Zu meinem letzten Beitrag kommentierte André:
Du hattest hier über viele Ideen geschrieben die du umsetzen möchtest wenn du gewählt wirst und hast die konkreten Lösungen nur angedeutet. Wirst du die Lösungen im Nachhinein noch veröffentlichen? Vielleicht wird die eine oder andere ja doch noch aufgegriffen und umgesetzt.
Als „Lösungen“ würde ich meine Gedanken noch nicht bezeichnen. Damit ich einen Gedanken „Lösung“ nenne, braucher einen deutlich höheren Reifegrad. Ich bin allerdings überzeugt, dass bei vielen Ideen etwas Machbares rauskommen kann, wenn man will.
Es folgt Ideensammlung, die über ohnehin stattfindende Maßnahmen wie kommunale Wärmeplanung, Klimaschutzanpassung, Sanierung von Schulen, Radwegeausbau, energetische Ertüchtigung städtischer Liegenschaften … [Weiteres bitte gedanklich ergänzen] … hinausgeht.
Mobilität | Beginnen wir mir mit dem Thema Mobilität.
Die Einführung eines Carsharings ist jüngst gescheitert. Die Stadt hätte für den Start eine kleine Bürgschaft übernehmen müssen; die konservative Mehrheit im Stadtrat hat es abgelehnt, in dieses Risiko zu gehen und auf diese Weise ein Carsharing-Angebot zu ermöglichen, dass Menschen dazu bewegen könnte, zumindest auf Zweit- und Drittwagen zu verzichten. Meine Idee dazu: Die Verwaltung wird Hauptkunde des Carsharing-Anbieters. Sobald bestehende Leasingverträge beziehungsweise Abschreibungsfristen der vorhandenden Fahrzeugflotte einen Wechsel möglich machen, nutzen die Mitarbeitenden Carsharing-Pkws. Zu Kernarbeitszeiten stehen diese Fahrzeuge alleinig der Verwaltung zur Verfügung, außerhalb der Kernarbeitszeiten auch der Allgemeinheit. Das schafft schonmal ein grundlegendes Angebot. Der Anbieter hat eine wirtschaftliche Basis, sein Angebot auszubauen. Die Stadt hat als Hauptkunde eine Verhandlungsmacht. Möglicherweise reduziert es auch Kosten.
Carsharing ist relevant, weil wir fast 34.000 Fahrzeuge in Haltern angemeldet sind, davon 24.700 Pkw (Quelle). Das sind 0,87 Fahrzeuge pro Einwohner, vom Baby bis zum Greis. Firmenwagen, die andernorts angemeldet sind, aber von Menschen hier gefahren werden, kommen noch dazu – es steht zu vermuten, dass wir annähernd ein Verhältnis von 1:1 erreichen, pro Einwohner ein Auto. Wir haben also einen enorm hohen KfZ-Bestand, darunter zahlreiche Zweit- und Drittwagen.
Im November 2024 fand ein Bürgerrat zum Thema Mobilität statt. Der Wunsch, unisono: weniger Abhängigkeit vom Auto. Bislang haben wir in der Stadt kaum Fahrradstraßen. Die wenigen vorhandenen Fahrradstraßen sind schlecht markiert. In der juristischen Kommentierung der Straßenverkehrsordnung von Schurig/Karg, 18. Auflage, heißt es:
Die Anordnung einer Fahrradstraße kommt nur auf Straßen mit einer hohen oder zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte, einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder auf Straßen vor lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr in Betracht.
Weiter heißt es:
Eine hohe Fahrradverkehrsdichte, eine hohe Netzbedeutung für den Radverkehr setzen nicht voraus, dss der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist.
Und:
Eine zu erwartende hohe Fahrradverkehrsdichte kann sich dadurch begründen, dass diese mit der Anordnung einer Fahrradstraße bewirkt wird.
Infolgedessen hätte ich mir gerne einen Stadtplan hergenommen, gemeinsam mit Mitarbeitenden alle Straßen markiert, auf die die obige Verwaltungsvorschrift zutrifft und dann flugs beschlossen, mit welchen zehn Straßen wir starten, um den Radverkehr zu stärken und sicherer zu machen.
