Mülltonne | Es ist früher, dunkler Morgen. Mein Bewusstsein befindet sich in einem wohligen Zwischenzustand. Ins Erwachen mischen sich Fetzen von Traum; ein sanftes Delir, wohl umflauscht von einem warmen Federbett. Bis ich das Geräusch höre. Brummen. Klappern. Brummen. Erneutes Klappern. Der Müllwagen!
Wo ist die Tonne? Hinterm Haus! Und wo wird sie abgeholt? Vor dem Haus. Weit vor dem Haus, vorne an der Straße.
Ich: raus aus dem Bett. Hose? Zu wenig Zeit. Bademantel! Raus auf die Straße. Hui, glatt. Und: minus fünf Dioptrin. Schlechte Kombination. Wieder rein. Brille. Wieder raus. In der Straße schon zu sehen: die Schweinwerfer des Müllwagens. Klappern. Brummen. Sehr nah! Wieder Klappern. Unmittelbar! Direkt beim Nachbar.
Ich zerre die Tonne hinter dem Haus vor. Renne in Schlappen zur Straße. Wehender Bademantel. Schlafhaare, Knautschgesicht. Motorbrummen. Ich schlittere auf die Straße. Ein geschmeidiger Schwung. Tonne positioniert! Der Müllwagen nimmt sie auf.
YES!! Becker-Säge.
Broterwerb | In Köln gewesen und drei Tage Seminarworkshop gegeben: ein kurzer Einblick in verschiedene Formen agilen und nutzerzentrierten Arbeitens – Kanban, Scrum und Design Thinking. All das kann man natürlich nicht in drei Tagen erklären. Im Überblick zeigt sich allerdings gut die Haltung, die hinter den Arbeitsweisen steckt: keine Über- und keine Unterforderung der Menschen, guter Arbeitsfluss, Arbeiten in Iterationen (Arbeitszyklen), schnell Werthaltiges ausliefern, Prototypen bauen, schnell scheitern – oder das Erfolgreiche nehmen und damit weiterarbeiten. Die Teilnehmer’innen waren allesamt Berufsanfänger’innen; das Seminar soll Neugier wecken und ihnen Anlass geben, die Methoden zu gegebener Zeit zu vertiefen.
Rückfahrt mit dem Zug: vier Stunden für 120 Kilometer. Sprechen wir nicht darüber, Sie können das auf Mastodon nachlesen. Meine einzige Freude war die Modelleisenbahn im Bahnhof Duisburg.
Nebentätigkeiten | ifo-Geschäftsklimaindex ausgefüllt. Dort mache ich jeden Monat mit, damit auch Einzelunternehmer’innen in der Erhebung abgebildet sind. Außerdem VG Wort gemeldet. Ein bisschen was kommt dabei ja immer rum.
Bürgermeisterkandidatur | Neujahrsempfang der Stadt Haltern am See – eine schöne Veranstaltung mit Ensembles der Musikschule. Jeder kann dort hingehen. In der Mehrheit kommen verschiedene Akteurinnen und Akteuren der Stadt.
Im Bild mit mir: die Vorsitzenden der Ortsverbände von Grünen und SPD.
