Kleine Verzögerungen im Betriebsablauf, was das Heimwegbloggen angeht. Ich war beschäftigt mit Raclette und Schweizer Pralinés und guten Gesprächen.
Außerdem ist die Europäische Union bei der Standardisierung von Steckdosen und Steckern hinterher. In Italien hatte ich das im Griff. Für die Schweiz war ich nicht vorbereitet. Wer kann denn ahnen, dass der deutsche Stecker nicht in die Schweizer Steckdose passt, der italienische Adapter aber auch nicht. Das Macbook durfte einen Tag schlafen.
Derweil hatte ich gestern ein Déjà vu:
Ganz zum Schluss geht nochmal alles auf Anfang. Aber von vorn.
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Montag
Am Montag bin ich am Lago d’Iseo aufgebrochen, das Auto voller Kram. Die ganze Karre roch allerdings nur nach Gregor, dem unerschrockenen Reiseschnittlauch. Völlig benebelt vom Schnittlauchdurft umkurvte ich Mailand.
Bevor ich durch den Gotthardtunnel fuhr, war das Wetter fantastisch: Sonne, 15 Grad, wunderbares Frühlingswetter. Dann fuhr ich in den Tunnel, starrte eine Viertelstunde lang in die Röhre, Tempomat auf 80, und sechszehn Kilometer später, auf der Nordseite des Gotthard: 4,5 Grad, Nebel und Nieselregen. Ich empfand heftige Spontanschwermut.
Auf dem Weg zu meinem Ziel in Langenthal hielt ich kurz in Luzern – ein wenig Mittagspause machen und mir die Beine vertreten.
Ich bin im ganzen vergangenen Jahr nicht so vielen Asiaten begegnet wie an diesem Tag in Luzern. Die ganze Stadt war voll von asiatischen Touristen, die genau das taten, was das Klischee von asiatischen Touristengruppen erwartet: Sie liefen unaufgespannten Schirmen hinterher, posierten neben Uhren, trugen Mundschutz, entstiegen Bussen und entschuldigen sich achtmal, wenn ich sie anrempelte. Irgendwann war ich gefangen in einer Gesellschaft älterer japanischer Herrschaften, die mir freundlich zunickten, mich dann aber systematisch einkreisten. Hätte ich nicht höllisch aufgepasst, säße ich jetzt im Bus nach Neuschwanstein und weiter nach Prag.
In Luzern gibt es einen asiatischen (natürlich!) Imbiss, und dieser asiatische Imbiss bereitet die schärfte Nudelsuppe der Welt zu. Und die heißeste. Himmel, ich wollte nur einen Snack und habe eine Dreiviertelstunde gebraucht, um diese Suppe zu essen. Zwei Taschentücher habe ich vollgeschnäuzt, meine Augen tränten; ich sah aus, als käme ich von einer Beerdigung. Aber lecker war’s.
Danach fuhr ich weiter nach Langenthal, wo U mit erwartete. U hatte mir geschrieben, als ich ungefähr in den Abruzzen war: Wie denn mein Heimweg aussehe; wenn es passe, würde sie mich gerne in die Schweiz einladen.
So saß ich am Montagabend gemeinsam mit U am Abendbrottisch, wir tranken erst einen köstlichen selbstgemachten Aperitif auf Basis von Bitterorangen, Brandy und Roséwein, dann gab’s Lauch-Quiche und Crème brûlée, dazu einen guten Wein, und dann war es plötzlich sehr spät und wir waren sehr müde.
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Dienstag
Ein geschenkter Tag in der Nähe des Schweizer Jura – was mache ich da wohl? Genau: Hinauflaufen und hinunterschauen und danach ein Eis essen.
Ich fuhr nach Oberdorf in der Nähe von Solothurn, um auf den Weissenstein zu laufen. Bis ich dort war, war ich mir noch nicht sicher, ob ich wirklich hinauflaufen wollte. Denn es gibt eine Gondelbahn. Als ich dort ankam, war klar: Ich musste hinauflaufen wollen, denn die Gondelbahn hat derzeit ihre jährlich Revision und ist außer Betrieb. Also stapfte ich los.
Sehr schnell ging mir auf, warum es eine Gondelbahn gibt. Es ging steil bergauf. Also: wirklich steil. Biarnica-steil. Nur, dass der Weg deutlich länger war als vom Iseosee hinauf zu meinem Domizil.
Auf den sonstigen Wanderungen geht es natürlich auch bergauf, zwischendurch flacht es aber immer mal ab. Hier war es von unten bis oben gleichbleibend steil. Hinterher schaute ich nach: 620 Höhenmeter auf 4 Kilometer. Das erklärt mein Schnaufen.
Wie immer sieht das auf den Bildern gar nicht so wild aus. Und es sieht auch aus, als seien es nur 200 Meter gewesen.