Schlüssel für die Entwicklung des ÖPNV im ländlichen Raum sind aus meiner Sicht On-Demand-Verkehre und autonome Buslinien. Alles andere lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen. Ich bin eine Freundin davon, das Ganze strategisch anzugehen, zum Beispiel mit einem Partner wie Mobile Zeiten, um wie beim Kasseler Projekt zunächst Bewegungsdaten zu analysieren und daraufhin ein testweises Angebot aufzubauen. Zu autonomen Verkehrsmitteln gibt es aktuell diverse Versuche, möglicherweise findet sich Ähnliches auch zu On-Demand-Verkehren.
Digitalisierung und Erreichbarkeit | Bei vielen Verwaltungsvorgängen ist, gelinde gesagt, Potential, was Digitalisierung angeht. Mit meiner beruflichen Erfahrung wäre ich sicher gut geeignet gewesen wäre, Digitalisierung voranzutreiben.
Die neue Homepage der Stadt Haltern ist jüngst an den Start gegangen. Doch egal, wie gut man eine Websitze gestaltet: Als Besucher’in findet man nie direkt, was man sucht. Meine Idee ist, einen Chatbot zu implementieren, der Antworten gibt: „Ich möchte Sperrmüll bestellen.“ – „Sehr gerne. Wo wohnst du in Haltern?“ – „Bahnhofstraße 7.“ – „Der nächste Abholtermin ist am 25. September. Stell die Sachen bis 6 Uhr an die Straße. Wenn du dieses Formular für uns ausfüllst (Link) und absendest, kommen wir pünktlich vorbei. Hier noch unsere Hinweise, was wir mitnehmen (Checkliste).“ Oder: „Ich möchte heiraten. Was muss ich tun?“ – „Herzlichen Glückwunsch! Hier eine Liste …“ – und so weiter. Erste Ansätze dazu gibt es schon. Parallel muss man natürlich die ganzen dahinterliegenden Daten und Prozesse aufbereiten (Das wird ein Spaß!).
Mein Ziel wäre es auch gewesen, näher an den GovTech Campus zu rücken. Er fördert die Zusammenarbeit von Verwaltung, Wissenschaft und Technologie-Unternehmen für eine Digitalisierung der Verwaltung. Ich würde gerne von Projektdesigns und Proof of Concepts profitieren, um Dinge in der eigenen Verwaltung umzusetzen.
Parallel zur Digitalisierung möchte ich die analoge Erreichbarkeit stärken. Die Verwaltung soll zu den Bürgern kommen – mit einem mobilen Bürgerbüro. Gerade Ältere sind nicht in der Lage, online Termine im Bürgerservice zu buchen und ihre Verwaltungsangelegenheiten digital zu regeln. Mobiles Bürgerbüro heißt: Ein’e Verwaltungsmitarbeiter’in kommt mit einem ausgestatteten Wagen in die Dörfer. Zahlreiche Standardvorgänge, zum Beispiel das Beantragen eines neuen Ausweises, können so direkt vor der Haustür erledigt werden. Das passiert zum Beispiel schon in Leverkusen, Magdeburg oder in Uetze.
Vernetzung mit der Wissenschaft | Gerade in den Themen Mobilität und Verwaltungsdigitalisierung gibt es momentan viele Forschungsvorhaben. Meine Idee: Teil von Forschungskonsortien werden, um auf diese Weise Entwicklung voranzutreiben und Fördergelder sowie Know-how-Transfer für den kommunalen Infrastrukturausbau zu erhalten.
Forschungskonsortien bestehen aus mehreren Forschungseinrichtungen – Lehrstühlen an Universitäten, aber auch Einrichtungen wie der Fraunhofer Gesellschaft – und Industrieunternehmen. Oft braucht es einen Experimentierraum, um etwa einen Chatbot für die Verwaltung zu testen, die Anwendung weiterzuentwickeln und die regulatorischen Rahmenbedingungen zu beleuchten. Wenn man nämlich zur Digitalisierung der Verwaltung oder zur Entwicklung der Mobilität forscht, macht man das am lebenden Objekt, also in einer tatsächlichen Stadt. Ich bin in der Wissenschaftswelt vernetzt, würde diese Vernetzung aufbauen und mich aktiv als Teil von Konsortien anbieten. Das Potential ist groß und liegt aktuell vollkommen brach.
