In letzter Zeit gehe ich immer morgens ins Fitti.
Morgens, das heißt von acht bis halb zehn, bevor ich – wie man hier im Ruhrgebiet sagt – in den Puff muss. Also auf Schicht.
Wenn ich um 8 Uhr ankomme, sind die Freaks, die Pumper, die um 6.30 Uhr schon an der Fitti-Tür scharren wie Rentner vor der Arztpraxis, bereits fertig und stehen breitbeinig an der Theke, wo sie ein schäkerndes Schwätzchen mit der Empfangsdame halten. Sie kann zu dieser Uhrzeit kaum aus den Augen schauen, nickt aber immerhin teilnahmsvoll und schüttelt ihnen mit lethargischer Lässigkeit einen Eiweißdrink. Kleine, unsichtbare Testosteronbläschen entweichen währenddessen mit einem lautlosen Plopp den palavernden Pumper-Körpern; man möchte sie mit der Hand erhaschen wie Pustefix.*
Meinen frühen Sport-Einsatz beginne ich immer auf dem Crosstrainer, das kann ich kurz nach dem Aufstehen so gerade koordinieren, und schaue dabei Morgenmagazin. Zunächst schalte ich, des guten Willens wegen, zum Morgenmagazin auf ARD und ZDF, aber spätestens, wenn der erste Politiker interviewt wird, schweift mein Blick auf den Nachbarbildschirm zu SAT1, denn dort ist es ein bisschen interessanter, schon das Studio-Dekor ist bunter, außerdem ist die Hoeneß-Sache irgendwie durch, nur für Patrick Döring nicht. Auf SAT1 widmet sich hingegen endlich einmal ein Journalist der Garderobe von Willem, Prinz von Oranien; ein Thema, das in der aktuellen Krönungsberichterstattung viel zu kurz kommt.
Montagsmorgens ist immer ein Typ im Fitti, der ausdauernd schnauft, sobald ein Ansatz von Anstrengung einsetzt. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Anfangs dachte ich, ein asthmatischer Riesenschnauzer erlebe neben mir seine letzten Minuten. Da der Gute allerdings nicht nur beim Crosstrainern, sondern selbst beim Dehnen stöhnt, als beackere ihn gerade Thai-Masseurin Sonchai, genannt „Die Walze“, mit einer Intensiv-Akkupressur, ignoriere ich ihn, so gut es geht – was zwar kaum möglich, mit Musik in den Ohren aber einigermaßen gangbar ist, wenn man sich nicht gerade in Reichweite befindet, während er seinen Schweiß abschüttelt.
Manchmal treffe ich morgens Kollegen. Beim ersten Mal habe ich sie gar nicht erkannt. In Sporthose sehen sie plötzlich so anders aus. Als ich sie dann doch zugeordnet hatte, habe ich mich erschreckt, denn – oh Gott! – wer will sich schon, in der Bauchpresse klemmend, über Arbeit unterhalten. Oder gar, verkrampft freundlich, über private Angelegenheiten, das Wetter, das neue Carport, dass der Hibiskus sich gut im Garten macht (wenn nur dieses Läuse-Problem nicht wäre), wie erbaulich die Kinder sind (wenn nur dieses Läuse-Problem nicht wäre), nein danke. Die Kollegen dachten wohl dasselbe, denn wir sind stumm übereingekommen, dass wir uns zunicken und ansonsten so tun, als seien wir Fremde.
Nach dem Training verschwinde ich kurz im Wellness-Bereich. Danach bin ich nicht nur straff und stählern wie ein Einmachgummi, sondern auch eine saunaduftende Blume. Die Kollegen im Puff tun zwar so, als bemerkten sie nichts, erwähnen weder meine außerordentliche Körperspannung noch meinen Wohlgeruch, aber ich denke, es schüchtert sie einfach ein.
So ist das, morgens im Fitti. Sie sollten das auch mal machen. Wenn man erstmal da ist, muss man sich auch gar nicht mehr überwinden.
Kommentare
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Der sternchenbewehrte Satz hat gerade den ersten Rang in meiner ewigen Hitlist der Lieblingssätze gewonnen. Danke!
Es ist mir eine Ehre.
Genau das oder ähnlich Begeistertes wollte ich gerade auch schreiben. Ein Wahnsinns-Satz!
Liebe Frau Nessy,
Zuerst eine Frage: Unterscheiden Sie zwischen literarischen und nicht-literarischen Alliterationen?
Da ich gerade schwer damit beschäftigt bin, für meine Examensprüfung zu lernen hier mal meine Findlinge:
schäkerndes Schwätzchen
lethargische Lässigkeit
einen Eiweißdrink
palavernden Pump-Körpern
man möchte
ich immer
Willens wegen
es ein
endlich einmal ein
kurz kommt
ignoriere ich ihn
seinen Schweiß
Sporthose sehen sie
wer will
sich schon
dass der
ein Einmachgummi
schüchtert sie
einfach ein
mal machen
muss man
alle Alliterationen auftut
Kännchen Kaffee
Mit Gruß,
Iche
Sie waren sehr fleißig. Um nicht zu sagen etwas übereifrig. „Es ein“ – nun ja, für Artikel und Pronomen kann ich nichts. Echt nicht.