Nach ungefähr eine Stunde strammen Bergaufgehens Licht am Ende des Tunnels – beziehungsweise die Mittelstation der Gondelbahn am Ende der Kuppel.
Ihnen fällt es vielleicht auch auf: Die Schneemenge nimmt zu. Nach der Mittelstation ging es um die Kurve. Dahinter sah es so aus:
Ich prüfte zunächst durch bergauf- und wieder bergabgehen, ob ich denn auch wieder runterkommen würde. Denn bergauf ist ja alles immer schick, bergrunter wird es dann eine Rutschpartie – zumal, wenn der Schnee hart gefroren ist. Es ging aber einigermaßen. Also stapfte ich weiter bergan.
Kurz vor dem Gipfel war der Schnee dann Schranken-hoch.
Und ans Schaukeln war auch nicht zu denken.
Ich ging zum Kurhaus auf dem Weissenstein, ein Restaurant. Auch das Restaurant hatte Revision und war geschlossen. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es geöffnet hatte, deshalb hatte ich mir ein Brot und einen Apfel eingepackt und stand glücklich im Wind auf dem Gipfel.
Die Aussicht ins Tal war diesig – im Original aber schärfer als auf dem Bild. Das Auge kriegt die Darstellung besser hin als die iPhone-Kamera.
Danach schlitterte ich den Weg wieder hinunter. Und hinunter. Sackte zwischendurch mal ein. Und stapfte weiter hinunter. Vorbei an der Mittelstation. Und weiter hinunter. Und hinunter. Und hinunter. Und war irgendwann zurück am Auto.
Übrigens, wieder eine Frage an die Botaniker: Kennt jemand diese Knödelblume?
Nach dem Aufstieg auf den Weissenstein gab es noch zwei Tagesaufgaben: Eis essen und Schweizer Schokolade kaufen. Dazu fuhr ich nach Solothurn. Um es kurz zu machen: Ich war in beidem erfolgreich, habe mir die Stadt angesehen und die Kathedrale besichtigt.
Für den Abend hatte mich U gefragt, ob ich Raclette möge – und wir machten Raclette. Mit Knoblauch und Speck, mit Ananas und mit Zwiebelsalat. Und mit Wein.
Am späten Nachmittag war ihre Tochter vorbeigekommen – mit einem Tablett voller Pâtisserie-Köstlichkeiten. Denn – wer hätte diesen Termin besser legen können? – sie hatte tagsüber einen Pâtisserie-Kurs besucht und acht Stunden lang Pralinen, Mousse und Schokolollis hergestellt. Ich möchte nicht viele Worte verlieren. Sehen Sie selbst:
Zwei Sätze nur: Die rote Praline auf zwölf Uhr zergeht auf der Zunge, sobald man sie in den Mund legt. Der Mund füllt sich mit einem himbeerigen Geschmack, der sich mit dem Schmelzen der Schokolade zu einer paradiesischen Mélange vereint.
Dann war es plötzlich sehr spät, und wir waren sehr müde.
Kommentare
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Nun ja. Das mit den nicht EU-genormten Schweizer Steckdosen könnte das eventuell daran liegen, das die Schweiz kein EU-Mitglied ist? Wobei ich mich vor -nachrechnet- drei Jahren eigentlich überall einstöpseln konnte. Vielleicht ist das ja haushaltsabhängig, die moderneren gehen, die älteren nicht…
In der Kathedrale von Solothurn stehen noch immer keine „no Fotos!“-Schilder? Ich hätte ja gewettet, nach meinem Besuch damals stellen sie welche auf! (Das war damals die einzige Schweizer Kirche, in der noch keine standen.)
Zwischen Deutschland und Italien ist es auch nicht durchnormiert, EU-Mitglied hin oder her. Wenn Sie mich fragen, liegt die Problemquelle bei den runden, dicken, deutschen Steckern. Wir sollten einfach nur noch flache Stecker machen, dann passt alles.
Keine Schilder.
Ok, dann lag es wohl daran, dass ich nur die flachen dabei hatte.
Sieht nach einem kulinarisch hochstehendem Schweizaufenthalt aus…
Die Schweizer mochten noch nie deutsche Schuko-Stecker ohne Adapter, nur die flachen Euro-Stecker.
Das Blümelein am Wegesrand wird wohl die Weiße Pestwurz sein.
Hallo,
ich mein auch es ist weißer Pestwurz
Gruß
Beate
Auf den Weissenstein sind wir auch mal gewandert, allerdings im Sommer, wo einem die ausgeruhten Gondelfahrer die Aussicht versperren … so eine Patisserie-Tochter ist Gold wert, das werde ich mir für in fünfzehn Jahren auf Wiedervorlage legen!