Es begibt sich, dass ich dieser Tage öfter mal nach Osten reise: Zum vergangenen Weihnachtsfest war ich in Polen, zu Ostern war ich in Estland. Nun Lettland.
Vorwort
Sowohl in Estland als auch jetzt in Lettland habe ich meine Moskauer Freundin und ihre Familie getroffen. Wir kennen uns seit einem Schüleraustausch 1993. Sie hat inzwischen drei Söhne: K1 ist zwölf, K2 ist neun und K3 fünf. Alle Kinder spielen Basketball bei Dynamo Moskau, K1 sogar sehr amibitioniert – mit Camps und Turnieren im Ausland, meist im Baltikum.
Die Konstellation „Mit Russen reisen“ ist eine ausgesprochen glückliche, nicht nur wegen ihrer Improvisationskunst: Nie wäre ich sonst auf die Idee gekommen, nach Estland oder Lettland zu fliegen. Zudem ist es interessant, das Verhältnis Russen – Letten und Russen – Esten aus einer neutralen Position zu beobachten. „Sie nennen uns Besatzer“, sagt die Freundin naserümpfend, „als ob wir hier jemals etwas besetzt hätten.“ Die Esten und Letten sehen das naturgemäß anders. „Dabei sprechen alle Leute Russisch“, sagt die Freundin. Allerdings nicht immer freiwillig: Manche weigern sich gar, obwohl sie die Sprache können.
Es empfiehlt sich zu lächeln und zu beobachten.
Falls Sie mögen und es nicht schon auf Instagram getan haben: Folgen Sie mir auf meiner Reise.
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Riga
Hansestadt, Hauptstadt, wirtschaftliches Zentrum: Ein Drittel der Letten lebt in Riga. Trotzdem ist die Stadt vergleichsweise klein: 700.000 Einwohner – mehr sind es nicht, die in Riga wohnen. Es bleibt alles sehr überschaubar.
Als Tourist besucht man als erstes die Altstadt – das historische Zentrum am Fluss Daugava mit Kirchen, Kneipen, Kaufmannshäusern. Das lässt sich alles gut anschauen.
Nachdem ich nun Danzig und auch Tallin besucht habe, ebenfalls alte Hansestädte, empfinde ich es als sehr beeindruckend, wie wichtig die Hanse einst gewesen sein muss – und wie reich und mächtig die Kaufleute waren. In den Gassen riecht alles nach dem einstigen Wohlstand: Handelshäuser, Kopfsteinpflaster, prunkvolle Fassaden – es fällt nicht schwer, sich das Treiben hier vorzustellen.
Es gibt viele Touristen, aber insgesamt ist es nur überschaubar voll.
Tipp:
- Besuch des Doms mit Orgel (mehr als 6.700 Pfeifen!) und Kreuzgang.
2
Wohnen in Riga
Die Orientierung in der Stadt ist einfach: Jenseits der Altstadt geht’s über den Fluss nach Westen – danach ist schnell Litauen ausgeschildert. Zur anderen Seite, Richtung Osten, führen drei große Straßen von Zentrum und Daugava weg, durchkreuzt von vielen kleinen Parallelstraßen: ein Schachbrett.
Die Gebäude dort: Altbauten mit unrenovierten Fassaden. Es erinnert alles an Gera 1993. Mancherorts ist der zarte Beginn eines Aufbruchs zu spüren: Straßen mit Cafés und Kultur, mit kleinen Läden und handgemachten Snacks – was im Web und im Reiseführer vollmundig angekündigt wird, gibt es erst sehr vereinzelt.
Hinter den Fassaden mag es freilich anders zugehen. Die kleine Wohnung, in der wir übernachteten, war sehr hübsch:
Tipp:
- Wohnen irgendwo zwischen Krišjāņa Valdemāra iela und Aleksandra Čaka iela. Dann ist alles fußläufig erreichbar.
