#rp19 | Zweiter Tag auf der re:publica.
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Digitaler Norden | Die erste Session, die ich mir anschaute, war der Talk von Alex Huber, Managing Director bei TUI Nordic. Er erklärte, was Skandinavier in Sachen Arbeit anders machen.
Digitale Technik sei sehr viel weiter vebreitet – was unter anderem den großen Distanzen und der geringen Bevölkerungsdichte in vielen Landstrichen geschuldet ist. Digitales Bezahlen, Konsultation von Ärzten, Steuererklärung – vieles, was in Deutschland noch nicht online funktioniert, läuft in Skandinavien bereits. Es wird auch gut angenommen, weil es den Leuten das Leben erleichtert.
Für Alex Huber hat Digitalisierung drei Konsequenzen für Unternehmen:
- Sie müssen mehr denn je einen Mehrwert für ihre Kunden ausliefern.
- Intelligente Datennutzung und Automatisierung erhöhen Umsatz und Gewinn.
- Unternehmen müssen ihre Art zu arbeiten verbessern und auch einen Mehrwert für ihre Arbeitnehmer bieten.
TUI Nordic hat Transparenz für seine Angestellten geschaffen und ein Café eingerichtet, in dem nun öffentlich Meetings stattfinden. Es fördert den Zusammenhalt in der Belegschaft mit „Working out loud“-Methodik. Das Unternehmen unterstützt verschiedene Formen des Lernens – unter anderem, indem es 40 Stunden Unterricht bezahlt, egal in was. Es gehe, so Alex Huber, vor allem darum, dass Leute sich fortwährend weiterentwickeln – in was, sei zweitrangig.
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Landleben und Start ups | In einer Diskussion sprachen der Bürgermeister von Tangerhütte (Sachsen-Anhalt, 10.000 Einwohner), die Gründerin des coconat in Bad Belzig und ein Vertreter des Bundemsinisteriums für Ernährung und Landwirtschaft miteinander. Es ging um die Attraktivität ländlicher Regionen – und wie man Leute aufs Land ziehen kann.
„Es macht keinen Sinn, dass es in Berlin Wohnungsnot gibt, und in der Altmark habe ich 30 Prozent Leerstand“, sagte Bürgermeister Andreas Brohm. Zwar wanderten die Leute nicht in die Städte ab, dennoch nehme die Bevölkerung ab. „Die Leute sterben einfach, und es werden keine neuen geboren.“
Konkrete Lösungen gab es in der Diskussion nicht – nur die Übereinkunft aller Beteligten, dass es neben Fördergeldern und Infrastrukturmaßnahmen, zum Beispiel in den Internetausbau, vor allem Eigeninitiative brauche. Fazit: Es ist kompliziert.
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Landleben und Medien | In einer anderen Session ging es um Medien, insbesondere Tageszeitungen, in ländlichen Regionen. Die Versorgung mit Lokaljournalismus nimmt ab; eine US-amerikanische Untersuchung hat gezeigt, dass Menschen, die in Regionen ohne Lokaljournalismus leben, seltener zur Wahl gehen, sich weniger im Ort engagieren und dass sie, wenn sie wählen, extremer wählen (Website: US News Deserts).
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Digitaler Norden als Schule in Berlin | In meiner letzten Sessions des Tages erzählte Jacob Chammon, Schulleiter der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule Berlin, von seinem Schulkonzept. Die Schule arbeitet nach dem Montessori-Prinzip; Chammon selbst ist Däne; die Schule lehnt sich an dänischen Konzepten an.
In der Schule gibt es einen Maker Space, in der die Kinder sich künstlerisch und handwerklich ausprobieren können. Die Schule hat Laptops, interaktive Tafeln, überall WLAN, nutzt Tablets, arbeitet mit Lego WeDo, hat Office 365 für alle und bindet die Geräte der Kinder in den Unterricht ein. Die Bibliothek ist umbenannt in „Lernzentrum“ und nicht mehr nut ein Ort für Bücher, sondern für Recherche.