Familien- und Begegnungsorte | Ich möchte mehr Orte schaffen, in denen wir uns begegnen können – kostenlos. Um in unserer Innenstadt gemütlich zu sitzen und eine gute Zeit zu haben, muss ich derzeit konsumieren. Für Kinder gibt es zwar kleine Spielgeräte entlang der Fußgängerzone, aber so, dass sie möglichst wenig Raum einnehmen. Wenn ich gute Orte habe, in denen ich mich – egal ob jung oder alt – willkommen fühle, ohne mir dieses Willkommen zu erkaufen, fördert das soziale Beziehungen, fördert das Wohlbefinden des Einzelnen, stärkt unsere Demokratie und hält die Gesellschaft zusammen.
Haltern am See ist eine alternde Stadt: Das Medianalter lag 2019 bereits bei 49,8 Jahren (Quelle). Das heißt: Die Hälfte der Menschen sind älter als 50, die andere Hälfte jünger. Inzwischen dürfte sich die Zahl weiter nach oben verschoben haben. Der Alterungsindex in Haltern am See liegt über dem bundesdeutschen Durchschnitt, (Quelle), der Jugendquotient ist entsprechend fallend; die Stadt altert also intensiver als das Land ohnehin schon. Es gibt mehr hochaltrige Frauen als Männer, zumeist Witwen. Einsamkeit im Alter wird massiv zunehmen. Es wird zudem mehr Haushalte mit kleinen Renten geben. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass wir aufgrund der Überrepräsentation der Alten die Jungen aus dem Blick verlieren.
Unsere Stadt hat vor dem Rathaus, zweihundert Meter von der Fußgängerzone entfernt, einen kleinen Park:
Der Park besteht im Wesentlichen aus Gras mit Bäumen. Ich hätte aus diesem Park gerne einen Begegnungsort gemacht: ein großer Sandkasten, Stadtmöbel, Schaukelbänke, Tische, Liegen, Schaukeln für Kinder und Erwachsene, dazu Sportboxen, aus denen man Sport- und Spielgeräte kostenlos ausleihen kann. Die Wege hätte ich angemalt, so dass sie aussehen wie kleine Straßen, mit Miniatur-Ampel und Zebrasteifen, so dass Kinder mit ihren Laufrädern und Fahrrädern einen spielerischen Verkehrsübungsplatz haben. Ein Besuch mit einem Vierjährigen, und in Nullkommanix ist eine halbe Stunde um! Wäre das nicht schön? Dazu ein Coffeebike oder ein Street-Food-Wagen, und schon ist das Leben perfekt.
Beschatteter Sandkasten in der Essener Innenstadt, Spielgelegenheit in Heilbronn, Schaukel in Malmö zum Schwatzen und Chillen:



Das Gute wäre: Mobile Möbel kann es wegbewegen, wenn Nutzungskonflikte enstehen, zum Beispiel bei einem Stadtfest. Oder man integriert es in die Festgestaltung. Einen Sandkasten kann man überbauen.
Parallel zu einem Draußen-Angebot braucht es ein Angebot für Drinnen. Vor allem skandinavische Städte machen Bibliotheken zu sogenannten Dritten Orten, an denen man einfach sein kann: hier Beispiele. Bei uns in der Stadt fehlt ein solcher Ort – ein Ort für Senioren und ihren Brettspielnachmittag, ein Ort für das Frauennetzwerk, das sich regelmäßig zum Austausch trifft, für den queeren Treffpunkt, für Eltern, die zu Hause raus und einen regnerischen Nachmittag überbrücken wollen, für den Lesekreis, für die Männergruppe 60plus, für Jugendliche, die sich zum Lernen oder zum Chillen treffen – und so weiter. Zwar soll an unserem Bahnhof ein „Haus der Vereine“ entstehen – in ein paar Jahren -, doch bei all den aufgezählten Gruppen handelt es sich nicht um Vereine, sondern um lose Gruppen von Menschen und kleine Initiativen, die einfach einen Raum oder eine gemütliche Sitzgruppe brauchen und sonst nur die Möglichkeit haben, sich in privaten Räumlichkeiten zu treffen. Wenn ich mich allerdings privat treffe, bin ich unsichtbar. Treffe ich mich öffentlich, können Menschen hinzukommen.