Und das Beste: Die Auflistung ist gleich Ihre eigene Geschichte.
Sie koennen ja mal einen Lueckentext zum Fortsetzen in den Kommentaren schreiben.
Ja bitte, legen Sie los. Ich bin dazu heute zu müde, aber es gibt doch die Nachtschicht, vielleicht könnte die …?
Was für eine unterhaltsame Berichterstattung – wenn ich meinen Vertrag nicht gerade diesen Monat gekündigt hätte, würde ich glatt wieder hingehen ;)
Sie könnten stattdessen morgens um 7 beliebte Joggingstrecken aufsuchen. Bestimmt findet sich dort ähnlich Erzählenswertes.
„Kleine, unsichtbare Testosteronbläschen entweichen währenddessen mit einem lautlosen Plopp den palavernden Pumper-Körpern; man möchte sie mit der Hand erhaschen wie Pustefix.“
Diesen Satz möchte man sich auf den Leib tätowieren oder zumindest auswendig lernen, um ihn immer dabeizuhaben.
Vielleicht erstmal drucken und ins Portmonee falten? Nicht, dass der Satz Ihnen irgendwann vom – pardon, aber seien wir realistisch, irgendwann trifft es uns alle – Winkfleisch hängt?
Das macht ja richtig Lust auf einen morgendlichen Fitness-Center-Besuch. ;-)
Sie mögen Riesenschnauzer?
Nicht wirklich, aber auf dem Radl strampelnd Fernseh schauen, und dann nach ein paar Stünderln als jugendfrische und saunaduftende Blume zu entschweben – das finde ich jetzt irgendwie absolut prickelnd…
Ich möchte Sie nicht desillusionieren, aber „auf dem Rad strampelnd Fernsehen schauen“ ist etwas euphemistisch. Sie müssten dazu noch etwa 200 SitUps machen, 200×60 Kilo in der Rumpfdrehung und 50×45 Kilo bei den Crunches, dazu ein bisschen rudern und etwas Latzug, aber danach schweben Sie, versprochen.
aha, jetzt verstehe ich es endlich. Es ist die Vorbereitung auf die Vorbereitung auf die Saisonvorbereitung.
Dieses Jahr besonders gründlich weil wegen Bildungsbandscheibe.
Ich wünsche wirklich wunderbare Wohlfühlerfolge.
Nix Vorbereitung. Es ist nur die Nachbereitung der Bildungsbandscheibe.
Oh!… Ja, da haben Sie Recht, das desillusioniert mich jetzt in der Tat…
Und nach der Nachbereitung schließt sich die Saisonvorbereitung (mit diversen Vorbereitungen) an? Oder bleiben Sie beim Zeitnehmen?
Liebe Frau Nessy,
mit dem Programm erkläre ich Sie hiermit offiziell zur Fitti-Kampfmaschine. Was für ein Programm! Mir perlt allein beim Gedanken an 200 Situps ein Schweißtropfen von der Stirn und meine Bauchmuskulatur verkrampft. Was tun Sie für das vorne-hinten-Gleichgewicht? Oder winden sich am Rücken schon titanenartige Muskelstränge die Wirbelsäule entlang und Sie müssen jetzt abdominal nachlegen?
Bewundernde Grüße,
der Ponder
Die Sache bei mir ist: Ich kann monatelang laufen, und es stellt sich lediglich eine marginale Leistungssteigerung ein. Aber einmal im Fitnesstudio am Gerät gewesen, und ich kann den Bolzen beim nächsten Mal direkt ein Loch tiefer einhaken. Manchmal würde ich es mir anders wünschen, aber in Sachen Rückenstabilisation ist es natürlich ein Vorteil.
Die gleiche Ueberlegung – geh wenn die Fanatiker wieder fort und die Mittagspausengeher noch im Buero sind – habe ich auf den hiesigen Wassertempel angewendet. Und es funktioniert in etwa so, wie Sie das anpreisen: die stetige Belegschaft ist friedlich und etwa gleichgesinnt, der Aquajogging-Kurs nebenan gibt etwas abwechselndes zum Anschauen. Der grosse Vorteil: die Riesenschnauzer versinken und keuchen einem nicht ins Ohr. Dafuer muss man mit gelegentlichen Elefanten und Walfischen die die richtige Spur nicht finden leben – und mit weniger Alliterationen.
//PS. Ihre Kollegen sind bestimmt nur zu wohlerzogen um ein Wort zu verlieren
Wie, weniger Alliteration?