- Kleine Cafés, Designläden und Schokofabrik an der Miera iela, danach auf Bier und ein Abendessen zu Alus darbnīca Labietis an der Aristida Briāna iela 9A2, direkt nebendran.
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Der Punsch ist Vater des Gedankens
Was sofort auffällt: die unglaublichen Mengen an Alkohol. In großen und kleinen Supermärkten oder in Spirituosenläden – Schnaps und Bier sind allgegenwärtig. Die Fläche, die der Alkohol im Supermarkt einnimmt, ist zwei- bis dreimal so groß wie die Gemüseabteilung. Es gibt 1,5-Liter-Bierflaschen. Die Auswahl ist riesig: viele Sorten aus Lettland, aber auch aus dem Ausland – Pils, Ale, mit Geschmackszusätzen und ohne.
Tipp:
- Beim Radlerkauf auf die Verpackung achten – es ist nicht immer nur Limo im Bier. Die Mischung aus lettischem Bier, Limone und Pfefferminz läuft jedem WC-Reiniger den Rang ab.
- Populäres Stadtgetränk ist der Schwarze Balsam, ein Likör. Gibt es in Touristengeschäften, aber auch in jedem Supermarkt.
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Die Provinz: Ein Ausflug nach Odziena
Wer ein Land kennenlernen möchte, sollte die Hauptstadt verlassen. Das gilt auch für Lettland
Wir fuhren auf einen Ausflug nach Odziena, um ein altes Landgut mit angeschlossener Brauerei anschzuauen, dazu ein Schloss und ein tolle Landschaft. So haben wir es gelesen. Entfernung von der Hauptstadt: 97 Kilometer, Fahrtdauer: eineinhalb Stunden. Der Weg führte erst über die gut ausgebaute Landstraße, dann wurde es rumpeliger, am Ende kam das Ortseingangsschild – und dann auch schon das Ortsausgangsschild. Sollte hier nicht …? Also wieder zurück. Die touristischen Höhepunkte – es braucht ein geschultes Auge für sie in Lettland.
Da standen wir also auf dieser Kreuzung: vor uns das kleine, rote Haus. Daneben, an der Wiese rechts in einem ebensolchen Gebäude: der einzige Supermarkt des Ortes, ein frisch renovierter Elvi. Die dortige Mannschaft hat sogar einen Eintrag auf der Elvi-Website.
Was sich in Riga schon andeutete, fand im Elvi von Odziena seinen Meister: Der Markt, nur halb so groß wie ein Handballfeld, ist zweigeteilt. In der einen Hälfte: Katzenfutter, Klopapier und ein paar Lebensmittel. In der anderen Hälfte: Alkohol. Die zwei Damen hinter der Kasse: Sprangen sofort auf, als ich hereinkam. Natürlich könne ich die Toilette benutzen, gerne, gerne. Eine kalte Cola? Nein, die hätten sie nicht, nur das Bier sei kaltgestellt, aber wie wäre es mit einem Eis am Stiel? Das sei sehr kalt, pantomimten sie mit Lettisch.
Tritt man mit seinem Eis aus dem Laden, sieht man das hier:
Man kann sich zum Fotografieren ruhig mitten auf die Straße stellen. Da kommt keiner, wirklich gar niemand, außer vielleicht mit dem Rad. Und wenn doch ein Auto kommt, sieht und hört man es sehr rechtzeitig.
Auf der Website von Ort, Schloss und Brauerei kann man sich für eine Führung anmelden, auch in englischer Sprache. Wir riefen einen Tag vorher an – und taten auch gut daran, denn als wir so auf der Kreuzung standen, war sonst niemand da, im ganzen Ort nicht, nicht ein Mensch – außer den Damen im Elvi natürlich. Irgendwann schluffte ein Mann heran, um die 70, gelbes T-Shirt, Crocks und weißes Haar. In astreinem British English sagte er, er sei der Guide, wo wir denn anfangen wollten.
