Heute ein Tag im Homeoffice, keine besonderen Vorkommnisse. Ich habe ein Kundenprojekt vorbereitet, das mich in den kommenden eineinhalb Wochen beschäftigen wird.
Außerdem habe ich Kram erledigt. In der Selbstständigkeit ist immer irgendwie Kram zu erledigen, Buchhaltung und Belege und Korrespondenz, Newsletter vorbereiten, Website aktualisieren, Angeboten hinterherjagen, neue Visitenkarten nachbestellen, Weihnachtskarte mit der Grafikerin abstimmen, sowas. Einzeln für sich genommen sind das Tätigkeiten, die weder besonders aufregend noch besonders aufwändig sind. In Summe ergibt sich dann aber doch ein gewisses Arbeitsvolumen. So gehen Tage dann um.
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Am 26. März 2019 bin ich zu Gast beim Gründer- und Unternehmertreff in Herdecke. Danke für die Einladung!
Thema wird sein: „Mut zur Veränderung“. Ich werde eine Session halten; das Ganze wird ohne Beamer und Gedöns auskommen.
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Die Lindenstraße wird eingestellt. Ich bin bekennender Lindenstraßen-Fan und deshalb aus persönlichen Motiven äußerst betroffen. Ich finde die Entscheidung allerdings auch aus anderen Gründen bedauerlich, denn ich halte die Lindenstraße für eines der innovativsten Formate der Fernsehlandschaft.
Menschen, die vor ihrem inneren Auge gerade nur die musizierende Beimer-Familie in ihrem rustikalen Eiche-Wohnzimmer sehen, sind vielleicht irritiert. Deshalb möchte ich erläutern, warum ich das so sehe.
Die Lindenstraße ist ein Ort mittelmäßiger Schauspielkunst, und auch die Figuren sind eher holzschnittartig. Nichtsdestotrotz thematisiert die Sendung Fragen unserer Zeit und verpackt gesellschaftliche Themen in gefällige, aber dennoch kontroverse Geschichten. Sie lässt dabei Raum für Interpretation und zeigt trotzdem Haltung. Die Lindenstraße macht das, was ureigener Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender ist: Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung anbieten und einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und somit zur öffentlichen Meinungsbildung leisten.
Beispiele sind die Geschichte um Jamal und die Familie Bakkoush, die die Flüchtlingsdebatte repräsentieren, oder Leben und Tod von Hans Beimer, der für Ehebruch, Patchwork-Familie und therapeutischen Drogenkonsum herhalten musste und der selbst nach seinem Tod noch ein Thema abschöpft, nämlich „Umgang mit Trauer“. Die Geschichte rund um den Koch Roland Landmann zeigt gerade auf, wo Rassismus und Rechtsnationalität beginnen und wie die Argumentationen Rechter funktionieren. Es gibt Figuren mit Behinderung, mit Migrationshintergrund, mit Transidentität, Figuren jeglichen Alters und jeglichen Ausbildungsstandes, schwule und lesbische Menschen – und wenn die Figur erst einmal eingeführt ist, nimmt sie unabhängig von diesen Merkmalen an der Handlung teil.
Darüber hinaus macht die Lindenstraße hervorragende crossmediale Arbeit. Es gibt eine breite Online-Community auf Facebook, Twitter und Instagram, Geschichten werden über verschiedene Kanäle erzählt, Inhalte werden angeteasert, diskutiert und entwickelt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler setzen die Arbeit der Redaktion fort.
Die Lindenstraße hat außerdem immer schon Format-Experimente gemacht; die Folge zum 30. Geburtstag wurde live gesendet und man konnte das Making of in Echtzeit verfolgen.
Ich halte die Entscheidung, die Lindenstraße einzustellen, deshalb für falsch. Für das deutsche Fernsehen wäre es gut, solche Formate laufen zu lassen und zu fördern, denn die Sender könnten eine Menge daraus lernen. Thomas Knüwer sieht das genauso.
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Gelesen: „Verletzlichkeit ist der Schlüssel zu allem“ – Interview mit der Sozialforscherin Brené Brown. Sie beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Scham und Verletzlichkeit und dem gesellschaftlichem Umgang damit – auch im beruflichen Kontext.
Mittlerweile stelle ich Führungskräften nur noch eine Frage: Erzählen Sie mir von einer mutigen Handlung oder Entscheidung, die Sie miterlebt oder initiiert haben, die nicht ein hohes Maß an Risiko, Unsicherheit und emotionaler Bloßstellung mit sich führte. Gibt es nicht. Es gibt keinen Mut ohne Verletzlichkeit. Jede Firma auf der ganzen Welt verlangt nach mutiger Führung und klugen Risiken, um Innovation, Kreativität und Vertrauen zu ermöglichen. All diese Dinge basieren auf Verletzlichkeit.
Mut beginnt immer damit, sich zu überwinden, und sich zu überwinden, besteht immer daraus, sich zu entblößen – vor anderen, vor sich selbst, mit Handlungen, die innere oder äußere Grenzen überwinden.
Ich habe die Erfahrung gemacht: Jeder braucht einen Menschen, der an ihn glaubt. Wer jemanden hat, und wenn es nur ein einziger Mensch ist, der sagt: „Ich weiß, du schaffst das“, der kann es hinkriegen. Wenn dieser eine Mensch fehlt, fehlt uns im Leben die Möglichkeit, der zu werden, der wir sind.
