Vor Wochen erreichte mich eine Einladung.
Zur Heimatprimiz solle ich kommen. Ein ehemaliger Mitschüler schrieb mir, er werde zum Priester geweiht, und er freue sich, wenn ich bei seiner ersten Messe dabei sei. Ich fiel fast vom Stuhl – und freute mich wie ein Keks. Ich sagte zu.
Jetzt ist so eine Primiz nicht gerade ein alltäglicher Anlass. Und die Tatsache, dass wir zwar losen Kontakt gehalten, uns aber nunmehr sechzehn Jahre lang nicht gesehen hatte, warf bei mir nicht nur die Frage auf, was man zu solch einem Ereignis anzieht (züchtig!), sondern auch, was ich schenken sollte. Ich schrieb einem Freund. Der Freund war eine zeitlang Mönch, ehe er seine Nächstenliebe zu sehr einer Frau zuteil werden ließ.
„Ich brauche deinen katholischen Rat“, schrieb ich, was den ehemaligen Mönch ganz aus dem Häuschen brachte, dachte er doch zunächst, er habe mich nun endlich bekehrt. Von den gängigen, im Fachhandel erhältlichen Devotionalien (Rauchgefäß „Jerusalem“, Mousepad „Kinder Gottes“) riet er ab, sagte aber, ich solle mir unbedingt den Primizsegen spenden lasse, er bringe besonderes Glück.
Am Tag der Primiz war ich zeitig in der Kirche und suchte mir eine hübsche Bank aus. Ich traf Schulfreunde, dann öffnete sich die hintere Kirchentür, die Orgel spielte, und ein Tross kam herein, getragen und feierlich, Männer in langen Gewändern, Priester, Diakone, Messdiener, ein Fahnenträger. Ich zählte mit: Mehr als 35 Menschen waren es, die den Primizianten begleiteten, der, mit vor Aufregung geröteten Wangen, an mir vorüberschritt.
Als er dann vorne stand, als er uns mit zittriger Stimme begrüßte, als sie ihm sein Priestergewand überstreiften, ein Gewand, das sie in der Heimatgemeinde für ihn genäht hatten, als Chorgesang einsetzte und das Kirchenschiff mit einem Lied erfüllte, als der Schulfreund tief einatmete, als er lächelte, als er sich von Herzen bedankte, atmete auch ich tief durch – und spürte tiefe Dankbarkeit, dabeisein zu dürfen.
Am Abend saßen wir im Garten der Familie, auf einer Terrasse inmitten von Blumen, an genau jenem Ort, an dem wir uns sechszehn Jahre zuvor das letzte Mal getroffen hatten, zu einer ausschweifenden Party. Damals war das Wetter fantastisch, ein warmer Sommerabend, alle tanzten wie die Irren, es wurde dunkel, ich verliebte mich Hals über Kopf, die Nachbarn beschwerten sich über den Lärm, wir tanzten weiter, tranken Bowle, bestimmt habe ich auch geknutscht, ich weiß es nicht mehr, einer der Jungs improvisierte Rocksongs auf dem Klavier, am Morgen trug ich, müde und fröstelnd, den Pullover meines Lieblings und nahm ihn mit nach Hause. Den Pullover nur, leider.
Auf der Terrasse dieses rauschenden Festes sitze ich nun, während der Primiziant im Wohnzimmer Glückwünsche entgegennimmt, spüre noch die Hände seines Primizsegens auf meinem Haar, ein Segen, der, auch wenn ich nicht gläubig bin, mir dennoch eine Ehre ist, nicht um des Segens willen, sondern um des Segnenden. Als der erste Andrang sich gelegt hat, gratuliere auch ich ihm und, es geht nicht anders, drücke ihn, vor Freude für ihn und vor Freude, ihn wiederzusehen, fest an mein Herz.
(Geschenk, übrigens: „Das große Los“ von Meike Winnemuth.)
Kommentare
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*Flüstert heimlich*: Schnell noch mal den ersten Satz lesen…
Und korrigieren…
Ach, Dativ und Genitiv, was heißt das schon.
(Danke.)
Gern geschehen ;-)
Mit dem ganzen religiösen Gekasper kann ich ja nun garnichts anfangen, trotzdem kann ich mir lebhaft den Schwall an Erinnerungen vorstellen der speziell an diesem Ereignis auf dich zugeflossen ist.