Naja, sagte ich, also … ich schaute auf den linken Teich, dann auf den rechten Teich und machte eine ausladende Handbewegung.
Die Teiche seien künstlich, sagte der Guide, sie gehörten die Schloss und zur Brauerei – die Sehenswürdigkeiten, an denen wir zunächst vorbeigefahren sind. Das Schloss, ein Steinbau aus dem 19. Jahrhundert, habe allerdings nur knapp 50 Jahre überdauert, dann kamen 1905 die Russen und Revolution, und es brannte nieder.
In der Sowjetzeit wurden im Keller Kartoffeln gelagert. Im Obergeschoss war ein Kinosaal, in dem einmal pro Woche ein Bollywood-Streifen gezeigt wurde. Auf den Zinnen wohnen nun zwei Storchenfamilien mit acht Tieren. Sie kommen Ende März und fliegen Mitte August, danach wird es Herbst. Im Keller leben im Winter Fledermäuse.
Das Gebäude wird renoviert – seit einigen Jahren, wie es ausschaut, und wohl auch noch für einige weitere. Man kann es mieten und eine Hochzeit darin feiern, es gibt eine Bar, einen Saal und ein paar Zimmer zum Schlafen. Geheizt wird mit dem Ofen.
Es sei ganz gut angenommen, sagte der Guide, und ich fragte ihn, wovon die Leute hier so leben – auf dem Land, eineinhalb Stunden von der Hauptstadt entfernt, zwischen Störchen.
Tja, sagte er, es seien halt alles Rentner. Oder Alkoholiker. Oder beides. Sie lebten von ihrem Garten, von der staatlichen Rente und vom Schnaps. Das sei eine schwierige Sache. Aber das hier jetzt, das Schloss und die Brauerei, das sei eine Hoffnung für die Region: Es kämen Leute hierher, um zu feiern, und gerade seien auch wieder zwei Familien mit Kindern in den Ort gezogen. Das sei ein guter Anfang. Und manchmal kämen auch Touristen. Also wir.
Ich fragte ihn, ob er mal im Ausland gelebt habe. Nein, sagte er, oder: Ja. Er sei Engländer, habe sich in eine Lettin verliebt und lebe nun hier. Man müsse es wollen, sagte er schulterzuckend, es sei ein Lebensentwurf. Aber wenn man sich erstmal dazu entschlossen habe, dann sei es sehr schön.
Wir gingen in die Brauerei, ein kleines Gebäude am Teich: Oben wird das Malz gemahlen, es kommt in großen Säcken aus Heidelberg. Unten wird das Bier gelagert und abgefüllt: zehn Tanks à 1.000 Liter.
Das Bier wird nur in kleinen Mengen verkauft: im Elvi im Ort und in ausgesuchten Geschäften in Riga. Es werden verschiedene Sorten gebraut, eine schmeckt leicht nach WC-Reiniger Orange, die andere tendiert in Richtung Ale und ist tatsächlich sehr lecker.
Tipp:
- Bier Odziena 1905, 375 ml-Flasche, vor Ort 1,50 Euro. Benannt nach dem Jahr, in dem der Palast niederbrannte.
- Wer ein Restaurant sucht, muss 20 Minuten weiter bis nach Ergli fahren: Im Hotel Kore kann man gut essen.
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Die Werkskantine von Kipsala
In Riga, gegenüber der Altstadt und auf der anderen Seite der Daugava, gibt es eine Halbinsel. Sie heißt Kipsala.
Man geht über die große Vanšu-Brücke, die längste Schrägseilbrücke Eurpoas, und ist auf der anderen Seite – mit einem sehr schönen Blick auf die Altstadt und auf den Hafen.
Am Hafen ankern manchmal Kreuzfahrtschiffe, kleine Schiffe, die vor der Promenade dennoch riesig wirken.
Es gibt einen Strand, schöne Holzhäuser und ein paar internationale Botschaften – die australische hat ein Känguruh auf dem Dach.
