Wahlergebnis | Ich werde nicht Bürgermeisterin und stehe dem freien Markt wieder vollumfänglich zur Verfügung.
30,7 Prozent habe ich geholt. Ein knappes Drittel der Wähler’innen wollten eine andere Politik. Das hat nicht gereicht. Der CDU-Kandidat hat sein Amt verteidigt – mit 58 Prozent. Es folgen somit die Jahre 27 bis 32 einer CDU-geführten Verwaltung. Der rechtsextreme Kandidat bekam 11 Prozent.

Natürlich hatte ich mir mehr erhofft. Gleichzeitig bin ich zufrieden. Ich gräme mich nullkommanull. Von nichts auf 30 Prozent in neun Monaten – wir haben einen tollen, professionellen Wahlkampf gemacht. Die Kandidatur war für mich in jeder Hinsicht ein Gewinn: Ich habe viel gelernt, hatte einen breiten Einblick in kommunalpolitische Strukturen und habe viele tolle, kluge und herzenswarme Menschen kennengelernt. Es war ein ausnahmslos gutes Erlebnis. Ich gehe bereichert aus der Sache heraus.
Als Bürgerin – nicht als Kandidatin – bin ich allerdings frustriert. Fünf weitere Jahre ohne eine nachhaltige und zukunftsorientierte Wohnpolitik, ohne den wirklichen Willen zur Mobilitätswende, ohne eine innovative Wirtschaftsförderung und ohne neue, kreative Ideen (man möge mich gerne mit dem Gegenteil überraschen). Das letzte Wahlkampfvideo des Konkurrenten möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang nicht vorenthalten. Content-Warnung: Es södert.
Nun, da ich mich neun Monate lang in die Themen eingearbeitet habe und weiß, was geht (auch ohne dass fünf Millionen Euro vom Himmel fallen), wird es mir noch schwerer fallen, den bestehenden Protektionismus mitzuerleben. Ich werde meine Energie wieder in den Beruf umlenken. Oder in ein anderes, neues Projekt. Wer weiß!
Der Wahltag | Der Wahltag war der entspannteste Tag seit Monaten. Ich hatte nichts mehr zu tun außer selbst zu wählen und abends im Rathaus die Ergebnisse zu betrachten. Ich schlumperte also in den Tag hinein, frühstückte lange, räumte dann die Küche auf, machte Wäsche. Was man so Aufregendes tut, wenn man am Wochenende Zeit hat. Um 13 Uhr war ich mit der Zeitung im Wahllokal verabredet – sie wollten eine paar Zitate von mir für ihr Liveblog und das obligatorische Kandidatin-steckt-Wahlzettel-in-Urne-Foto. Ich traf Bekannte am Wahllokal; wählen gehen ist ja in erster Linie ein geselliges, nachbarschaftliches Ereignis.
Auf dem Weg schaute ich am Schloss Sythen vorbei. Das liegt direkt bei mir nebenan und auf dem Weg zur Grundschule (Wahllokal) und wird von einem engagierten Verein gepflegt. Es war „Tag des offenen Denkmals“, es gab Reibeplätzchen und Kaltgetränke. Auch hier: Nachbarn und Bekannte, ein Plausch, noch ein Plausch und noch ein Plausch.
Am Nachmittag kamen Kollegin Steffi und die Turnschwester aus Heidelberg. Wir speisten Leckeres vom Markt (der Käsewagen und der Dip-Wagen werden mich noch in die Armut treiben), wir gingen eine Runde durchs Dorf und tranken Cappuccino und Milchshake in der Eisdiele. Dann verlegten wir allesamt ins Rathaus. Im Ratssaal war ein Fernseher aufgebaut, auf einer Leinwand wurde durchgehend die Wahlergebnisse aktualisiert. Ich pendelte zwischen Ratssaal und den Fraktionsräumen der Parteien. Die Parteien hatten ein paar Snacks organisiert.
Gegen 20:30 Uhr stand das Ergebnis fest – auch das Ergebnis für den Rat. Die SPD hat verloren, die Grünen liegen hier immerhin gut über dem Landestrend. Die CDU wird die Mehrheit im Rat halten.
Feuchte Augen | Am Tag vor der Wahl hatte ich Tränchen in den Augen. Mein Team aus Grünen und SPD hat eine ganze Seite Anzeigen für mich geschaltet. Ich wusste von nichts und war tief gerührt.