Irgendwann kann man das Ganze um eine Gastronomie erweitern, die flexibel genutzt wird: Einmal die Woche Elterncafe, einmal Seniorencafé, internationaler Austausch, queerer Kochstammtisch, Omas kochen traditionelle Rezepte – ach, was wäre alles möglich! Finanzierung über Zusammenarbeit mit Kirche und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Fördergelder, Sponsoring – hier muss man erstmal Gespräche führen. Nebenan in Dülmen gibt es etwas Ähnliches, das Haus EinsA. Möglicherweise könnte man in einem oder zwei Dörfern kleine Ablegern schaffen.
Kleine Rand-Idee | Idee für eine Initiative in der Gastronomie – für mehr sozialen Zusammenhalt: Zahle zwei Kaffee, nimm einen. Für den anderen wird ein Button ausgehängt und jemand kann ihn nutzen. Vielleicht eine alte Dame, die eine schmale Rente hat. Oder ein Jugendlicher mit wenig Taschengeld, aber gerade einer Fünf ind er Mathearbeit. Oder ein alleinerziehende Mutter, bei der es finanziell eng ist.
Bürgerbeteiligung | Ich schrieb es oben: Wir hatten einen Bürgerrat. Das war im Februar. Seither hat man nichts mehr davon gehört: Was mit den Ergebnissen passiert, ob sie weiterverfolgt werden, wie sie in Entscheidungsprozesse gelangen, ist unklar. Mir fehlen die Prozessgestaltung, die Kommunikation und der politische Wille – oder die Kompetenz -, Bürgerbeteiligung nachvollziehbar zu gestalten.
Ich organisiere Beteiligung in Unternehmen. Noch bevor man mit der Beteiligung beginnt, muss man den Prozess gestaltet haben, vom Ende her: Was soll am Schluss rauskommen, was ist mein Minimalziel? Zum Beispiel zwei Maßnahmen für den Radverkehr, zwei für den Fußverkehr. Entsprechend gestalte ich die Einleitung und stelle die Fragen – mit einer gleichzeitigen Offenheit, auch links und rechts davon zu schauen.
Hat man dann gemeinsam mit Bürger’innen getagt, muss man die Ergebnisse verwerten und in konkrete Maßnahmen umsetzen. Das ist klassisches Change Management: Wer ist zuständig, sichtet die Ergebnisse, klassifiziert sie und bringt sie in den Entscheidungsprozess? Wer entscheidet wann worüber? Welche Stakeholder werden an der Entscheidung beteiligt? Wann wird über welche Kanäle an wen über Entscheidungen und geplante Maßnahmen kommuniziert? Wie binden wir die Öffentlichkeit weiter ein? Gleichzeitig legt man fest: Wann endet denn der Beteiligungsprozess – und wie? Was ist der Ergebnisumfang, mit dem man zufrieden ist – und wann geht man zum nächsten Thema über?
Der Stadtrat tagt viermal jäglich und ist das Entscheidungsgremium in der Stadt. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung müssen also aufbereitet, unterfüttert und in den Entscheidungsrhythmus des Stadtrats getaktet werden. Damit kann man direkt anfangen.
Jugendbeteiligung | In der Stadt gibt es einen Seniorenbeirat. Er hat einen festen Sitz im Stadtrat mit Informations- und Rederecht. Aber es gibt keinen Jugendbeirat. Die Beteiligung junger Menschen findet ausschließlich projektbezogen statt, hängt also vom guten Willen der jeweiligen Entscheider ab. Ich würde das gerne stärker institutionalisieren.