Es war warm, und der Weg vom Appartment bis nach Kipsala dauerte etwa eine Stunde. Irgendwann sagte Vatta: „Ich brauch’n Bier“.
Das wird einfach sein, dachte ich. Wir schmissen Google Maps an, entdeckten ein Café und marschierten vom Ufer weg in die Mitte der Insel. Eine Technische Universität tauchte auf – und die Messe Riga. Oder genauer gesagt: eine Mehrzweckhalle. Wir gingen hinein, und dort war auch das Café: eine Kantine mit Selbstbedienung. Die letzte Ausstellung, sagte die Dame hinter der Theke, die Messe „Hund und Katze“, werde gerade abgebaut, aber wir seien herzlich willkommen. Die gefüllten Paprika waren erstaunlich lecker.
Bier gab es auch, allerdings mit Cranberries – geschmacklich nahe an einem Mix aus Kirschsaft und Malzbier mit einem Schuss Nutella. Vatta schlug sich tapfer.
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Konditerija & Kafejnica
Nicht nur Schnaps und Bier gibt es überall. Auch Backwerk. In Riga reiht sich eine Konditerija an die nächste. Eine Orientierung mit „An der Ecke mit der Konditerija rechts – da ist unsere Wohnung“, bietet sich deshalb nicht an.
„Life is hard. You must sweeten it“, meinte meine russische Freundin als Erklärung für die vielen Bäckereien. Das erscheint mir einleuchtend. Ihr Mann, der immer Hunger hat, war in Lettland jedenfalls ein glücklicher Mann.
Eine Spezialität scheint die gemeine Puddingschnecke zu sein: Es gibt sie in zahlreichen Ausführungen – groß und klein, geringelt und gerollt, mit Blaubeeren, Ananas oder Pfirsichen und auch als Puddingschnecke calzone.
Tipp:
- Brot, lettisch maize, ist allgegenwärtig. Besonders bekannt ist das saldskāba maize, ein dunkles, leicht süßlich schmeckendes Roggenbrot. Meins war es allerdings nicht.
7
Jūrmala: Der Strand der reichen Russen
Direkt westlich von Riga, an der Ostseeküste, liegt Jūrmala, ein langgezogener Badeort mit 40 Kilometern Sandstrand. Schon wenn man es sich vorsagt, ist das ziemlich lang. Wenn man dann aber auf diesem Strand steht, ist es wirklich sehr, sehr lang, auch wenn der Strand ab und an mal eine Kurve macht und man gar nicht bis ans Ende der 40 Kilometer gucken kann.
Nacheinander reihen sich die Teilorte Ķemeri, Jaunķemeri, Sloka, Kauguri, Vaivari, Asari, Melluži, Pumpuri, Jaundubulti, Dubulti, Majori, Dzintari, Bulduri, Lielupe und Priedaine aneinander – ich liste die Namen alle auf, weil ich sie so sympathisch finde. Holzvillen stehen neben Holzvillen, durch ein kleines Wäldchen von der See getrennt.
Jūrmala ist das größte Seebad des Baltikums, und alles hier ist Russisch: die Touristen, die Besitzer der hölzernen Sommerhäuser, auch die Leute in den Restaurants sprechen direkt Russisch, ohne Umweg übers Lettische. Die Stadt scheint wie eine russische Enklave. Der Deutschlandfunk hat ein Stück darüber gemacht.
Die Rigaer Bucht ist ruhig, sehr ruhig. Das Wasser liegt still und ist sehr flach: Männer in gemusterten Badehosen stiefeln hinein, fünfzig Meter, hundert Meter, bis ihnen das Wasser bis zur Hüfte reicht. Dann lassen sie sich nach vorne fallen und tauchen prustend wieder auf. Kinder spielen am Strand – es gibt fast keine Wellen. Die Familien, die hierherkommen, sind zahlreich – weil der Strand aber sehr lang ist, ist trotzdem noch sehr viel Platz.