Es gibt klare Handyregeln an der Schule: Die Klassen 1 bis 3 nutzen keine Handys. In den Klassen 4 bis 6 werden die Handys während des Unterrichts im „Handyhotel“ geparkt, so dass die Kinder sie holen können, wenn sie sie benötigen. Ab der Klasse 7 darf jedes Kind sein Handy mit sich führen und nutzen.
Bei der Prüfung zum mittleren Schulabschluss sind digitale Know-hows und Mediennutzung Pflicht – entweder durch eine Präsentation, Datensammlung, -auswertung und -bearbeitung oder die Arbeit mit Bildmaterial.
Die Lehrerinnen und Lehrer werden übrigens nicht allein gelassen mit der digitalen Bildung: An der Schule gibt es einen IT-Verantwortlichen, der sie auch im Unterricht und bei der Entwicklung von Konzepten unterstützt. Zudem kommen Coaches von außen.
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Weitere Sessions | Zwischendurch erfuhr ich auch etwas über Digitalisierung beim Deutschen Roten Kreuz und hörte etwas über den Geist des digitalen Kapitalismus.
Weg nach Hause ins Hotel:
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AgiLeipzig | Ich habe mich fürs Agile Barcamp in Leipzig angemeldet, das in diesem Jahr im September stattfindet – am 14. und 15. September, ein Samstag und ein Sonntag. Ich kann einen Besuch nur empfehlen: schöne Stadt und ein super Barcamp rund um neue Arbeitsformen, um Agilität, Lean, Produktentwicklung und gute Führung (Erfahrungsbericht aus 2018).
Letztens schrieb ich auf meiner Jobwebsite über agile Arbeitsformen und meine Erfahrungen damit: Meine fünf Standpunkte.
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Gelesen | Die Washington Post schreibt über Deutschland und Geflüchtete – und dass viele von ihnen inzwischen in Arbeit sind und eine Lehre machen: Angela Merkel welcomed refugees to Germany. They’re starting to help the economy.
Gelesen | Patricia regt sich über den Edeka-Werbespot auf.
Gelesen und angesehen | Was, wenn ein Mädchen im Holocaust Instagram gehabt hätte? Der israelische Geschäftsmann Mati Kochavi ist Urheber des Profils, hat das Tagebuch der 13-jährigen Ungarin Eva Zsolt verfilmt und erzählt ihre Geschichte in Insta-Stories. Grundlage ist das Buch „Das rote Fahrrad“, Autorin ist Evas Mutter Agnes, die den Holocaust überlebte.
Kommentare
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Ich dachte gerade ich lese nicht richtig als ich Tangerhütte (TaHü wie wir Einheimischen sagen :) ) las- dass der Bürgermeister sich auf der republica „rumtreibt“ ,hätte ich nicht erwartet.
Zum Thema Provinz empfehle ich aktuell (mal wieder) die aktuelle Brand1 mit dem Slogan : „Hier ist noch Platz-Thema Provinz“. Spannend !
Danke für die erneut vielen interessanten links. I like!
Zum Werbespot von Edeka hatte ich ebenfalls angeekelte Empfindungen. Der Blogbeitrag bei „Das Nuf“ hat mir geholfen, das vernünftig in Worte zu kriegen (die fehlten mir – MIR!). Jetzt habe ich einen Schriftwechsel begonnen mit denen.
In mir grollt es immer noch, jetzt bin ich richtig in Form. Mal sehen, wohin das führt.
Aus dem Antwortschreiben: „Mit unserem Online Film „Wir sagen Danke“ möchten wir Väter keinesfalls schlecht darstellen oder sogar diskriminieren, sondern wollen filmisch etwas überspitzt und auf abstrakte Art (Schwarz-Weiß) sowie auf humorvolle Art und Weise allen Müttern anlässlich des Muttertags Danke sagen.“
Danke, das ist sehr gründlich daneben gegangen.