Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Schweine | Ich beginne ausnahmsweise in umgekehrter Reihenfolge: mit den Schweinen. Die vergangene Woche war dadurch geprägt, dass ich täglich ein Loch in ein Meerschwein bohrte, eine Kanüle reinsteckte und es ausspülte. Aber von vorn.

Als wir aus Garmisch heimkamen, schaute ich unseren Best Ager an und dachte: Irgendwas stimmt nicht. Der Dicke, der gar nicht mehr dick war, hatte eine große Beule am Hals. Ich packte ihn in eine Box und stellt ihn seiner Hausärztin vor. Er war sehr schlecht gelaunt.

Schlecht gelaunt schauendes Meerschwein in einer Transportbox

Diagnose: Abszess im Kiefer. Die Ärztin holte eine Asistentin, rasierte dem Dicken den Hals, besprühte ihn mit Eisspray und schnitt ihn auf. Grüne, übel riechende Flüssigkeit sprudelte aus dem Schwein, ein wahrer Fluss, es tropfte vom Behandlungstisch auf den Boden. Ich plante parallel seine Beerdigung, denn meine Güte: Das Dramaschwein, die Götter haben es seelig, verstarb an Geringerem – und zwar deutlich jünger. Der Dicke ist immerhin fast sechs, ein gesegnetes Alter für ein Schwein.

Nach der Behandlung packte ich den Patienten ein, bekam Schmerzmittel und eine Lösung mit, um die Wundhöhle zu spülen, Spritzen, Kanülen und Päppelbrei – 1,5 Milliliter hiervon, 10 Milliliter davon, 60 Gramm davon. Schielend und schicksalergeben saß er in seinem Kasten. Ich trug ihn zurück nach Hause.  „Ist er tot?“, fragten die Kinder. Sie hatten sich schon von ihm verabschiedet und ihm vor dem Arztbesuch finale Erbsenflocken gegeben. „Nein“, sagte ich. „Aber es wird schwierig.“

Seither spüle ich täglich das Schwein, eine Tätigkeit, die uns allen viel abverlangt. Der Reiseleiter hält es im Zwangsgriff, ich steche die Wunde auf, schiebe die Spritze rein, spüle die Wundhöhle und massiere sie aus. Niemand will das, zuvorderst das Schwein. Die Prozedur zeigt jedoch Wirkung: Seit gestern braucht der Dicke keinen Päppelbrei mehr, hält sein Gewicht, zeigt normales Schweineverhalten und sogar eine leidliche Genervtheit, was ich als gutes Zeichen werte.

Schwein in einer kleinen Schale auf einer elektronischen Waage

Zwischenzeitlich gab es ein zweites Sorgenschwein. Während der Dicke stationär lag, hatte das Pionierschwein einen Moralischen. Als ich morgens den Stall öffnete, rannte es auf die Wiese, setzte sich neben die Gartenliege, blieb dort und starrte ins Leere. Über Stunden bewegte es sich nicht, keinen Millimeter, fraß nichts, reagierte auf nichts. Vor allem wollte das Schwein nicht zurück in den Stall, ums Verrecken nicht.

Ich jagte es halbherzig durch den Garten. Es versteckte sich zwischen den Blumen und starrte regungslos weiter.

Am Abend fing ich das Schwein mit einem billigen Trick, damit der Fuchs es nicht tat. Am Abend des zweiten Tages – es hatte wieder den ganzen Tag in den Blumen gesessen, psychisch instabil – das Gleiche. Diesmal setzte ich allerdings den Dicken dazu: Sein stationärer Aufenthalt war beendet. Das Pionierschwein kuschelte sich an ihn, gemeinsam verschwanden sie in einem Häuschen, der Rest ist privat. Seither verhält sich es sich wieder normal. Meine Güte!


Stadtbild | Nur ein Absatz von mir zur Stadtbild-Debatte – ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt etwas schreibe.

Das Wesen europäischer Städte ist seit jeher Vielfalt. Zuwanderung und Diversität haben uns Wohlstand und Innovationen gebracht – man denke nur an die Hansestädte, die davon lebten (und leben), dass sie Menschen anziehen. Was sich aktuell zeigt, ist verfehlte Stadtentwicklungspolitik: Wir erleben schon seit vielen Jahren zu wenig Fortschritt, weil die Kommunen unterfinanziert sind, weil sie nicht in die Lage versetzt werden, ansprechende Quartiere mit guter sozialer Durchmischung, bezahlbarem Wohnraum und guten Freizeiteinrichtungen zu schaffen, weil Straßen zerbröseln, weil es in Schulen reinregnet und weil die Städte keine Handlungsspielräume haben, gute Integrations- und Sozialpolitik zu gestalten. Die Menschen erleben: Für mich und mein Umfeld ist kein Geld da, ich bin es nicht wert. Die Menschen erleben auch: Wer sich fehlverhält, erfährt keine Konsequenzen – aus Mangel an Personal, aus fehlendem Handlungsspielraum heraus. Das treibt lokale Problemlagen. Was wir brauchen, ist die Chance, unsere Städte im europäischen Sinne zu gestalten: innovativ, nach vorne gewandt und förderlich für die Menschen, die dort wohnen. Das schließt mit ein, neue Wege zu gehen, auch gegen Widerstände: den Menschen Raum zu geben statt den Autos, Gemeinschaft zu schaffen, die Städte inklusiv und barrierefrei zu gestalten, lokale Kleinunternehmer’innen zu fördern, Familien und Kinder ins Zentrum zu holen, Bildungs- und Kulturangebote zu stärken, Intergration zu unterstützen und konsequent zu lenken – im Sinne der Gemeinschaft. Aktuell haben wir nicht einmal Geld für das Notwendige, geschweige denn für das Schöne. Das zu ermöglich, wäre die Aufgabe der Bundesregierung, des Kanzlers. Von dort kommt nichts als populistische Restriktionspolitik – ohne Gestaltung, ohne Zukunftszugewandtheit.


