wische, räume und feudele ich, steige auf die Leiter und schrubbe alle Küchenschränke von oben – und wenn ich schonmal dabei bin, auch die Vitrinen im Wohnzimmer, und wenn ich schonmal im Wohnzimmer bin, sortierte ich dort Bücher aus, viele Bücher. Danach ordne ich den Rest des Regalbestands um; der steht nämlich plötzlich uninspiriert und unkoordiniert auf den Brettern. Als ich dann sehe, dass auch der Kleiderschrank eingestaubt ist – von innen -, sortiere ich Kleidung aus. So kommt eins zum Anderen, ich rödele sechs Stunden lang.
Anschließend ist Abend, ich setze mich aufs Sofa, baue einen Lego-Roboter auseinander, damit die Bonusjungs ihn wieder zusammenbauen können, sortiere Unterlagen, hefte sie ab, falte Wäsche und gehe ins Bett.
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Montag | Noch in der Welle des gestrigen Aktionismus arbeite ich heute zwölf Punkte meiner nie leer werdenden To-Do-Liste ab:
- Ich schreibe ein Angebot für eine sehr schöne Aufgabe.
- Ich erstelle die Fotodokumentation des Storytelling-Seminars.
- Ich trage mich als Veranstalterin mit einem Vortrag bei der #diwodo, der Digitalen Woche Dortmund, ein.
- Ich hake bei einem Kunden zu einem offenen Angebot nach.
- Ich erledige meine Umsatzsteuervoranmeldung fürs zweite Quartal.
- Ich frage einen Termin bei einer Finanzberatung für Frauen an – zwecks Beratung zur Altersvorsorge für Selbstständige.
- Ich telefoniere mit einer ehemaligen Studentin, die meinen Rat sucht.
- Ich fahre ins Fitnessstudio und turne.
- Ich bringe die aussortierte Kleidung zur Caritas-Sammelstelle in den Norden der Stadt – nicht Bövinghausen, aber genauso jottwehde.
- Ich mähe Rasen.
- Ich repariere die Jalousie an der Terassentür.
- Ich buche eine Unterkunft für einen Besuch bei Freunden. Alleine passte ich dort bislang immer aufs Gästebett; jetzt bin ich zu Viert, da geht das nicht mehr.
Letztens habe ich darüber nachgedacht, wie Menschen es schaffen, Netflix und Serien und all dieses Zeug, Tanz- und Gesangswettbewerbe und so weiter, im Fernsehen zu schauen. Ich kann es mir nicht erkären. Und ich habe noch nicht einmal Kinder.
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Kommentare
6 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓
Sehr schön war die Lesung! Und natürlich auch das leckere Buffet. Ich hoffe auf eine Wiederholung im nächsten Jahr.
Du hast Dich nicht geoutet, oder?!
Nein, hab ich nicht… Die Freundin von Nr. 117 ;-) Die dann auch eine deiner ehemaligen Kolleginnen kannte.
Ach ssooooooo!
Ich empfehle Herrn Buddenbohm, beim nächsten Besuch direkt ein Hotel in Castrop-Rauxel zu buchen. Vom Hauptbahnhof aus (jawohl, wir haben ein Bahnhof UND einen Hauptbahnhof) ist man in 10 Minuten am Dortmunder Hauptbahnhof. Da können manche Dortmunder Stadtteile nicht mithalten..Und falls er sich am Rauxeler Bahnhof auch länger aufhalten möchte, kann er das entzückende neue Café aufsuchen.
Sehr schade, dass ich die Lesung verpasst habe, war terminlich leider nicht möglich.. seufz
Gut zu wissen – auch für anderweitige Besuchsgäste.