Ein schöner Ort, um Ferien zu machen.
Tipp:
- Teilort Asari. In der Kapu iela 95 befindet sich neben dem Haus eine Durchfahrt zum Parkplatz am Strand. Spaziergang am Strand bis zum Büdchen nach Kauguri, circa 8 Kilometer hin und zurück.
- Hauptort ist Majori. Hier gibt es eine hübsche Promenade mit Attraktionen und vielen Restaurants.
8
Das Moor von Kemeri
Wenn man von Jūrmala aus weiter in Richtung Westen fährt, kommt man nach Kemeri – und in den Nationalpark von Kemeri. Lagunen, Seen, Sümpfe, Moore, jede Menge Vögel, Ruderboote und Holzstege durchs Schilf: Kemeri ist ein toller Ort.
Ich habe ein Video gemacht, wie ich durchs Schilf laufe.
Mitten im Moor gibt es einen hölzernen Aussichtsturm. Man kann hinaufsteigen, um hinabzuschauen. Bis zum Horizont sieht man Wasser und Schilf und Wolken, und ab und an einen Fischreiher. Es ist sehr ruhig und sehr schön.
Dort oben trafen wir eine Frau, sie war Mitte 20, Deutsche, und hatte eine Isomatte ausgerollt.
Es windete, aber sie war warm angezogen. Sie übernachte hier, sagte sie auf Nachfrage. Vor etwa einer Woche sei sie nach Helsinki geflogen und trampe nun durch das Baltikum bis zurück nach Deutschland. Eigentlich habe sie im Süden des Landes Freunde treffen wollen, doch die hätten sich um zwei Tage verspätet, und nun bliebe sie diese zwei Tage lang eben hier, auf dem Aussichtsturm, schaue die Landschaft an und schlafe auf den Planken.
Tipp:
- Wir waren am Kanieri-See: Die Straße hat keinen Namen, aber Sie können sich das auf Google Streeview anschauen. Man kann sich ein Bötchen leihen, dort rudern und angeln.
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Zentralmarkt
Die großen Supermarktketten in Lettland sind Rimi und Elvi. In Riga gibt es aber noch einen anderen Ort, an dem man einkaufen kann: den Zentralmarkt (Bericht bei Spiegel Online).
Der Rigaer Zentralmarkt befindet sich in fünf Markthallen und hat eine Fläche von 50.000 Quadratmetern. 140.000 Menschen kommen am Tag hierher. Es gibt Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Milchprodukte. Es sind viele heimische Waren, die hier verkauft werden, besonders beim Gemüse: Äpfel und Waldbeeren, Gurken, Tomaten und große Mengen Knoblauch.
Die Waren sind für unsere Verhältnisse preiswert. Die handgeschriebenen Preise auf dem oberen Bild sind Kilopreise: Ein Kilo Tomaten kostet zwischen 1,20 Euro und 2 Euro, ein Kilo Heidelbeeren gibt es für 3 Euro. Und für 10 Euro bekommt man eine sehr ansehnliche Menge Kaviar.
Tipp:
- In den Speichergebäuden am Zentralmarkt, am Ufer der Daugava, entsteht ein Künstlerviertel. Dort ist das Ghettomuseum Riga, und es gibt Cafés.
- Die Markthallen grenzen an die Moskauer Vorstadt. In nur zehn Minuten Fußweg ist man an der Lettischen Akademie der Wissenschaften. Auf der Aussichtsplattform im 15. Stock hat man einen super Blick über Riga. Eintritt: 5 Euro.
10
Laima und die schwarze Magie
Schoki! Neben Alkohol und Puddingschnecken die dritte Spezialität des Landes. Hatte ich schon geschrieben, dass mir die kulinarische Ausrichtung Lettlands entgegenkommt?