Neue Strukturen wie ein Jugendparlament brauchen allerdings viele Ressourcen – Projektleitung, Räumlichkeiten, begleitende Schulungen, Auswahlverfahren – und laufen Gefahr zu versanden. Ich würde mich deshalb erstmal auf vorhandene Strukturen stützen. Wir haben starke Schülervertretungen an Gymnasium, Realschule, Hauptschule und am Berufskolleg. Sie werden derzeit kaum einbezogen. Gemeinsam mit den SVen würde ich überlegen, wie viel Zeit sie investieren möchten, woran sie mitarbeiten wollen und welches Format dazu passend wäre. Im Idealfall entsteht eine Beteiligung, die standardmäßig in relevante Stadtentwicklungsprojekte eingebunden wird und – langfristig – sogar über ein eigenes Budget verfügt.
Stärkung von Schulen | Schulen wandeln sich derzeit ganz massiv – und müssen es auch. Die PISA-Ergebnisse waren noch nie so schlecht wie jetzt. 30 Prozent der Jugendlichen verfehlen die Mindestanforderungen in Mathematik, ein Viertel kann nicht ausreichend lesen. Gleichzeitig verbringen Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit im Ganztag. Kindheit findet zum Großteil in der Schule statt – die Schulen müssen deshalb Aufgaben übernehmen, die früher im Elternhaus stattfanden (in Westdeutschland). Dazu braucht es multiprofessionelle Teams. Nur mit angestelltem Personal ist das nicht zu schaffen; das läuft ja jetzt schon am Limit.
Die Alterung der Stadt ist an vielen Stellen eine Herausforderung – für die Kinder ist sie auch ein Schatz. In den kommenden 15 Jahren geht irre viele Menschen in Rente, die große Fähigkeiten haben: als Zimmermann, Pädagogin, Lesepate, Lehrerin, Kaufmann, KfZ-Meister, Hauswirtschafterin, Ingenieurin, IT-ler, Berufsbegleiterin und so weiter. Wenn lediglich jeder zehnte Boomer sich ein zwei bis drei Stunden in der Woche für Schulen und für unsere Kinder engagiert, wäre das mehr Personal als alle Erzieher’innen und Grundschullehrer’innen zusammen (Quelle). Nur: Um das zu schaffen, muss man dem Ganzen einen Rahmen geben – quasi ein Personalmanagement fürs Ehrenamt, das Angebot und Nachfrage sinnvoll zusammenbringt, Formalia klärt, begleitet. Das muss die Stadt übernehmen – wer soll es sonst tun? Sowas würde ich verfolgen wollen.
Gleichzeitig braucht es digitale Bildung, sowohl für Schüler’innen als auch für Lehrer’innen. Pornografie, Gewaltdarstellung, Deep Fakes, Cybermobbing, Umgang mit KI – das sind Herausforderungen, die derzeit eher im Verborgenen schlummern, die uns in Hinblick auf unser Miteinander richtig das Genick brechen können. Das können Schulen aber nicht auch noch leisten. Meine Idee: eine Person im pädagogischen Personal der Stadt, die die Schulen betreut, Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Lehrpersonal organisiert und (später, in einem weiteren Ausbauschritt) bei Vorfällen berät.
Klein anfangen: Ich würde zunächst von einem fähigen Azubi/ein’e duale Student’in ein erstes Konzept ausarbeiten lassen und in Zusammenarbeit mit einer Schule testen. 19- oder 20-Jährige sind noch nah dran, wissen, wo es auf den Schulhöfen brennt, und können gemeinsam mit einem erfahrenen Sparringspartner einen Testballon an den Start zu bringen, der sich dann verstetigen kann und für den man Finanzierung findet.
Lotsendienste und interdisziplinäre Arbeit | Dazu nur ganz kurz, meine Finger sind schon wund: Bürokratie ist ein Dschungel. Wer sich darin nicht auskennt, geht verloren. Und: Sie frisst viel Energie, bei den Bürgerinnen und Bürger, aber auch bei den Bürokraten.
