Heute Morgen erstmals seit Wochen wieder vom Wecker geweckt worden.
Im Urlaub war ich irgendwann so erholt, dass ich täglich unaufgefordert um 6.30 Uhr erwachte. Das fühlte sich nicht nur extrem ungewohnt an, das war geradezu beängstigend und warf die Frage auf, ob etwas mit mir nicht stimmt. Die Folgen eines gestörten Schlaf-Wach-Rhythmusses und ungenügender Nachtruhe sind ja weithin bekannt: instabiler Melatonin-Haushalt, dadurch Dämpfung der antioxidativen Wirkung des Hormons, folgerichtig die Zunahme freier Radikaler im Blutkreislauf, Siechtum, Tod. Ich war besorgt.
Zugleich gab mir das frühe Erwachen das Gefühl von Tatkraft. Bereits um 11 Uhr hatte ich große Teile meiner Pläne erledigt, hatte Notwendiges gearbeitet, war zum Ausflug aufgebrochen, hatte das Ziel erreicht, erste Plätze erkundet und Neues gelernt. Unvergessen der Karsamstag nach meiner Rückkehr, an dem ich bereits um 10 Uhr das Auto gewaschen und ausgesaugt, Pfand weggebracht, Lebensmittel eingekauft und ein Ostergeschenk erworben hatte; zudem war ich im Fahrradgeschäft gewesen und saß schon wieder ermattet am Frühstückstisch.
Solch eine Effizienz hinterlässt nicht nur Freude. Sie schafft auch Leere: Was tun, wenn alles erledigt ist? Plötzlich ploppen Sinnfragen auf, die großen Fragen des Seins und der Liebe. Da lobe ich mir späteres Erwachen mit einer Aufgabenerledigung bis in den Abend hinein.
Nun verschiebt sich also meine ungewohnte Lerchenwelt wieder ins gewohnte Eulensein. Das ist einerseits bedauerlich, andererseits beruhigend.
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Arbeitsschwerpunkt heute: Seminarvorbereitung. Thema: Überschriften texten. Es ist ja weniger einer Frage der fachlichen Inhalte als eine Frage der Methodik, sechs Stunden Texttraining abwechslungsreich zu gestalten.
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Fitnessstudio, Wellnessbereich. Eine Dame betritt die Sauna.
Sie: Ist es warm hier?
Ich: …
Sie: Schon ziemlich warm hier.
Ich: Ist ’ne Sauna, ne.
Sie: Ja.
Ich: Ja.
Sie: Aber ein bisschen bleiben kann ich.
Ich: …
Sie: breitet Handtuch aus und legt sich hin
Sie: Manchmal ist es wirklich sehr warm.
Ich: …
Sie: Wärmer als sonst, meine ich. Aber heute nicht.
Ich: Nein.
Sie: Nein.
Ich: schließe wieder die Augen
Sie: Es ist doch ziemlich warm.
Ich: …
Sie: Ich gehe mal lieber.
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Gelesen: Der schmale Bereich des Beschreibbaren – Buddenbohm Senior sinniert über Bloggenswertes und Bloggensunmögliches. Es kommt eine Wasserleiche vor. Ich möchte ergänzen, dass ich noch keine Wasserleiche gefunden habe, dass ich aber alles für beschreibbar halte, das Gute wie das Skurrile und das Schmerzhafte und das Grausame – vorausgesetzt, man hat die Muße dazu. Das allerdings ist die Herausforderung des Alltags: ausreichend Langeweile zu haben, um das Besondere im Kleinen zu formulieren, um den Bruch im Klischee zu finden und um Worte zu suchen für das Unsagbare.
Die erste halbe Stunde gesehen: Mord in Freiburg – der Fall Hussein K. – über die Ermittlungen und das Medienecho zum Mord an Maria L. aus Freiburg. Diese akribische Kriminaltechnik ist beeindruckend: Die Ermittler haben ein ganzes Gebüsch abgeholzt, sich mehrere Wochen lang jedes Blatt und jeden Zweig unter dem Mikroskop angeschaut und ein (!) Haar gefunden. An der Haarwurzel konnten sie DNA sichern und sie mit der Täter-DNA abgleichen, die am Opfer war. Die DNA stimmte überein: Das gefundene Haar gehörte dem Täter. Es war schwarz, schulterlang und in Teilen blondiert. Danach haben die Ermittler mehrere Wochen lang alle Videos des ÖPNV angeschaut und einen Mann mit schulterlanger, teilblondierter Frisur gesucht – und ihn gefunden. Sie gaben sein Foto in die Fahndung. Eine Streife hat ihn dann in einem Vorort erkannt und kontrolliert. DNA-Abgleich, Haftbefehl. Irre.
Angeschaut: Diversity and Inclusion at The New York Times. Die New York Times hat ihre Belegschaft untersucht, um festzustellen, wie divers und gleichberechtigt sie ist. Das wäre auch ein schönes Projekt für unsere deutschen Medienhäuser. Ich habe ja eine Ahnung, wie es ausgeht.
Kommentare
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„Solch eine Effizienz hinterlässt nicht nur Freude. Sie schafft auch Leere: Was tun, wenn alles erledigt ist? Plötzlich ploppen Sinnfragen auf, die großen Fragen des Seins und der Liebe. Da lobe ich mir späteres Erwachen mit einer Aufgabenerledigung bis in den Abend hinein.“ – Perfekt!!!
Zum Thema „Diversität“ – bei uns auf der Arbeit ist alles voller Nerds. Alle weiß, männlich, zwischen 30 und 50 und es gibt sogar diverse doppelte Vornamen (bei einer Teamgröße von 12). Wir nehmehn das mit der Redundanz sehr ernst – Ist allerdings auch ein sehr, sehr technischer Bereich und zudem sind wir schon froh, wenn es aktuell _überhaupt_ taugliche Bewerbungen gibt, ganz egal wie wenig divers die Leute sind. Mehr Perspektiven wären vermutlich spannender.
Viele Grüße,
der Ponder
Wären sie wahrscheinlich, und leider ist es eine sich bestärkende Entwicklung: Ein wenig diverses Umfeld schreckt die Minderheit ab. Die Mehrheit erschafft außerdem ihre eigene Kultur, die die Minderheit bewusst oder unbewusst auch weiterhin das Gefühl gibt, nicht die Norm zu sein. Ist sowohl mein Eindruck von männlich als auch von weiblich dominierten Feldern.