Die lettische Schokomarke Laima (die englischsprachige Website startet mit „Choose Love“ und meint damit: „Wählen Sie Ihre Schokosorte“ – muss man da noch mehr sagen?) hat in gefühlt jeder dritten Straße Rigas einen Laden, was zwar nur halb so viele Dependancen umfasst, wie es Konditoreien gibt. Aber es ist auskömmlich: Ich lag niemals auf dem Trockenen.
Weiterer Anlaufpunkt für Schokoladenliebhaber in Riga: die Bar Black Magic in der Altstadt. Hier gibt es den berühmten Balsam in Kombination mit Trinkschokolade und in Pralinen. Außerdem ist der Laden urig.
Tipp:
- Ich habe mich sehr ernsthaft um einen ausführlichen Schokoladentest bemüht. Leider ist es mir trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, alle Laima-Sorten zu probieren. Ich kann aber sagen, dass die Popcornschokolade und die Sorte mit dem gesalzenen Karamell sehr gut sind. Außerdem war der Espresso im Laima-Laden der beste der Reise.
- Bar Black Magic, Kalku iela 10, in der Altstadt von Riga. Falls Sie von den zehn Pralinensorten aus der Speisekarte nehmen: Ich fand Nougat gut.
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Das Burgfräulein von Sigulda
Östlich von Riga liegt Sigulda, eine Burgenstadt. Die Teilorte Sigulda, Turaida und Krimulda hören sich nicht nur an, als besuche man einen Mittelaltermarkt – das Ganze ist wahrscheinlich einer der schönsten Orte Lettlands für mittelalterliche Rollenspieler.
Es gibt ein Schloss, eine livländische Ordensburg und eine Gondelbahn über das Tal der Gauja – außerdem einen Vergnügungspark für Familien, in dem man alles Mögliche tun kann, zum Beispiel Sommerrodeln oder Riesenrad fahren. Wer mag, kann aus der Gondelbahn springen. Ich mochte nicht.
Auf der Burg in Sigulda darf man alles anfassen, seinen Kopf in Folterwerkzeuge stecken, Armbrust schießen und auf den Thron klettern. Außerdem gibt es freies Burg-WLAN, was ich sehr ritterlich finde.
Wenn man das Armbrustschießen um die Notfallkekse im Auto gewinnt, sind die Verlierer allerdings weniger ritterlich.
Tipp:
- Wer nach Sigulda fährt, sollte einen ganzen Tag für verschiedene Burgen, Schlösser, Gondelbahn und Rodelbahn einplanen. Oder auch zwei Tage, wenn man es langsam angehen lassen möchte, kleine Kinder dabei hat und/oder viel Zeit im Freizeitpark verbringen möchte. Der Ort bietet nämlich viel – wir haben nur einen Bruchteil erkunden können.
- Unterhalb der Burgruine Krimulda, im Gauja-Nationalpark, befindet sich die größte Höhle des Baltikums: die Gutmannshöhle. Wir waren nicht dort, hört sich aber toll an.
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Die Daugava und das Meer
Nördlich von Riga fließt die Daugava in die Ostsee. Dort soll man angeblich die besten Sonnenuntergänge erleben. Ob es tatsächlich der beste Sonnenuntergang meines Lebens war, weiß ich nicht: Es kommen schließlich noch viele, und ich möchte mich nicht voreilig festlegen. Es war jedenfalls ein sehr schöner. Ich kann das zum Nachmachen empfehlen.
Tipp:
- Mangaļsalas Mols, der Pier von Mangaļsala – oder einfach irgendwo am Strand östlich davon.
Falls Sie Lust haben, nach Riga zu reisen: Der Hinflug war auch schon ein Erlebnis – mit dem Bombardier-Propellerflugzeug der Air Baltic ab Düsseldorf.
Ende.
Kommentare
17 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓
Liebe Frau Nessy,
vielen Dank für den tollen Bericht, nach den Fotos auf Instagram – ich hab‘ jetzt Hunger!