Besonders, wenn man neu ist und keine oder wenig Erfahrung mit ihr hat, ist sie zum Haareraufen – zum Beispiel wenn man als Kund’in neu ins Hilfesystem rutscht. Nehmen wir an, ein Paar hat sich getrennt, die Frau hat nur geringes Einkommen , sie findet keine bezahlbare Wohnung, der Mann zahlt nicht ausreichend Unterhalt, von den beiden Kindern hat eins Förderbedarf. Ich bin nicht vom Fach, aber wenn ich das richtig sehe, sind in diesem Fall mindestens vier Sozialgesetzbücher involviert, hinzu kommt die Frage des Unterhaltsvorschusses – wie soll man da durchblicken?
Ich hätte geschaut, an welchen Stellen eine rechtskreisübergreifende Beratung zu Beginn eines Kontaktes sinnvoll ist – sozusagen ein Anforderungsmanagement, das die vorgetragene Thematik qualifiziert, ins Verwaltungssystem bringt und bei Bedarf noch ein Stück begleitet. Das sorgt nicht nur für eine höhere Kundenzufriedenheit, weil man an die Hand genommen wird, sondern entlastet auch die nachgelagerten Fachbereiche, weil der Vorgang nicht durchs System flippert. Ich gehe davon aus, dass es so etwas in Teilen gibt, aber ich denke, dass wir das noch schärfen können.
Überdies frage ich mich, inwieweit interdiszplinär zusammengearbeitet wird, wenn es um einen ganzheitlichen Blick auf das Wohlergehen und die Bedürfnisse einzelner Bevölkerungsgruppen geht. Nehmen wir die Kinder: Bei ihnen sind fast alle Verwaltungsbereiche involviert – Familie und Jugend, Soziales, Schule und Sport, Bücherei, Standesamtswesen, Infrastruktur, Planen, Bauen bis hin zum Rettungsdienst. Welche neuen Perspektiven können hier aus einer Zusammenarbeit einzelner Expert’innen entstehen? Welche kleinen, aber wesentlichen Stellschrauben können wir drehen, um das Leben von Kindern in der Stadt zu verbessern? Wer braucht Unterstützung von wem, um einen noch besseren job zu machen? Das Gleiche gilt natürlich auch für andere Bevölkerungsgruppen.
Kommunikation und Transparenz | Zu Guter Letzt die Kommunikation: Ich würde intensiver aus der Verwaltung kommunizieren – mit einem Videoformat, in dem ich vorstelle, was diesen Monat passiert ist und nächsten Monat bei mir ansteht. Auch Erklärungen hätten darin Platz, etwa von Ratsentscheidungen. Vielleicht wäre auch ein Podcast sinnvoll. Ich würde einige Proof of Concepts machen, evaluieren und erfolgreiche, einfach zu produzierende Formate etablieren.
Parallel dazu braucht es Offline-Formate, zum Beispiel einmal oder zweimal im Jahr ein Town-Hall-Meeting oder Ähnliches – das ist noch unausgegoren. Kleinere Formate wie Bürgersprechstunden würde ich entstauben und fortführen.
Die Ideen sind allesamt nicht rückgekoppelt. Verwaltungsmitarbeiter’innen haben wahrscheinlich nochmal eine gänzlich andere Perspektive darauf. Manches würde vielleicht verworfen, anderes ergänzt, wieder anderes weiterentwickelt, außerdem käme Neues hinzu. Sowas lebt ja. Wichtig wäre mir, Strukturen aufzubauen, mit denen wir gute Ideen fördern und schlank und tatkräftig in die Umsetzung bringen – im Idealfall mit bestehenden Ressourcen.
Leser’innenfragen | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Sie schrieben neulich, dass Sie Gleitsichtkontaktlinsen nutzen. Das würde ich auch gern. Könnten Sie ein wenig berichten von der Anpassung und den Kosten?“
Die Kosten sind ausgesprochen unerfreulich. Ich muss jedesmal Riechsalz mit zum Optiker nehmen, wenn ich sie abole, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. 180 Euro für sechs Monate. Ich halte es so, dass ich die Monatslinsen jeweils länger als einen Monat trage. Das geht problemlos.
