Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Lektüre«

Liebe, Gewalt und Verdammnis

2. 05. 2010  •  Keine Kommentare
Irene Dische. Loves – Lieben.
24 Erzählungen über die Liebe, mit der Liebe, von der Liebe. „Spannend, anrührend und manchmal verblüffend“ steht auf dem Klappentext. Mich berührte leider keine einzige Geschichte in meinem Herzen. Schade. Nach „Großmama packt aus“ hatte ich mir mehr versprochen.

Milan Kundera. Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins.
Eine Liebesgeschichte zur Zeit des Prager Frühlings. Tomas lernt Teresa kennen und verliebt sich sofort. Seine anderen Lieben gibt er aber nicht auf. Die beiden ziehen in die Schweiz und wieder zurück nach Prag, erfahren Nachteile durch das kommunistische Regime – und lieben sich weiter, irgendwie, auf ihre Weise. Die Geschichte mag hohe Literatur sein, berühren tut sie mich nicht. Die Handlung ist zu bruchstückhaft, die Charaktere bleiben auf Distanz.

Stieg Larsson. Verdammnis.
Der Journalist Mikael Blomkvist bekommt Wind von Fällen von Mädchenhandel. Schon bald werden sein Informant und dessen Freundin tot aufgefunden. Lisbeth Salander schaltet sich in die Recherche ein – und gerät bald selbst unter Verdacht. Lisbeths eigenwillige Art ist gewöhnungsbedürftig. Das Bild des benachteiligten, ungerecht behandelten Mädchens nervt. Sie widersetzt sich Gesetzen – und wähnt sich im Recht. Das Buch ist nett und auch recht spannend zu lesen – aber mit Lisbeth werde ich nicht warm.

Rohinton Mistry. Das Gleichgewicht der Welt.
Bombay 1975. Vier Menschen treffen aufeinander: die Witwe Dina, die sich als Schneiderin verdingt und schlechte Augen kriegt. Die Schneider Om und Ishvar heuern bei ihr an. Manek, ein junger Student aus gutem Hause, wird ihr Untermieter. Die Vier treffen Rajaram, den Haarsammler, Bettlermeister, einen Zuhälter für Bettler, und den Korrekturleser Mr. Valmik, der gegen Druckerschwärze allergisch ist. Im Leben der vier Menschen spiegelt sich die indische Gesellschaft wider: das Kastensystem, politische Unruhen, Gewalt und Willkür. Das Buch ist große Epik, fremd, entsetzlich berührend – und nur manchmal etwas zu ausufernd.

[Mehr Gelesenes]

Gelesen

2. 04. 2010  •  1 Kommentar
Colin Cotterill. Dr. Siri und seine Toten
Dr. Siri, Anfang 70, ist der einzige Leichenbeschauer Laos‘. Er arbeitet mit schlechter Austattung, und wenn er doch einmal etwas herausfindet, lässt das Regime seine Erkenntnisse unter den Tisch fallen, weil sie politisch unerwünscht sind. Doch Dr. Siri ermittelt eigenmächtig und mit einer guten Mütze Verschrobenheit weiter. Ein wunderbar ungewöhnlicher Krimi mit kleinen Einblicken in die fremde Kultur. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Sara Gruen. Wasser für die Elefanten
Ein Zirkus kommt in die Stadt. Der alte Jacob sieht es aus dem Fenster seines Altersheims. 70 Jahre zuvor, in der Zeit der Großen Depression, arbeitete er selbst bei einem Wanderzirkus – mit Artisten, Tieren und einer Dicken Dame. Er verliebt sich: in Rosie, den Elefanten, die nichts kann außer fressen, und Marlena, die verheiratete Dressurreiterin.

Es ist ein Buch mit zwei Jacobs: dem heutigen, der im Kampf gegen seinen geistigen und körperlichen Verfallen lebt, und dem damaligen, der unbedarft bei „Benzini’s Spektakulärster Show der Welt“ anheuert. Ein fröhliches und ein trauriges Buch, eine außergewöhnliche Geschichte, ein aufrichtiger Protagonist. Lesenswert.

Katharina Hagena. Der Geschmack von Apfelkernen
Tante Bertha stirbt. Nichte Iris erbt das Haus. Sie küsst den Bruder einer Kindheitsfreundin und erzählt in Rückblicken die Geschichte ihrer Tante und ihrer Kusinen. Rührselige Geschichte, eindimensionale Handlung. Keine Ahnung, warum das Buch auf den Bestsellerlisten steht. Wahrscheinlich, weil ganze Bataillone von Mittvierzigerinnen sie ihren Freundinnen schenken.

Heinz Strunk. Die Zunge Europas
Markus Erdmann ist Gagschreiber, macht aber die meiste Zeit nichts. Jeden Sonntag besucht er seine grantelnde Großmutter. Mit seiner Freundin Sonja hat er sich in behaglicher Gleichgültigkeit eingerichtet. Dann trifft er die gut aussehende und witzige Janne im Zug. – Eine Woche im Leben des Misanthropen Markus Erdmann: Lebenskrise trifft Zynismus trifft Beobachtungsgabe. Seltam gut, wenngleich ohne große Handlung und bisweilen zu selbstverliebt.