Erfolgreiche, innovative Unternehmensbosse haben drei Dinge gemeinsam: Sie erkennen und verstehen ihre eigenen Gefühle, zweitens die ihrer Angestellten, und sie sind drittens bereit, schwierige Gespräche über schwierige Themen zu führen. Etwa wenn man gemeinsam überlegt, warum ein Termin nicht eingehalten werden konnte oder warum die Kosten aus dem Ufer gelaufen sind. Wer seine Mitarbeiter misshandelt, kein Vertrauen aufbaut und nicht darüber redet, was menschlich ist, drängt Arbeitnehmer in zwei Positionen: Kampf oder Resignation. Die Produktivität geht flöten. Wir wollen den ganzen Menschen an den Arbeitsplatz zurückholen.
An dieser Aussage finde ich zwei Sachen wichtig: Ich muss meine eigenen Gefühle verstehen, um die Gefühle anderer zu verstehen. Wenn ich mich Gefühlen stellen kann, kann ich auch schwierige Herausforderungen lösen.
Gut zu arbeiten und gut zu führen, ohne Emotionen zu berücksichtigen, funktioniert meiner Ansicht nach nicht. Wir sind Menschen, weil wir wütend und traurig werden, weil wir uns freuen, weil wir Gemeinschaft und Bestätigung wünschen, weil wir Wertschätzung wollen, weil wir uns um Dinge herumwinden, weil uns Mut fehlt, weil wir Mut haben, weil wir Angst haben, weil wir bequem sind, weil wir Herausforderungen wollen, weil wir Halt und Orientierung brauchen, weil wir uns eine Perspektive wünschen. Wir wollen vertrauen, und wenn wir vertrauen, uns selbst und anderen, sind wir erfolgreich.
Gefühle sind für sich genommen niemals falsch, auch negative Gefühle nicht. Neid ist beispielsweise ein unschönes Gefühl und giftig für die Atmosphäre, aber er ist da, und es ist wichtig, das Gefühl erstmal anzuerkennen. Gleichzeitig haben die Zuschreibungen, die mit dem Gefühl verbunden sind, unterschiedliche Gründe und Perspektiven.
In Zusammenhang mit dem Thema „Gefühle“ und „Führung“ bin ich übrigens der Meinung, dass introvertierte Menschen gute Führungspersönlichkeiten sind. Es fällt ihnen leichter, Vertrauen aufzubauen und zu pflegen, weil sie ständig mit ihrer eigenen Schwäche und den eigenen Gefühlen dazu konfrontiert sind. Zudem können sie sich oftmals schlecht verstellen und sind daher authentisch; viele haben einen feinen Sinn für Stimmungen. Introvertierte Führungspersömlichkeiten brauchen allerdings eine Umgebung, die jenseits von Produktivität und Formalismus Raum für den Menschen lässt.
Entweder die Unternehmen finden einen Weg, die Arbeit wieder zu vermenschlichen, oder sie werden keinen Erfolg haben.
Übrigens entspricht auch das hier meiner Erfahrung:
Wenn man glaubt, bei jemandem gar keine Scham entdecken zu können und er sich vordergründig so benimmt, als ob er sich für den Größten hält, dann handelt es sich oft um jemanden, der sich ganz klein findet und von Scham getrieben wird.
Gelesen: Außerdem habe ich die vergangenen Tage beim Buddenbohm nachgelesen. Die kann ich jetzt nicht alle verlinken, auch wenn ich es müsste, denn ich habe mich bei jedem Beitrag gut unterhalten gefühlt. Zum Beispiel, als es um gewaltfreie Sprache ging, die aggressiv macht, oder um Liebe in und zu Büchern. Auch ich finde, dass Liebe das Hauptsujet von Büchern sein sollte. Es darf allerdings nicht zu platt sein, die Sprache muss stimmen; ich bin da ganz bei Maximilian.
Angeguckt: Kurzer Beitrag über die Fußballschiedsrichterin Selina Menzel. Beeindruckende Körpersprache.
Gelesen: Frau Novemberregen im Dialog mit ihrem Vater. Ich habe in meiner Küche gesessen und laut gelacht.
Kommentare
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Puh, beim Zitat mit „Erfolgreiche, innovative Unternehmensbosse“ musste ich dann doch ein wenig schnaufen. Mir fallen eine ganz Reihe solcher Bosse ein, die ganz anders waren und sind, Ferdinand Piëch als allererster (der fällt mir zugegebenermaßen bei praktisch allen angeblichen Erfolgsfaktoren für Unternehmensbossigkeiten als Gegenbeispiel ein).
Ist es vielleicht eher so, dass Brown sich wünscht, dieser Unternehmertypus (der sicher auch existiert) wäre das Erfolgsmodell?
Ist es vielleicht auch so, dass die Ansprüche an Führung sich ändern? Die Art zu handeln und zu kommunizieren wird demokratischer. Komplexität und Geschwindigkeit von Veränderung nimmt zu.
Piëch hat Produktion umstrukturiert und rationalisiert, also Bestehendes optimiert. Er hat das Unternehmen erweitert und neue Geschäftsbereiche gegründet. Das ist klassisches Management.
Ich denke, wir brauchen weiterhin Rationalisten, die Geschäftsbereiche sachlich betrachten, aber auch mehr menschliche Führung. Wir automatisieren und digitalisieren immer mehr Standardaufgaben. Was übrig bleibt, sind komplexere Tätigkeiten oder Tätigkeiten, die Kreativität, soziales Handeln oder eine soziale Dienstleistung erfordern. Das lässt sich nicht managen, das lässt sich nur führen.
Ich erlebe in meiner Praxis immer wieder Unternehmen, die Personalfluktuation haben. Natürlich gibt es bei einzelnen Kündigungen Gründe, die in der Person und nicht im Unternehmen liegen. Bei hoher Fluktuation, wenn Leute immer nur zwei oder drei Jahre bleiben, ist es eine Frage von Führungs- und Unternehmenskultur. Leute, die gut ausgebildet sind und Interesse an Entwicklung haben, arbeiten dort, wo sie Perspektiven haben und Wertschätzung erfahren.