Außerdem war ich auf einer Veranstaltung des Regionalverbands Ruhr (RVR) zur Windenergie. Der RVR hat als Konsequenz des „Wind-an-Land“-Gesetzes seinen Regionalplan überarbeitet. Der Regionalplan legt fest, was auf den Flächen in der Region passiert, also: wo gebaut werden darf, wo sich Gewerbe ansiedeln darf, wo auch zukünftig Wald oder Wasser sein sollen, wo Verkehrswege vorgesehen sind, wo Artenschutz Vorrang hat, wo sich Militäranlagen befinden und wo Platz für weitere Infrastruktur ist, zum Beispiel Energieleitungen. Spezielle Bereiche, auf denen Windenergie gewonnen werden kann, waren bislang nicht vorgesehen. Windkraftanlagen wurden überall dort errichtet, wo sie genehmigt werden konnten. Die Genehmigungsverfahren waren oft lang. Das ändert sich nun. Der RVR hat nach transparenten Kriterien Bereiche festgelegt, die zukünftig für die Gewinnung von Windenenergie vorgesehen sind. Das wird helfen, schneller Windkraftanlagen zu bauen, weil ein Teil dessen, was für die Genehmigung einer solchen Anlage notwendig ist, schon grundsätzlich geprüft wurde. Gleichzeitig helfen die Windenergiebereiche, den Bau von Anlagen stärker regional zu steuern. Denn mit den Bereichen steht fest: Hier kann gebaut werden, woanders nicht. Die Änderung im Regionalplan muss allerdings erst rechtskräftig werden; bis dahin sind noch einige Schritte zu gehen. Bis Anfang März läuft nun erstmal das Beteiligungsverfahren: Jeder, der Einwände gegen die Bereiche hat, die der RVR erarbeitet hat, kann Stellung nehmen.
Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Wie gehen die Bonuskinder mit der „öffentlichen Situation“ um? Also sprich:
- dass sie ab und an im Blog vorkommen – natürlich nur unkenntlich oder mit wenigen Zitaten. Autorisieren sie die Geschichten, Erwähnungen, Fotos von Füßen auf Pedalen?
- dass ein nicht unerheblicher Teil des Lebens ihrer Bonus-Mutter/ Reisebegleiter-Lebensgefährtin für viele ihnen unbekannte Menschen nachlesbar ist? Nervt es, spielt es keine Rolle, amüsiert es?“
Es ist interessant, dass Sie das so wahrnehmen. Meine Perspektive ist, dass ein erheblicher Teil meines Lebens nicht nachlesbar ist. Das können Sie als Leser’innen nicht wissen. Denn von dem, was ich Sie nicht sehen lasse, wissen Sie ja nicht, dass es da ist. Ich kann aber versichern: 95 Prozent meines Lebens, alles Erhebliche, findet nicht hier statt.
Mit „alles Erhebliche“ meine ich vor allem das Private: Ereignisse in meinem Leben, im Leben des Reiseleiters, im Leben meiner Freunde, meiner Eltern und Schwiegereltern, der Kinder, im Leben anderer Verwandter und Bekannter – und im Beziehungsgeflecht zwischen all diesen Menschen. In meinem Real Life gibt es viele, sehr viele Dinge, die mich intensiv beschäftigen, die mich emotional aufwühlen, die mich zeitlich binden, die mir wichtig sind – und die hier mit keiner Silbe auftauchen. Zu diesen privaten Dingen kommt all das, was mich gemeinsam mit meinen Kunden bewegt: die konkreten Projekte, die speziellen Konstellationen im Projekt und alles Menschelnde in meinen Aufträgen. Das ist ebenfalls intensiv, findet sich hier aber, wenn überhaupt, nur ausschnittsweise und auf einer sehr allgemeinen Ebene.
Auf die Frage hin habe ich nachgeschaut, wann die Kinder zuletzt im Blog vorkamen: Kurz vor Weihnachten mit ihren Händen, als wir Dubai-Schokolade machten – mit einem bewusst auf den Herstellungsablauf beschränkten Bericht. Darüber hinaus tauchten in den vergangenen sechs Monaten viermal die Ergebnisse kindlicher Anwesenheit auf: in Gestalt einer Schneefamilie und eines Tipis, zwei Monate davor gab es die Erwähnung eines Fußballspiels, vor fünf Monaten den Besuch eines Konzertes. In solchen Fällen läuft es dann so ab: Die Kinder sehen, dass ich ein Foto mache. Sie möchten es angucken („Zeig mal!“) und fragen, ob ich das Bild für Instagram nutze – und geben ihr Einverständnis oder nicht. Wenn nicht, wird das Bild gelöscht. Ich filtere, der Reiseleiter liest ebenfalls auf allen Kanälen mit. Ins Blog schauen die Kinder kaum; es interessiert sie (bislang) nicht. Mein Instagram ist interessanter. Das schauen sie sich regelmäßig auf einem der Erwachsenen-Handys an, und das finden sie spannend, speziell wenn ihre Lebenswelt abgebildet ist (Orte oder Ereignisse, die sie kennen) oder wenn ich unterwegs war.