Markus Zusak. Die Bücherdiebin
Ein Buch, dessen Erzähler der Tod ist. Ein Mädchen, das um des Lesens willen liest. Ihre Pflegeeltern, die an ein Versprechen gebunden sind. Und rundherum der Zweite Weltkrieg, der Holocaust, die Geborgenheit des Straßenfußballs – und Rudi.

Der Erzähler ist distanziert, aber emphatisch; sein Sprachstil ist erfreulich einfach – was das Grauenvolle der 1930er und 40er Jahre noch grauenvoller macht und womit er der Hauptfigur, die kleine Bücherdiebin Liesel Meminger, in ihrem Charakter mit jeder Seite mehr Tiefe schenkt. Ein klasse Tipp, der mich am Ende ein paar Tränen gekostet hat. Lesen!

[Fortsetzung folgt. Bin ja erst am Anfang.]

Seit dem Urlaub …

24. 02. 2010  •  Keine Kommentare
… gelesen:

Andrew Sean Greer. Die Nacht des Lichts
Astronomen, deren Leben dem Lauf eines Kometen folgt. Alle sechs Jahre treffen sie sich wieder. Dazwischen leben sie, lassen sich leben, kreuzen sich ihre Wege, laufen sie auseinander. Ein intelligent konstruiertes Mosaik – doch kommt man als Leser nie an die Figuren heran. Ein Manko.

Andrew Sean Greer. Geschichte einer Ehe
„Wir glauben, die zu kennen, die wir lieben“, denkt Pearlie und erlebt genau das Gegenteil. Doch: Was ist Liebe? Dem Ehemann ein angenehmes Leben bescheren, indem man die schlimmen Nachrichten aus der Zeitung ausschneidet? Oder für ihn auf den eigenen Lebenstraum verzichten? Auch hier: eine Geschichte, interessant konstruiert, aber fern davon, Empathie zu erzeugen.

Jo Nesbo. Der Fledermausmann
Kommissar Harry Hole soll in Australien den Mord an einer Norwegerin aufklären. Er begegnet dabei den Mythen der Aborigines, allerlei verschrobenen Figuren – und verliert sich darin so sehr, dass ich den Krimi nicht zu Ende gelesen habe. Zu langatmig, zu verworren, zu dünne Story, zu wenig stringent erzählt.

Isabell Allende. Das Siegel der Tage
Geschichte der Familie Allendes nach dem Tod von Tochter Paula. Zwei lesbische, buddhistische Nonnen nehmen sich eines elternlosen Säuglings an, der Sohn muss drei Kinder durchfüttern, Allendes Mann versucht sich am Schreiben, sein Buchhalter bestellt eine Frau aus dem Katalog. Alles sehr nett, manchmal ein bisschen zu gefühlig, aber alles in allem gut in der Bahn zu lesen. Definitiv ein Frauenbuch.

Aktuell auf dem Nachttisch: Ian Rankin. So soll er sterben.
Ein Ausländer wird erstochen. Im Keller eines Pub finden sich zwei Skelette. Eine Bürgertochter verschwindet. Die Kommissare Rebus, Clarke und ihre Kollegen ermitteln. Bis Seite 200 – dort bin ich jetzt – ist allerdings wenig Schwung in der Geschichte. Größtes Problem: zu viele Ermittler an zu vielen verschiedenen Orten. Ich werde aber trotzdem weiterlesen. So arg schlecht wie „Der Fledermausmann“ ist es bislang nicht.

Fazit: alles nicht der Burner. Hat jemand Lesetipps?

Ende der Leseferien

8. 01. 2010  •  Keine Kommentare
*** Im Urlaub gelesen ***

Stefan Merill Block. Wie ich mich einmal in alles verliebte.
Ein Buch ueber Liebe, Sehnsucht, Lebenssinn und Alzheimer. Nicht immer freundliche, aber ehrliche Geschichte mit etwas, das kein Happy End ist, aber doch zufrieden stimmt.

Paulo Giordano. Die Einsamkeit der Primzahlen.
Zwei junge Menschen, die sich finden und wieder verlieren, weil sie sich selbst nicht lieben koennen. Keine froehliche Erzaehlung, aber immer nah an den Protagonisten – und deshalb gut.

Asa Larsson. Bis Dein Zorn sich legt.
Zwei Teenager kommen beim Eistauchen um. Die Leute im Dorf geben sich verschlossen. Eine Unternehmerfamilie rueckt schnell ins Visier der Ermittler. Solider Krimi, der stimmungsvoll beginnt, zum Ende hin die Erwartungen aber nicht ganz erfuellt.

J.R. Moehringer. Tender Bar.
Autobiografie: Junge einer alleinerziehenden Mutter schlaegt sich durchs Leben und bis nach Yale durch. Sein Fixpunkt und Heimathafen sind eine Bar und ihre verschrobene Kundschaft. Eine brilliante Erzaehlung, die in der Mitte Laengen hat, aber im letzten Drittel wieder an Fahrt gewinnt. Selbstzweifel und Trunksucht Moehringers nerven etwas.