Sie zwinkern jetzt auch, oder?
Broterwerb | Botschaft an potentielle Kund’innen: Ich habe im November und Dezember noch Kapazitäten. Für den Fall eines Wahlsiegs hatte ich mir die Monate freigehalten. Ich freue mich über Anfragen.
Leser’innenfrage | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Es war mal viel die Rede vom Kauf des Fahrrades und seiner Anpassung – jetzt gibt es ein elektrisches. Wie sind die Erfahrungen? Benutzen Sie das ‚velo musculaire‘ auch noch?“
Für den Wahlkampf habe ich mir ein E-Bike gekauft, ein Vorjahresmodell zu einem unschlagbaren Preis. Ich erwarb es in erster Linie, um den Anhänger mit allem Material – bis zu 25 Kilo – zu ziehen und beim Ankommen noch fesch auszusehen. Im Wahlkampf bin ich fast ausnahmlos mit dem E-Bike gefahren, insgesamt 1.000 Kilometer. Das kann ich so genau sagen, weil der Zähler beim Kauf bei Null stand.
Das E-Bike habe ich genauso eingestellt wie mein Trekkingrad – noch vor Ort. Der Fahrradverkäufer war entsetzt. „So geht das nicht! Wie hoch machen Sie denn den Sattel! Sie kommen ja gar nicht mit den Füßen auf den Boden!“ Ich entgegnete, dass das schon in Ordnung sei, es sei ja ein Fahrrad und kein Stehrad. Das Radl passt hervorragend zu mir und meinem Körper, es war wirklich ein Glücksgriff. Deshalb möchte ich es nicht gerne wieder hergeben. Auch der Anhänger hat sich als unglaublich praktisch erwiesen: für Einkäufe, für die Schwimmtasche, für Transporte aller Art. Die Kombi E-Bike und Anhänger ersetzt tatsächlich in vielen Anwendungsfällen das Auto und fährt sich dank Turbo-Antrieb leicht und fluffig.
Gleichzeitig ist nun schon mein Ziel, auf den Alltagsstrecken wieder Bio-Bike zu fahren. Ich muss ja auch nicht mehr übermäßig gut aussehen beim Ankommen. Wie werden sehen, wie es sich fügt.
Fahrradtouren werden auf jeden Fall – und wurden auch während der Wahlkampfzeit – mit dem Bio-Bike gemacht.
Abschwimmen | Am vergangenen Freitag der letzte Schwumm: 2.500 Meter durch frisches Wasser – in der letzten Freibadwoche wurde nicht mehr geheizt. Es windete, es regnete, dann schien wieder die Sonne, es war ein Fest der Sinne.
Auf dem Rückweg ein Regenbogen:

Und sonst | Die Artischocke im Garten blüht.

Gelesen | Wo Blau bisher für Schalke steht: Die Süddeutsche blickt anlässlich der Kommunalwahl nach Gelsenkirchen. Dort kommt es zur Stichwahl zwischen einer SPD-Kandidatin und einem Rechtsextremen.
Gehört | Im Politikteil-Podcast der ZEIT ist der Chef des Insituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, zu Gast. Er spricht über die notwendige Reform des Rentensystems. Sehr interessant. Ich kann der (rein ökonomisch geführten) Argumentation ausnahmslos folgen. Eine ergänzender Gesprächspartner – zum Beispiel ein’e Soziolog’in – wären interessant gewesen.
Schweine | Schwein vs. Sonneblume

Kommentare
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2500 Kilometer geschwommen??? Wow, was für ein Supi-dupi-Ultra-Marathon! ;-)
Ansonsten: Fast 31 Prozent aus dem Nichts – das ist nicht wenig.
Siehst Du eine Möglichkeit, Dich weiter für Deine kommunalpolitischen Ziele zu engagieren? (ein Stadtratsmandat hast Du ja vermutlich nicht, oder?)
… äh, Meter! Wird korrigiert.
Nein, kein Stadtratsmandat. Ich bin ja als unabhängige Kandidatin gestartet. Ich sehe auch keine Möglichkeit, Kommunalpolitik mit meiner beruflichen Arbeit zu kombinieren. Zu aufwändig, zu viel Vor-Ort-Sein, während das Berufliche ebenfalls 100% Fokus und Geschäftsreisen verlangt. Ich bin auch niemand, der irgendwas auf einer halben A…backe macht. Ganz oder gar nicht.
Respekt! 30% aus dem Stand in einem „haben wir immer schon so gemacht“-Umfeld. Haltern hätte Sie verdient gehabt!
Am Wahltag habe ich einen Podcast mit dem Transformationsforscher Uwe Schneidewind zur Frage, warum er nicht erneut in Wuppertal als OB-Kandidat angetreten ist, gehört. https://open.spotify.com/episode/3O0vv3fcBtin0kCmcHcR7D?si=sz6XafUyTqW_RNg3UW05lw Sie hätten das Zeug zur Zehnkämpferin gehabt! Leider zeigt der Podcast aber auch, warum die Transformation der Städte ins Stocken geraten ist und es transformationsorientierte Politik derzeit sehr schwer hat.
Sehr, sehr schade, dass nur 30 Prozent der WählerInnen die Chance auf einen Neuanfang verstanden haben.
Zum söderesken Video sage ich lieber nichts, außer: Im Ernst, wer hält das für zukunftsträchtig?
Ich komme auch vom Land, da wird auch Schützenfest gefeiert, da wird Bier getrunken, aber wen glauben diese Männer noch zu repräsentieren – meine Ü-80 Eltern rollen entgeistert mit den Augen …
Schade, sehr schade.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem Ergebnis. Ich habe bis zum Schluss nicht dran glauben wollen, dass du es womöglich nicht schaffen könntest. Ne Goldene Bürgermeisterin! Erhol dich gut und in ein paar Jahren ist wieder eine Wahl!