Gesehen | Während ich auf einem Hometrainer durch mein Arbeitszimmer ruderte, sah ich Mein härtestes Rennen · Zugspitz Ultratrail. Bergfreundin Cathi Schauer lief 106 Kilometer und mehr als 5.000 Höhenmeter um das Zugspitz-Massiv – in 22 Stunden. Und ist auch noch fröhlich dabei! Irre. Ich würde ja mehrere Tage brauchen und zwischendurch schlafen wollen.
Gehört | Demenz – wenn ein geliebter Mensch einfach verschwindet. Ein aufschlussreiches Interview mit Friederike, deren Mann mit Mitte 50 an Demenz erkrankte und die schonungslos davon erzählt.
Gelesen | Konservatismus am Kipppunkt. Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl schreibt über radikalisierten Konservatismus, wie wir ihn in den USA, Großbritannien und in Österreich finden – und in Teilen in der CDU/CSU. Strobl stellt die fünf Strategien der radikal Konservativen vor.
Fünftens wird der Emotions- und Erregungspegel immer auf Anschlag gehalten. Radikalisiert konservative Parteien befinden sich im permanenten Wahlkampf. Es geht immer darum, die nächsten 24 Stunden medial zu gewinnen. So werden Aufreger und Schlagzeilen am Fließband produziert, ganz gleich, ob sie Substanz haben oder nicht.
Faule Bürgergeldempfänger, kriminelle Ausländer, betrügende Sozialschmarotzer (alle Nationalitäten), Dunkelflaute, Reichweitenangst, Wärmenpumpenzwang, Register für psychisch Erkrankte, Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Blaumachen und Lohnstreichung am ersten Krankheitstag, Grenzen dicht machen … Es ergibt ein Muster, nicht wahr?
So entsteht sechstens eine Parallelwelt. Die inszenierte und behauptete Realität hat immer weniger mit einer faktischen Realität gemeinsam.
Schweine | Versteckschweine.
Kommentare
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In Peru hat sich das Müllauto immer mit lautstarker Musik angekündigt, so dass man es schon von weitem hörte:
https://andreas-moser.blog/2016/08/24/elise/
Ist auf die Dauer aber auch nervig. :/
Das scheint mir ein gutes Konzept. Sehr kundenorientiert.
Mein Mann hat die Abholtage der unterschiedlichenTonnen gewissenhaft in unseren Kalender eingepflegt. Blöd nur, dass die Müllabfuhr sich nicht dran hält….Verlass ist dafür meist auf die Schwarmintelligenz der Nachbarschaft.
Unsere Müllabfuhr ist absolut gewissenhaft. Wir allerdings nicht. Obwohl wir die Termine sogar digital abonniert haben. Hilft alles nichts.
Ich habe Tränen gelacht beim Lesen…
Den Frühsport hab ich auch häufiger, so cool, dass frau nicht allein ist! Vielen Dank!
Wir hatten ihn heute morgen wieder. Papiertonne! Diesmal war der Reiseleiter dran. Ganz starker Einsatz.
Wenn die Zugspitze eine Nummer zu groß ist, dann soll ja der Ultratrail auf den Stubaigletscher eine gute Vorstufe sein. Jedenfalls überlege ich grade den auf meine Bucketlist zu nehmen.
https://www.stubai.at/ultratrail/strecken/stubai-ultra/
Ich schau grad … ach mensch, nur 60 Kilometer und 4.200 Höhenmeter.
Ähm … nein.