Das Wasser wimmelt vor winselnden Walen, einige elegische Elefanten erleben Erfolge, man muss nur genau hinschauen.
Dazu die simultan springenden, seekuhartigen Suffragetten, die seismisch relevante Wellen bewirken.
„rhythmisch relevante Raum-Zeitschwingungen“ (=Wellen), sonst bin ich d’accord.
Aber tut mir leid, bei kuenstlerischem Nachdenken ueber Wasser fallen mir in letzter Zeit nur Giraffen ein:
grazile Giraffen gehen geschmeidig ganz gradlinig geneigte Graden herab bis an den Beckenrand (genauer gesagt geht ihnen das Wasser gerade zum Knie)
(also gut, nun denke ich an Hildegunst von Mythenmetz)
Für eine Mythenmetz’sche Abschweifung ist das aber noch viel zu kurz! Brummli!
Irgendwie bin ich trotzdem ganz froh, dass ich um 8 Uhr schon ne Stunde arbeite und mir solche Sportlertempel-Begegnungen erspart bleiben. Oder eher den anderen… Aufgrund ausgeprägter Morgenmuffligkeit würde ich den Schnaufer z.b. wahrscheinlich einen schnaufenden Heldentod sterben lassen…
Gibt es auch Möglichkeiten, ohne dieses Fremdwort an ein Kännchen Kaffee zu kommen, wenn ich das nächste mal im Puff, ach nein Pott, bin?
Aber sicher. Schreiben Sie mir eine Mail, bevor Sie losfahren.
ach ja… der crosstrainer…konstante körperkräftigender kinetik
http://skizzenblog.clausast.de/2011/02/bad-machines.html
Fitness-Studio? Das „ist doch irgendwie neunziger“. Oder gar achtziger, denkt man an die besagten Anabolika-Bomber, die dort offenbar – mitsamst ihren diversen Schwellungen (und schlimmer Rücken-Akne?) – überlebt haben…
Zumindest die lokale Muckibude hier beherbergt ein durchaus gemischtes Publikum – vom Muskelmann bis zum moppeligen Bürohengst, von der drahtigen Fitness-Amazone bis zur wohlondulierten Rentnerin ohne Schweißdrüsen – alles da. Auch Ächzer, Stöhner und Schnaufer :)
Ich finde es sehr unterhaltsam. Für den Zeitgeist gibt’s da jetzt ja auch Wellness und so’n Pipapo ;)
Viele Grüße,
der Ponder
Sie haben eine etwas antiquierte Vorstellung vom Fitti, Herr FF. Heutzutage sind das Wellness-Tempel. Okay – die ganz preiswerten nicht, da geht’s eher traditionell zu. Aber für 10-20 Euro mehr im Monat gibt’s viele Kurse, Spinning, gute Geräte, zehn Fernseher und einen Saunabereich mit Außenterrasse und Blick über die Stadt.
Sie schreiben Läuse und ich muss mich direkt am Kopf kratzen. Verdammt. Und – Gedankensprünge inklusive – : Finale!
Zu schade, dass mein Fitti immer erst um 9 Uhr aufmacht, wenn ich bereits im Bürostuhl festklemme…
Was für die einen schade ist, ist für die anderen eine glückliche Fügung.
Ach da ist mein Riesenschnauzer!!!!! Ich suche ihn schon überall!!! Arnold, komm zu Mama!! Komm!!
*Nach dem Training verschwinde ich kurz im Wellness-Bereich. Danach bin ich nicht nur straff und stählern wie ein Einmachgummi, sondern auch eine saunaduftende Blume. Die Kollegen im Puff tun zwar so, als bemerkten sie nichts, erwähnen weder meine außerordentliche Körperspannung noch meinen Wohlgeruch, aber ich denke, es schüchtert sie einfach ein.*
Davon würde ich ausgehen. Aber wenn Sie schon nicht gern Kollegen beim Sport treffen, wie verhält es sich dann in der Sauna? Mein persönlicher Alptraum…
Also…. Morgens in meinem Fitti:
Es ist sooo teuer, dass ich dort fast nur Pensionisten antreffe. Was sich als gar nicht so unangenehm herausgestellt hat; weil man sich die Beine nur noch jede 2.Woche enthaaren muß! –haben beim Morgensport eh alle keine Brille auf!
Wenn ich meine Muskel stähle….bin ich die aller stärkste! — mehr als „die alle“ schaff ich mit links!
Auch in der Damensauna fühle ich mich (trotz meiner 39 und immerhin 3 Schwangerschaften) Jung und Sexy!!Und wenn ich dann an der “ Reception“ wieder
„Austscheke“mir eine 17 jährige magere Blondine meine persönliche „Card“ retourniert ; und ich meine 10 Monate alte Tochter aus dem „Kidsclub“ abhole;—- senkt sich der Altersdurchschnitt doch enorm !!! ;))
[…] Die liebe Nessy macht Sport. […]