Für mich wäre es auch ein Ehre gewesen ! Ein ganz spezielles Erlebnis, geteilt mit denen die einem wichtig sind !
Ich kann mit Religion auch nicht viel anfangen. Deshalb war ich überrascht über mich selbst, dass ich so berührt war.
Kindheit und Jugend katholisch verbracht, in einer Bischofsgemeinde in Görlitz zur Kirche gegangen, das Priesterseminar Neuzelle nicht allzu weit weg – da gab es Priesterweihen schon öfter mal. – Aber einen, der das auch für sich wollte, den habe ich davon abgebracht, damit er nicht später das Zölibat missachtet. – Das ist doch der Gottesdienst, wo die „Weihlinge“ lange flach auf dem Teppich liegen? – das hat mich als Kind immer am meisten amüsiert.
In der Priesterweihe liegen sie flach. Bei der Primiz sind sie hellwach.
Bei mir kam an, dass Sie besondere Menschen persönlich kennen, liebe Frau Nessy, da wäre nun einerseits ein jetziger Priester und andererseits ein ehemaliger Mönch. Cool. Mit einem ehemaligen Mönch würd ich persönlich zB gerne mal sprechen.
Der ist ausgesprochen unterhaltsam, aber wenig mönchisch. Inzwischen zumindest.
Einen ehemaligen Mönch kenne ich auch, er ist auch unehrenhaft entlassen worden, weil er sich um die weibliche Seite der Gemeinde seeeehr bemüht hat. Er ist Spanier und meinte mal mit einem schmachtenden Augenaufschlag „Was ich solle mache??? Alle Frrrauen soooooo schon und wunderbar!!!!! Ja, Du auch, meine Schone, Du auch“
Ein wunderbarer Mensch, der uralte italienische Volkslieder in der Taverne von seiner Ex-Gemeinde gelernt hat. Eigentlich braucht man solche Priester in der Kirche…
Sorry. *rantover*
schön! Gänsehaut beim Lesen gehabt und fast den Weihrauch gerochen. Einen besonderen Tag eines besonderen Freundes miterleben zu dürfen ist sehr kostbar.
Ja. Sehr.
Neid auf dein glückliches Erleben. In meinem Fall wäre es ein ehemaliger Chorkamerad gewesen, der nach einem brillanten Abitur erst Kirchenmusik studierte, nach zwei Jahren Arbeit als solcher mal kurz ein Medizinstudium dranhängte, nach einigen Jahren als Facharzt für Allgemeinmedizin dann doch zu Theologie und Priesterseminar umschwenkte. Meine Einladung war zwar nur zum Chorgesang bei seiner Primiz, doch der Katholizismus hat mir zu viel angetan, als dass ich mich auch nur dazu durchringen konnte. Glück wünschte ich dem Herrn also von Ferne.
Der Katholizismus hat mir zwar nichts angetan, ich bin ihm aber auch nicht zugetan – von daher war ich im Vorfeld völlig unemotional. Aber es ist doch wunderbar, wenn jemand einen erfüllenden Berufung – ja, sogar eine Berufung für sich gefunden hat. Was immer es ist.
Das war mal wieder so ein Wort, wo ich überlegt habe, wohin der Beitrag jetzt führen wird. Aber es ist irgendwie auch nicht meine Welt…
Meine auch nicht …
Wie kam es nun zu diesem Geschenk?Was brachte dich drauf ?
Es ging mir darum: Jemand macht sich auf eine Reise, von der er/sie noch nicht weiß, wohin sie führt, lernt neue Menschen und Orte kennen – und sich selbst.
da merkt man dass man aus evangelischen gefilden kommt: als ich primizdan-kandacht gelesen habe erwartete ich dass es es um ein dorffest irgendwo auf dem balkan gehen würde.
Haha! Werft die Gläser an die Wand!
Die Geschenkidee finde ich sehr originell. Der Buchtitel ist so schön doppeldeutig und paßt auch zur Lebenssituation des Beschenkten – abgesehen davon, daß ich das Buch sehr gern gelesen habe.
Hihi, wie lustig, der Kreis schließt sich – lange Zeit hab ich Meike Winnemuths Blog auf ihrer Reise verfolgt und hier (Jahre später) lese ich seit langem mal wieder ihren Namen. Das Internet ist klein ;-)