Kommt man als des lettischen / russischen unkundiger Tourist halbwegs zurecht oder sollte man zumindest grundlegende Sprachkenntnisse mitbringen? Vor Reisen in den Osten bin ich bisher eher zurückgeschreckt, im Westen Europas kommt man mit ein paar Brocken Englisch und Französisch doch halbwegs über die Runden.
Viele Grüße,
der Ponder
Ja, nur Mut! Sie brauchen keine Kenntnisse slawischer Sprachen. Ich bin prima mit Englisch zurechtgekommen. Mein Russisch ist auch nicht der Rede wert (leider).
Gerade im Baltikum brauchen Sie nichts anderes – und falls doch mal (irgendwo auf dem Land oder bei einer Bäuerin auf dem Zentralmarkt), klappt das auch anders.
Und selbst in Zentralrussland, möchte ich behaupten, dort wo die Menschen dann tatsächlich nur noch Russisch sprechen, sind sie so gastfreundlich und hilfsbereit, dass man es irgendwie hinkriegen wird.
Oh, wie toll ist das denn! Danke für den Bericht. Es is wirklich sehr schòn und urig da.
Seit ich geoguess spiele, kenne ich mich langsam auch ein bißchen aus im Baltikum .
Bisher hat mich nichts Richtung Osten gezogen, obwohl der Mann ostpreußische Wurzeln hat und immer wieder davon redet, dort hin zu fahren. Da ich aber die Konversationsabteilung unserer Reisegruppe leite, und außer Französisch, Englisch und Spanisch keine andere Sprache spreche, würde ich vermutlich verzweifeln an Russisch und Lettisch.
Der Königinnenstuhl steht Ihnen übrigens ausgezeichnet.
Leider sind derzeit keine Königinnenstellen vakant. Die meisten Länder antworten nicht mal auf Initiavbewerbungen. Das macht mich traurig.
An Russisch beiße ich mir auch die Zähne aus. Ich müsste mal ein paar Monate dort verbringen, dann würde es wohl gehen. Aber von hier aus, nebenbei – nee. Keine Chance.
Ich habe letzten Monat einen Roadtrip durchs Baltikum gemacht und irgendwie muss mich Riga auf dem falschen Fuß erwischt haben. Ich wurde nicht so richtig warm damit. Vielleicht lag es auch daran, das ich mich schwer in Estland verliebt habe und dem Land noch etwas hinterher getrauert habe.
Dein Bericht hat aber definitiv Lust gemacht, nochmal hin zu fahren und vor allem die Umgebung zu erkunden. Vielen Dank!
Liebe Grüße,
Lynn
Ich war überrascht, wie unterschiedlich Lettland und Estland sind. Estland kam mir deutlich europäischer/skandinavischer vor, Lettland hingegen deutlich russischer. Deshalb kann ich schon nachvollziehen, wenn man einem von beidem, also Tallinn oder Riga, mehr zugetan ist.
Aaaaaah! Jetzt will ich auch dahin. Schon Tallinn war ja sehr schön und anscheinend gilt das für die anderen baltischen Städte auch.
Bei dem vielen Alkohol hätte ich direkt die Vermutung, dass hier auch der skandinavische Alkoholtourismus vielleicht eine Rolle spielt? Zumindest zwischen Tallinn und Helsinki bestand ja ob der relativen Nähe ein reger Export-Import-Verkehr, auf der Fähre wurde von den Finnen quasi der Bordshop leergekauft. Aber vielleicht wird einfach auch mehr getrunken, das kann natürlich auch sein.
Die Sache mit dem Alkoholtourismus liegt nahe – allerdings: Warum dann der zur Hälfte mit Alkoholika gefüllte Elvi in Odziena, mitten in der Provinz? Ich befürchte, sie trinken es tatsächlich alles selbst.
Diese Alkotouris habe ich erstmals auf der Fähre Stockholm – Helsinki erlebt, und ich habe erst nicht verstanden, was die Intention dieser Leute ist: Noch nicht mal aus den Schären raus, lagen die ersten schon strunzenvoll unter der Bank. Irgendwann ging mir dann auf: Die wollen gar nicht nach Helsinki. Die gehen da nicht einmal von Bord. Die wollen nur in den Duty Free und fahren dann direkt wieder zurück.
