Gelesen im März und April, analog und auf dem Kindle:
Kerstin Signe Danielsson. Roman Voosen.
Später Frost. Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss.
Ein neues, skandinavisches Ermittlungsduo aus dem Süden Schwedens – und richtig gut. Ingrid Nyström ist endlich mal eine normale Kommissarin ohne Neurosen, mit Familie und einem schlechten Gewissen, wenn sie viel arbeitet. Stina Forss – okay, sie ist extravagant. Die beiden haben noch eine Handvoll Kollegen, mit denen sie gemeinsam ermitteln. Der erste Fall: Ein Schmetterlingszüchter wird tot in seinem Gewächshaus gefunden. Das Ganze ist recht undurchsichtig, denn der alte Mann lebte zurückgezogen und unauffällig. Ein klassischer Kriminalfall, der gut unterhält. Deshalb habe ich auch direkt das zweite Buch gelesen:
Kerstin Signe Danielsson. Roman Voosen.
Rotwild. Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss.
Auf einer kleinen Insel im See wird die Leiche eines Mannes gefunden, von Pfeilen durchbohrt. Nyström und Forss finden schnell heraus, dass er nach Vorbild des Heiligen Sebastian getötet wurde. Ansonsten bekommen sie den Fall nicht zu packen – bis ein zweiter Mann stirbt. Die Ermittlungen führen in die Vergangenheit, aber nicht die schwedische. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Als Leser kommt man zwar irgendwann drauf, aber die Story bleibt trotzdem gut und beleuchtet ein spannendes Kapitel europäischer Geschichte.
Als ich das Buch gerade ausgelesen hatte, besichtigte ich zwei Tage später übrigens die Kathedrale von Cádiz. Dort, welch Zufall, hing in einer Seitenkapelle ein Bild des Heiligen Sebastian:
Rebecca Gablé. Das Haupt der Welt.
Ein neuer Gablé. Die historischen Romane von Rebecca Gablé lese ich gerne, weil sie unterhaltend und spannend sind: Die Geschichte ist meist gut komponiert, man lernt etwas über geschichtliche Ereignisse, es gibt Gut und Böse, Liebe und Enttäuschung, und am Ende ist immer alles prima. Über das „Haupt der Welt“ bin ich jedoch etwas enttäuscht. Die Geschichte ist zwar klassisch, sie spielt im Brandenburg des 10. Jahrhunderts: Ein junger Mann (Tugomir, Prinz der Heveller) wird seines Status‘ und seiner Heimat beraubt, verliebt sich in der Fremde, muss Kriege und Erniedrigung erdulden und erringt zum Schluss, soviel kann ich ohne Spoiler vorwegnehmen, Ehre für sich und sein Volk. Doch die Figuren wollten nicht so recht in meinem Kopf entstehen. Statt ihrer steht die geschichtliche Handlung im Vordergrund; detailverliebt wird eine Schlacht nach der anderen geschlagen. Das ist ermüdend. Das Positive am Buch: Von der Zeit zwischen 900 und 1100 wusste ich bislang nichts und habe viel über deutsche Geschichte erfahren.
Ralf Heimann. Die tote Kuh kommt morgen rein.
Ralf Heimann ist Redakteur bei der Münsterschen Zeitung und Vater des Blumenkübel-Phänomens. In seinem Buch „Die tote Kuh kommt morgen rein“ wird sein Alter Ego als Redakteur in die Münstersche Provinz versetzt. In 20 kleinen Geschichten, die locker durch eine Rahmenhandlung verbunden sind, gibt er wieder, was ein Redakteur in der Provinz so alles erlebt. Für Nicht-Journalisten ist das Buch wahrscheinlich nicht ganz so unterhaltsam, wer aber schonmal für eine Lokalredaktion auf dem Land gearbeitet hat, wird sich und die Stereotypen dort wiederfinden. Ein Buch, das den Lokaljournalismus karikiert, ihn aber nicht vorführt.
Kajsa Ingemarsson. Das große Glück kommt selten allein.