Garmisch-Partenkirchen | Der letzte Urlaubstag sei hier noch dokumentiert, Chronistenpflicht. Wir beschlossen, mit der Bergbahn auf die Alpspitze zu fahren. Die Kinder wollten Schnee erleben, wilde Wanderungen unternehmen und Klettertouren in hoher Höhe machen. Erstes beschieden wir positiv, Zweites und Drittes negativ mit Verweis auf den Instagram-Account der Grainauer Bergwacht und dort vorhandene, eindrückliche Reels von Rettungsaktionen.

Wir fuhren also hinauf. Es stellte sich als gute Idee heraus. Allein das Hochfahren entlang der hohen Felswände war ein Erlebnis. Oben war alles verharscht, Wind wehte, nur wenige Wege waren begehbar. Wir taten, was man tun konnte, liefen ein wenig herum, die Kinder warfen Schneebälle, machten kleine, ungefährliche Rutschpartien.

Wir fuhren hinab zur Hochalm. Dort kein Schnee und Eis. Beschwingten Schrittes liefen wir den halbstündigen Weg zur Kreuzeckalm, genossen den Fernblick, und fuhren wieder ins Tal. In der Stadt hatte ich tags zuvor einen Tisch in einem trutschig-hübschen Café reserviert. Dort trafen wir eine Bloggerin nebst Gatten, aßen Kuchen und Strudel, tranken Kaffee und Kakao und unterhielten uns gut.

Am nächsten Morgen reisten wir früh ab, der Nebel lag tief im Tal.

Zugspitzmassiv und Waxenstein, beides schneebedeckt, forotgrafiert vom Balkon. Es ist morgendämmerig. Vor den Bergen liegt Nebel in den Straßen.

Noch vor sieben Uhr waren wir am Bahnhof. Der Zug stand schon dort; wir setzten uns hinein und packten unser Frühstück aus. Pünktlich kamen wir in München an und wechselten in den ICE Richtung Essen. Zwischen Würzburg und Aschaffenburg dann Personen im Gleis und eineinhalb Stunden Warten. Danach ging es weiter. Gegen 16 Uhr waren wir daheim.


Vergnügliches Wochenende |  Drei vergnügliche Erlebnisse an zwei Tagen: Ich traf mich mit den Dortmunder Handballveteraninnen. Wir frühstückten in einem gemütlichen Café in Essen türkisch-arabische Speisen in deutschem Oma-Ambiente, das gefiel mir gut. Am Abend fuhren der Reiseleiter und ich ins Schlosstheater nach Münster und sahen uns den Bruce-Springsteem-Film Deliver Me From Nowhere an. Tolle Schauspielleistung von Jeremy Allen White und Jeremy Strong, dazu weiche Kinositze. Das gefiel mir auch gut.

Auf dem Weg zum Kino entdeckten wir, dass Send ist, Kirmes. Am nächsten Tag fuhren wir nochmal nach Münster. Wir wollten zwei Dinge tun: Riesenrad fahren und einen guten Barrista-Kaffee trinken. Im Riesenrad war es super, und der Kaffee war nicht nur gut, er war sensationell, ebenso der Kuchen, ein Kürbis-Cheese-Cake.

Ein Wochenende powered by Deutschlandticket, sehr kommod.


Gelesen | Gerhard Kebbel: Eine andere Geschichte. Die Handlung: Toni, Literaturstudentin in der Sinnkrise, nimmt einen Job im Altenheim an. Dort trifft sie auf Demian Ritter – einen charismatischen alten Mann mit faszinierenden Geschichten aus seinem Leben. Doch je tiefer Toni in Ritters Vergangenheit eintaucht, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Erfindung. Toni und ihr Freund Anselm, ein Wirtschaftsprüfer, versuchen, Ritters Geheimnissen auf die Spur zu kommen, und geraten dabei in einen Strudel aus Geschehnissen, die alles in Frage stellen, was ihr Leben ausmacht.

Die Anlage der Erzählung ist vielversprechend. Mit zunehmendem Fortgang mäandert sie jedoch recht ziellos zwischen Beziehungsroman, Wirtschaftskrimi und Coming-of-Age-Geschichte, und die Spannung zerfällt zwischen Detailverliebtheit. Hier und da haben sich Rechtschreibfehler eingeschlichten, eine Person wechselt mal den Namen – als ich nachsah, stelle ich fest: Das Buch ist im Selbstverlag erschienen, ein Lektorat hätte ihm gut getan.

Kommentare

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  1. Mareibianke sagt:

    Offenbar ist das Schwein übern Berg, wie schön! Und sag noch einer, dass Tiere nicht trauern!
    Ihren Ausführungen zur Stadtbildthematik schließe ich mich vollumfänglich an.

  2. Nea sagt:

    Hallo, schönen Dank für den Stadtbildkommentar.
    Und: Ob Sie den Namen des Cafés in Münster verraten?
    Beste Wünsche…

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