Dieter Moor. Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht.
Moderator von „titel, thesen, temperamente“ erzaehlt, wie er mit seiner Frau in Ostdeutschland einen Bauernhof kaufte und heimisch wurde. Kurzweilig und liebevoll.

*** Im Urlaub gehoert ***

Klaus Bednarz. Oestlich der Sonne.
Bednarz reist vom Baikalsee bis an die Behringstrasse und nach Alaska. Grandiose Erzaehlung, bei der sich der Autor sehr zuruecknimmt und seine Beobachtungen und Gespraechspartner fuer sich stehen laesst. Fantastische Stimme.

Daniel Glattauer. Der Weihnachtshund.
Singlemann mit Kussphobie will ueber Weihnachten auf die Malediven und deshalb seinen Hund abgeben. Singlefrau moechte ihn nehmen – den Hund und hinterher auch den Mann. Die Story ist duenn, die Hindernisse der Liebenden ganz schlimme Comedy. Unterirdische Geschichte.

Jan Weiler. Liebe Sabine. und MS Romantik.
Frau verlaesst Mann. Frau bekommt von Mann einen letzten Brief – und von seiner Sekretaerin ein Tonband dessen, was er eigentlich sagen wollte. Im zweiten Teil ist er auf Singlekreuzfahrt, und das Schiff geht unter. Kann man hoeren, muss man nicht. Die Folgen dauern jeweils eine Stunde, das macht`s kurzweilig.

***

Bitte hoffen Sie mit mir, dass Tief Daisy mich zurueck nach Hause laesst. Wetter heute, am letzten Tag auf der Sonnenliege: 30 Grad, eine leichte Brise. Fuer die Heimreise: Jo Nesbo. Der Fledermausmann (lesen) und Sophie Kinsella. Kennen wir uns nicht? (hoeren).

Adiós, Teneriffa. Adiós, Sommer.

Du sollst dir kein Bildnis machen

26. 02. 2009  •  Keine Kommentare
Ich blättere in der Bibliothek, lese Dieses und Jenes. Darunter Max Frisch, der im April 1946 in sein Tagebuch schreibt:

„Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei.“
– und bemerke eine Parallele zu Peter Høeg, der „Fräulein Smilla“ sagen lässt:

„In der Großstadt lernt man, die Umwelt mit einem besonderen Blick zu betrachten. Mit einem fokussierenden, punktweise herausgreifenden Blick. Wenn man eine Wüste oder eine Eisfläche überschauen will, sieht man anders. Man lässt die Einzelheiten um der Gesamtheit willen aus dem Fokus herausgleiten. Ein solcher Blick sieht eine andere Wirklichkeit. Betrachtet man dagegen auf diese Weise ein Gesicht, beginnt es, sich in eine ständig verändernde Serie von Masken auszulösen.“
Den Menschen, den wir lieben – und damit meine ich denjenigen, der ein Reserviert-Schild in unserem Herzen hat -, konnten wir nur lieben lernen, weil wir es vollbracht haben, uns aus unserer Verliebtheit – der innigen Detailverliebtheit – herauszulösen. Wir haben es geschafft, unseren Blick von den Einzelheiten abzuwenden, von seinen Augen, seinem Mund, seinem Humor, von seiner Eigenart, ernste Dinge anzusprechen oder auf unernste zu reagieren. Es gab einen Moment, in dem wir ein Stück zurückgetreten sind; in dem die kleinen Mosaiksteine seines Wesens sich zu einem Bild formten, das wir mit Abstand – und nur mit Abstand wahrnehmen können.

Weshalb uns wiederum die Kleinigkeiten entgleiten. Sollten wir einmal den Liebsten beschreiben müssen – wo fingen wir an?

Treten wir zu diesem Zwecke wieder an ihn heran wie an ein großes Bild in einer Museumshalle, so nah, dass die verschlafene Aufseherin uns von ihrem harten Holzstuhl aus zur Ordnung ruft, und lassen wir unseren Blick von links nach rechts nach oben nach unten schweifen, sehen wir nur eine sich ständig verändernde Auswahl kleinster Pinselstriche, von denen wir nicht wissen, wo wir beginnen sollen, sie zu beschreiben. Denn sie scheinen allesamt ungeordnet und wirr in ihrer Einzelbetrachtung.

Wenn wir aber einen Schritt zurücktreten, sehen wir nur noch die Summe der Pinselstriche, nicht aber die einzelnen Streiche. Was wir wahrnehmen, ist das Bild, ist der Geliebte in seiner Gesamtheit. Wenn wir nun aber beginnen, nach Worten zu suchen, das Kunstwerk zu beschreiben, seine Charakterzüge zu erklären, ist es nur seine Wirkung, für die wir eine erschöpfende Darstellung finden – nicht aber für das Gemälde selbst.



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