Da äusserte ein Bekannter von mir, seines Zeichens Nordschwede, mal die Vermutung, dass man aufgrund der langen Dunkelheit im Winter in Nordskandinavien genau drei Möglichkeiten hat:
– man flüchtet den ganzen Winter irgendwohin, wo es etwas heller ist
– man fängt an, in einer Band Death Metal zu spielen
– man säuft
Scheint was dran zu sein …
Viele Grüße,
der Ponder
Das mit dem Alkoholtourismus kenne ich. Meine Familie lebt in Schweden, wir waren vorher sehr häufig im Urlaub dort und stammen aus der Nähe von Rostock. In Rostock sind teilweise die Beschriftungen in den Läden auf Schwedisch wegen dem Alkoholtourismus. In Schweden brennt fast jeder selbst, weil der Alkohol in den staatlichen Geschäften sehr teuer ist und Stoffe reingemischt werden, von denen man brechen muss, damit man nicht zu viel trinkt. Oder man macht halt eine Alkoholfahrt ins Baltikum, so wie mein Vater es mal mit seinen Arbeitskollegen gemacht hat.
So umfangreich und gleich noch voller Recherche und aller Tipps> Frau Nessy, das ist ja ein rechter Reisefuehrer (und wirklich einer der Lust auf’s hinfahren macht).
Nur vor dem Black Balsam warnen Sie nicht genug, ein Kollege hier bekam eine Flasche davon vermacht – sagen wir nach dem dritten Glas geht er, aber niemand redet dann vom naechsten Tag.
Liebe Frau Nessy,
fühlte mich durch Ihre feinfühlige Beschreibung fast selbst dort im Urlaub. Tolle Fotos! Und hat alles, was ich so sehr schätze an dem Luxus Urlaub haben zu dürfen: Gutes Essen, Burgen, reizvolle, zum Dahinschmelzen schöne Landschaften, nette Menschen und nicht zuviele insgesamt davon. Danke für diesen Bericht.
Oooohhh, ich fühle mich animiert zu bestätigen. Wir waren vor ein paar Jahren in Lettland, haben in einer ähnlich bezaubernden kl. Ferienwohnung am Rand der Rigaer Altstadt gewohnt und von da aus die alte Welt der Hanse Kaufleute und die junge der urigen Bierkneipen und Bars erkundet. Die Alkoholsituation in den dortigen Supermärkten haben wir seinerzeit so ähnlich besprochen. Der alkoholische Verkaufe endete um 22 Uhr, glaube ich. Aus Gründen vermuteten wir. Ach und dieser Nationalschnaps war geschmacklich eher schwierig. Dafür war die Heide und Sumpflandschaft in Kemeri wunderschön und die kleinen Holzhäuser mit ihren russisch anmutenden Verzierungen umso hübscher.
Fein berichtet (Serviceblog) , Frau Nessy. Fahren Sie dahin, liebe Leser, is‘ schön da.
Vielen Dank für diesen Bericht – er hat mich motiviert, vorgestern beim Aufenthalt in Riga den Transitbereich des Flughafens zu verlassen und einen Abstecher in diese schöne Stadt zu machen – sehr lohnenswert!
Hallo Frau Nessy! Toller Reisebericht.
Mein Land im Baltikum ist ja eher Litauen, aber vieles, vieles erkenne ich auch dort wieder.
Liebe Grüße mal wieder…
Ein „otschen bolschoe spassibo“, falls mir das die anwesenden Baltikum-BewohnerInnen das Russisch nicht übelnehmen.
Komme gerade von einer Baltikumreise zurück.
Ja – es ist schön dort und ich möchte wieder hin.
So ist es!
Danke für die nette Reisebescheibung!