(Aus dem Schwedischen von Stefanie Werner)
Den ersten Ingemarsson fand ich gut: ein klassisches Frauenbuch zwar, aber doch einigermaßen tiefgründig und gut erzählt. Von diesem Buch lassen Sie jedoch besser die Finger. Die Handlung: Stella Friberg ist eine gefeierte Bestsellerautorin, schön, reich und von vielen beneidet. Doch dann geht es mit ihrem neuen Roman nicht voran, ihr Freund ist plötzlich schwul und ihre Wohnung steht unter Wasser. Der gut aussehende Monteur Johnny kommt vorbei … Muss ich mehr sagen? Es war schlimm, wirklich schlimm.
Michael Kumpfmüller. Die Herrlichkeit des Lebens.
Das letzte Lebensjahr von Franz Kafka: Als Dichter ist er nur Eingeweihten bekannt. Er hat Tuberkulose, erholt sich an der Ostsee. Dort lernt er die 25-jährige Dora Diamant kennen. Der Leser begleitet die beiden ein Jahr lang bis zu Kafkas Tod. Die Geschichte wird mal aus seiner, mal aus ihrer Sicht erzählt. Kein erzählerisches Feuerwerk, sondern leise und behutsam. Ein gutes Buch – auch wenn es mich nicht vom Stuhl riss.
Charlotte Link. Im Tal des Fuchses.
Matthew und Vanessa Willard halten an einem Rastplatz. Er führt kurz den Hund aus, da verschwindet sie spurlos. Der Leser weiß sofort, wer es war. Trotzdem ist die Geschichte ungemein spannend, denn bis fast zum Schluss ist nicht klar, ob Vanessa noch lebt. Ein klasse konstruierter Thriller, der mich sehr gut unterhalten hat.
Martin Pistorius. Als ich unsichtbar war.
(Deutsch von Axel Plantiko)
Mit zwölf Jahren wird Martin krank: Er verliert seine Sprache und die Kontrolle über seinen Körper, fällt quasi ins Wachkoma. Für Eltern und Pfleger ist er fortan nur noch eine Hülle, die sie säubern und füttern müssen. Doch sein Geist ist vollkommen klar. Erst die Pflegerin Virna bemerkt nach etlichen Jahren, dass er zielgerichtet reagiert und sich mitteilen möchte. Die Geschichte ist nicht fiktiv: Martin Pistorius ist heute verheiratet und arbeitet als Webdesigner. Ich sag’s mal platt: krass. Wirklich krass.
Kjersti A. Skomsvold. Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich.
(Deutsch von Ursel Allenstein)
Ein ganz kleines, kurzes Buch: Mathea Martinsen ist fast hundert Jahre alt und lebt am Stadtrand von Oslo. Ihr Mann, ein Statistiker, den sie liebevoll „Epsilon“ nennt, ist gestorben – für sie ist er aber noch sehr lebendig. Denn außer ihm hat sie nichts: keine Kinder, keine Freunde, keinen Kontakt irgendwohin. Ihr Leben richtet sich nach dem Nachrichtensprecher und nach den Ohrenwärmern, die sie strickt. Ein verschrobenes, aber herzwerwärmendes Buch, das allein den Gedanken Matheas folgt, die keinesfalls Mitleid erregend sind.
Eva Stachnik. Der Winterpalast.
(Deutsch von Peter Knecht)
Warwara Nikolajewna kommt als Waise in den Winterpalast. Kanzler Bestuschew, ein gewiefter Politiker, weiß ihre Unvoreingenommenheit und Naivität zu schätzen und bildet sie als Spionin aus. Es sind die Zeiten der Kaiserin Elisabeth Petrowna; die Kaiserin holt die junge Sophie von Anhalt-Zerbst – die spätere Katharina die Große – an den Hof, um sie mit ihrem Neffen zu vermählen. Warwara wird die engste Vertraute Katharinas auf dem Weg zur Macht. Die Autorin Eva Stachnik erzählt die Geschichte in geschäftsmäßigem Ton mit Distanz zu den Figuren: Nie wird es tränenreich emotional, nie romantisch, immer bleibt die Erzählerin über den Dingen. Das hat mir sehr gut gefallen, weshalb ich mir direkt die Fortsetzung kaufte:
Eva Stachnik. Die Zarin der Nacht.