Die Anpassung war kostenlos und erfolgte im Hinterzimmer des Optikers. Gleitsicht wäre noch nicht zwingend erforderlich gewesen. Allerdings wurde es schon ein bisschen knispelig beim Lesen – deshalb war ich auch hingegangen -, und warum soll ich mich dann quälen? Ich möchte kein Mensch sein, dem die Arme zu kurz werden. Der Optiker bestellte mir Probelinsen von der Sorte, die ich ohnehin seit Jahren trage. Air Optix plus HydraGlyde. Sie passten direkt hervorragend. Ich hatte keine Schwierigkeiten beim Sehen, keine Kopfschmerzen und erlebte auch keine Phänomene. Es war direkt alles so, wie es sollte.
Gelesen | Das Nuf ist neu verliebt und treibt jetzt Sport.
Gehört | Matze Hielscher im Gespräch mit dem Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer über Deutschlands Baustellen, Nebelkerzen-Politik und warum nichts vorangeht. Ein gutes, entlarvendes Interview, auch wenn ich nicht mit allen Einschätzungen übereinstimme. Der Link geht zu Spotify. Den Podcast Hotel Matze gibt es auch auf anderen Plattformen.
Gelesen | Mattanza vom Germana Fabiano, aus dem Italienischen von Barbara Neeb und Katharina Schmidt. Auf der Insel Katria westlich von Sizilien fängt man auf traditionelle Weise Thunfisch. Angeführt vom Raís jagen die Fischer einmal im Jahr den großen Schwarm und treiben ihn in die Enge, bis das große Schlachten, die Mattanza, stattfindet. Doch die Tradition wandelt sich: In Ermangelung männlichen Nachwuchs wird erstmalig eine Frau Raís. Dann kommen die ersten Touristen auf die Insel. Schließlich bleiben die Fische aus – und tote Flüchtlinge gehen ins Netz. Ein lesenswertes kleines Buch, nur 182 Seiten. Literarisches Vorbild ist die Insel Favignana.
Schweine | Nachtmahl mit mehrerlei Gemüse.

Kommentare
6 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓
Vielen Dank!
Wenn ich das so lese, ist mein Kleinstadtkaff schon ganz gut dabei, aber die Idee mit dem Einbinden der SV nehme ich mit.
Schöne Grüße,
Nadine
Vielen Dank fürs Zusammenstellen dieser sehr interessanten Ideen.
Über eine Bürgeranfrage hat jeder von uns die Chance, solche Ideen und Anregungen an seine Kommunalverwaltung heranzutragen. Das hiesige Schulamt hatte mich auf meine schriftliche Anfrage hin sogar mal zu einem sehr informativen Gespräch eingeladen.
Zum Videoformat als Informationskanal des Stadtoberhaupts finde ich den Insta-Kanal von Frau Dr. Claudia Alfons aus Lindau am Bodensee ein tolles Beispiel, insbesondere der Wochenrückblick freitags:
https://www.instagram.com/claudiaalfons/
Lebenswissen in die Schule zu bringen und damit Stundenausfall zu verhindern, ist das Ziel der App LiveTeachUs: https://www.lifeteachus.org/ – Es wäre wirklich unglaublich, wenn sich jeder zehnte Boomer hier anmelden würde. Was wäre das für ein riesiger Schatz für unsere Schulen!
Als an Kommunalpolitik interessiertem Menschen, wenn auch aus nicht aus Haltern, blutet mir das Herz, dass Sie nicht gewählt wurden. So viele tolle Ideen. Vielen Dank für viele Anregungen!
Wenn ich lese, was so alles möglich wäre……
Sehr schade, dass sich Haltern diese Chance hat entgehen lasse. Trotzdem finde ich es sehr toll, dass sie ihre Ideen mit uns teilen und vielleicht andere mutiger sind und ihre Ideen mit aufgreifen.
Boa, es ist wirklich zum Heulen, dass man Sie nicht gewaehlt hat. Viele von Ihren Idee klingen so einleuchtend, dass ich mich frage, warum niemand drauf gekommen ist (oder bei anderen schaut, was gut funktioniert, Ihre Ideen kommen ja nicht aus dem Nichts).So schade. Danke fuers Teilen, vielleicht werden ja trotzdem ein paar Anregungen aufgegriffen.