Die nächste Reise steht an. Es geht nach Riga, wieder zum Basketballtraining mit Dynamo Moskau, ich deutete es an.
Es ist die Fortsetzung der Tallinn-Reise, des Ausflugs in eine Turnhalle nach Estland: eine Woche mit den Russen – meine Moskauer Freundin, ihr Mann, Sohn Eins (13), Sohn Zwei (8) und Sohn Drei (5). Sohn Eins und Zwei sind zum Trainieren in Riga, Basketball, ihre Mannschaften sind dort: Anreise mit dem Teambus, Wohnen in der Jugendherberge, vier Wochen lang Drill und Bootcamp in Lettland, dazu ein paar Testspiele. Wir, also die Eltern und ich, schließen auf und kommen dazu. Die Terminfindung war etwas schwierig im Wust zwischen Projektdeadlines, den Russen, dem Trainingscamp, der Abstimmung mit feriengebundenen KollegInnen und Vatta, der auch mitkommt. Aber nun haben wir’s.
Es war die Idee der Freundin, meinen Vater zu fragen, ob er mich nach Riga begleiten wolle: Das sei doch eine gute Sache, regte sie in Tallinn an, Sohn Eins lerne seit einem Jahr Deutsch, und Vatta spreche doch nur Deutsch, oder? Dann könne Sohn Eins zuhören und anwenden, listen and repeat, gezwungenermaßen, das sei wunderbar. Außerdem sei es immer gut, einen Opa für die Kinder dabei zu haben, ob nun der eigene oder ein geliehener, ein russischer oder ein deutscher: Das Alter nötige den Kindern Respekt ab, der ganze Urlaub werde durch einen Opamenschen friedvoller – was bei drei Jungs dringend geboten sei, um unser aller Seelenfrieden willen. Zur Not müsse Vatta nur eine Augenbraue heben, ganz langsam, und dabei vernehmlich brummen; das sei internationaler Standard, das erfordere nicht einmal Russischkenntnisse, dann sei jegliche Sache geritzt. Ich glaube ihr das: Das klappt selbst bei mir noch ganz gut, bei meinen Russen haben die Älteren dazu noch einen anderen Stellenwert – da wird in beeindruckender Weise strammgestanden, und ein geliehener Opa ist dann nochmal ’ne Schippe drauf.
Ich freue mich also auf einen erneuten deutsch-russischen Urlaub in einem Drittland, inzwischen der vierte gemeinsame – nach Zypern, Kochelsee und Tallinn. Es ist sehr angenehm, sich dem Familien- ebenso wie dem russischen Rhythmus anzugleichen, dieser Mischung aus Kascha und Tee, Aberglauben und zuckersüßen, dreischrittig steigerbaren Verniedlichungsformen: Dima … Dimka … Dimotschka .., alles in zügiger Langsamkeit: Wir kommen voran, doch niemand ist in Eile, und wir tun ausreichend Kinderdinge, schauen Tiere an, suchen Stöcke und werfen Steine ins Wasser, hören Straßenmusikanten zu, freuen uns aneinander und essen Eiscreme. Also alles, was ich sonst auch gerne tue.
Das ist ja auch so eine Sache: der Urlaub als Kinderlose mit einer Familie mit drei Kindern. Das traut einem ja niemand zu, viele Eltern meinen spontan, man sei ungeeignet: die Nerven zu dünn, die Ohren zu empfindlich, der Langmut zu kurz – dabei finde ich das sehr prima. Es geht ja weniger darum, wie alt die Mitreisenden sind, sondern ob sie gute Gefährten sind; es gibt Menschen, Kinder wie Erwachsene, mit denen würde ich niemals verreisen wollen, nicht einen Tag lang, auch wenn ich sie im Alltag sonst gut leiden mag. Andere wiederum sind hervorragende Begleiter für Expeditionen ins Unbekannte, Menschen mit Neugier und Abenteuergeist, aber ohne Aktionismus, mit einem ausgewogenen Streben gleichermaßen nach Müßiggang wie nach Entdeckungen, ohne Drama, mit Kompromissbereitschaft und Duldsamkeit. Menschen mit diesen Eigenschaften gibt es in allen Altersklassen, mit zwei Jahren ebenso wie mit zweiundachtzig – und ebenso auch nicht. Rücksicht muss man ohnehin aufeinander nehmen; der eine braucht Brei um Drei, der andere möchte Bier um Vier.
Ich reise also nach Riga und freue mich wie Bolle. Das wird toll, ganz sicher.
Kommentare
12 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓
Ich wünsche Ihnen eine gute Reise voller schöner Erlebnisse und Eindrücke. Und uns dann natürlich mindestens wenn nicht mehr originelle Beiträge darüber von Ihnen. ;-)
Liebe Grüße!
Dankeschön. Ich bin sehr zuversichtlich, viel zu erleben.
Es ist schön von Ihnen zu hören, Frau Nessy! Es fehlt etwas, wenn ich Ihren Blog aufrufe und lange Zeit keine neuen Gedanken und Anregungen finde.
Liebe Grüße!
Hach. Ja. Dankeschön. Ich weiß. Es ist ja auch nicht so, dass nichts passiert. Ich kann (oder möchte) es nur nicht aufschreiben.
Welch schöne Beschreibung, was gute Reisegefährten ausmacht. Ich stimme sehr zu: Alter und Familienstand sind sowas von sekundär. Zu meinen besten Auszeiten gehören Urlaube als Alleinstehende mit Eltern und ihren Kindern.
Eine schöne Zeit in Lettland. Ich freu mich auf die Berichte/Geschichten, die hoffentlich hier im Blog landen werden.
Ist Vatta denn ausreichend gebrieft, was seine Rolle in dem Arrangement betrifft? Bekommt er unauffällige Zeichen, wenn es an der Zeit ist zu brummen?
Bei Bedarf wird er in die Seite geknufft.
Ich wünsche viel Spaß! Das klingt alles sehr spannend und erinnert mich an eine Reise, die ich vor ein paar Jahren über den 1. Mai nach Schweden gemacht habe. Zwei Freunde heirateten und nahmen Familie und Freunde mit, insgesamt 30 Leute und 3 Generationen. Das war viel Gewusel, aber insgesamt wenig Stress und deutlich viel Spaß.
Schöne Reise!
Riga ist toll! Vor den Toren der Stadt gibt es übrigens ein ganz tolles Freiluftmuseum, das ich nur empfehlen kann! Aber vermutlich finden Sie auch so genug sehenswertes :)
Das hört sich so gut an, dass ich mir jetzt russische wahlverwandschaften wünsche :)
Mit erweiterter Familie reisen ist toll – meist Spass fuer alle Beteiligten und durch die groessere Gruppe aber auch fuer jeden immer mal wieder die Moeglichkeit sich bei Notwendigkeiten oder Aktivitaeten auszuklinken, wenn man grad nicht kann oder will. Viel Vergnuegen!
Ich werde wieder ein bisschen neidisch, wegen Riga und bin auch ein bisschen beruhigt, dass ich nicht die einzige in den Dreißigern bin, die ab und an mit Vattern verreist. :-)
Viel Spaß und Freude