(Deutsch von Peter Knecht)
Die Fortsetzung, in der, rückblickend vom Totenbett Katharina der Großen, ihre politische und private Lebensgeschichte erzählt wird, kann leider nicht mit dem ersten Teil mithalten. Der erste Abschnitt des Buches, rund 100 Seiten, ist redundant zum „Winterpalast“ – nur, dass die Geschichte noch einmal aus Sicht Katharinas und nicht Warwaras erzählt wird. Langweilig. Danach gibt es etliche Zeitsprünge, Katharina bleibt fremd, und die distanzierte Erzählweise nervt nun, weil es keine sympathische Handlungsträgerin mehr gibt.
Stephan Thome. Fliehkräfte.
Thomes „Grenzgang“ fand ich super, deshalb nun „Fliehkräfte“. Darum geht’s: Hartmut ist Professor für Philosophie und hat alles erreicht – beruflichen Erfolg, eine funktionierende Ehe, Kinder. Doch es kriselt: Seine Frau ist nach Berlin gezogen, um sich beruflich zu verwirklichen, und hat ihn zurückgelassen. An der Uni fühlt er sich fremd, seit die Bologna-Reformen laufen. Er will sich noch einmal verändern. Stephan Thome erzählt sehr nah an der Hauptfigur. Das gefällt. Ich konnte mich trotzdem nicht so richtig mit Hartmut anfreunden. Es ist mir auch zu viel Reflexion und zu wenig Handlung im Buch. Es fehlt der Spannungsbogen. Es ist kein schlechtes Buch, die Geschichte ist nicht schlecht erzählt. Vielleicht bin ich nur einfach nicht die richtige Leserin.
Pia Ziefle. Suna.
Ich nehme es direkt vorweg: super. Ein tolles Buch. Am Anfang war ich skeptisch: Ist das nun so eine gefühlsduselige „Frisch gebackene Mutter auf der Suche nach ihrer Identität“-Geschichte? Aber nein: Sie ist toll. Pia Ziefle erzählt mit Hilfe der Protagonistin Sophie die Geschichte ihrer eigenen Familie – die Mutter aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Vater eine Liebschaft aus Anatolien, aufgewachsen ist sie bei deutschen, sehr bürgerlichen Adoptiveltern. Pia Ziefle erzählt weise und klug, gefühlig, aber nicht gefühlsduselig.
Kommentare
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Sie sind mir ein bißchen unheimlich.
… ach, was, die Hälfte der Zeit hatten Sie ja fette Urlaub, da kommt man auf diesen Leseschnitt.
Einige Bücher sind, das sieht man in der Aufzählung natürlich nicht, recht dünn. Kjersti Skomsvold zum Beispiel.Auch für die beiden ersten Krimins und für „Suna“ braucht man nicht lang, weil die Bücher ebenfalls nicht sehr dick und außerdem ziemlich gut sind.
Ansonsten: Ich frühstücke und lese dabei. Dann fahre ich mit der Bahn eine halbe Stunde zur Arbeit und lese dabei. Ich lese in der Mittagspause (falls ich keine Gesellschaft habe und nichts erledigen muss), lese auf dem halbstündigen Nachhauseweg und abends vorm Schlafengehen. So kommen an normalen Tagen immer zwischen 50 und 100 Seiten zusammen, einfach so im Alltag.
Bei der Vielzahl an Büchern drängt sich mir eine Frage auf: lesen sie die Papierversion oder benutzen sie einen ebook-Reader? :)
Gemischt. Von den Büchern oben habe ich nur vier auf Papier gelesen. Im Urlaub sind eBooks deutlich komfortabler. Sonst 50:50.