Gute Wünsche | Zunächst einmal wünsche ich allen Leserinnen und Lesern ein frohes neues Jahr. Möge es Gesundheit und Heiterkeit bringen!
Müßiggang | Das Leben hier ist angenehm träge. Ich habe noch Urlaub, der Reiseleiter auch, die Kinder haben Ferien – und die Kunden sind ebenfalls noch nicht im Geschäft, denn das einzige, was in meine Postfächer weht, sind Newsletter mit nachweihnachtlichen Rabattaktionen. Wir liegen also herum, lesen oder gehen gesundheitsfördernd spazieren. Gestern sind wir zu Fuß in die Stadt gegangen, fünf Kilometer, mit einem Paket auf dem Rücken, das versendet werden wollte. Wir halten uns also leicht beschäftigt, um danach zurück aufs Sofa zu sinken.
Jahreswechsel | Den Silvesterabend verbrachte ich mit Freunden. Es gab Raclette und alles war entspannt: ohne Extravaganzen und Experimente, mit Freude und guten Gesprächen. Die Tafel bog sich vor Käse und Köstlichkeiten, man reichte sich dieses und jenes, wir plauderten, es gab Eierlikör, und wir spielten Tabu.
Um Mitternacht stießen wir an. Einzelne gingen auch raus auf die Straße, jedoch ohne eigene Böllerei. Um 2 Uhr waren wir im Bett. Ein wunderbar spießiges Silvester zwölf mittelalter Menschen.
Silversterspaziergang | Zuvor, am Silvestermorgen, habe ich an einer Wanderung des Flaesheimer Heimatvereins teilgenommen. Flaesheim ist ein Ortsteil von Haltern am See, wo ich wohne; der Heimatverein hat zwei Jahren zwei junge, neue Vorsitzende. Angeboten wurde eine kurze Silvesterwanderung, morgens um 10:30 Uhr für eineinhalb Stunden, und anschließend, so versprach der Aushang, Reibeplätzchen und Punsch. Das Angebot holte mich ab: eine gute Uhrzeit, um schon aufgestanden zu sein und sich danach nochmal hinzulegen – und zu guten, selbstgemachten Reibeplätzchen muss ich nichts sagen.
Wir spazierten also durch die Haard, und es gab auch ein Ziel: einen Luftschutzstollen. Der Heimatverein hatte zwei Zeitzeugen organisiert, ein Geschwisterpaar, das damals als Kinder den Bau miterlebt hatte. Die beiden erzählten lebhaft von ihren und den Erlebnissen ihrer Eltern. Eine gute Sache: Zeitzeugen des Weltkriegs gibt es nicht mehr viele; man sollte ihnen zuhören.
Der Stollen selbst war nur noch eine Schneise in einem Hügel. Wer nicht weiß, um was es sich handelt, erkennt nichts. Erbaut wurde der Stollen Anfang 1945. Er ging knapp 100 Meter in den Hügel hinein und ist auch heute noch erhalten – vorausgesetzt, man würde den Eingang freilegen. Gebaut wurde er, um Menschen aus Flaesheim für mehrere Wochen ein Obdach geben zu können, sollte das Dorf bombardiert werden. In Flaesheim und Umgebung gab es Stellungen der Deutschen Flugabwehr, die Jagdflieger abfingen, die die Chemischen Werke Hüls bombardierten, heute der Chemiepark Marl. Außerdem war die nahe gelegene Schleuse des Wesel-Dattel-Kanals ein potentielles Ziel.
Neujahrsschwimmen | Eine Kandidatur in der Lokalpolitik bringt Herausforderungen auf Ebenen mit sich, die man vorher nicht ahnt.
An Neujahr, nach dem Raclette-Abend, bin ich gemeinsam mit meinen Kameraden Asterix und Miraculix in den Halterner Stausee gestiegen: Anbaden!
Die Angelegenheit hat Tradition und ist eine Riesengaudi: mit fast 700 Badenden das größte Neujahrsschwimmen nach Cuxhaven. Es ist auch Brauch, dass man sich verkleidet. Ich trat als Majestix, Häuptling der Gallier inmitten des konservativen Münsterlandes an. Die Luft hatte acht Grad bei schneidigem Wind, das Wasser sechs Grad. Beim Reinlaufen in den See habe ich nichts gespürt – bis zu dem Moment, als ich bis zum Bauch drinstand. Dann habe ich sehr viel gespürt.
Der Reiseleiter Asterix hatte anfangs geplant, sich als Gutemine zu verkleiden, der Frau von Majestix, was nur folgerichtig gewesen wäre. Er nahm jedoch davon Abstand, als er sah, dass das Kostümkleid nicht nur meerjungfrauenrosa, sondern auch bodenlang und Schlauch-eng war. Er hatte Angst, darin umzukippen und als gallische Arielle im Wasser zu verenden.
Kapitalanlage | Ein guter Freund verkauft eine Eigentumswohnung in Mülheim an der Ruhr, 46 Quadratmeter, in einer schönen Straße mit Altbauten, fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Wer Interesse hat: die Anzeige.
Leser:innenfragen | In der unverbindlichen Themenvorschlagsliste sind drei interessante Fragen. Vielen Dank dafür! Ich werde mich ihrer alsbald annehmen. Sie benötigen etwas Zeit und Raum. Insbesondere meine Antwort zum Werdegang wird wohl etwas länger werden: Ich bin ja nicht mehr ganz so jung, und mein Lebenslauf ist zwar aus meiner Sicht konsequent und aufeinander aufbauend; das bedarf jedoch Erläuterungen.
Gelesen | Callan Wink: Big Sky Country, aus dem Amerikanischen von Hannes Meyer. Ein guter, nein: sehr guter Coming-of-Age-Roman und gleichzeitig ein Seelenpanorama der republikanischen USA. Es ist die Geschichte von August, der auf einer Farm in Michigan aufwächst. Die Familie zerbricht. Die Mutter, eher progressiv, zieht mit August nach Montana, wo er die Highschool besucht und mehr schlecht als recht Anschluss findet. Nach der Schule lässt er sich treiben und findet Arbeit auf einer Ranch. Er macht die stumpfe Arbeit ohne Selbstliebe.
Callan Wink zeichnet ein Bild von Empathielosigkeit, Alkohol und Gewalt, von Männern, die nur über die Arbeit und das Wetter sprechen können und sonst keine Worte finden. Beinahe alle Probleme entstehen aus ihrer Wortlosigkeit – und finden keine Lösung.
„Hast du dich jemals entschuldigt? Das habe ich mich immer gefragt.“
Veldtkamp schüttelte den Kopf. „Man kann nur Probleme mit reden lösen, die auch durch reden entstanden sind.“ (S. 357)
Gelesen | Frank Glanert war über den Jahreswechsel in Paris und Antwerpen – mit Auto und Fahrrad. Die Bilder aus Paris, von ehemaligen Autotunneln und heutigen Fahrradstraßen, sind faszinierend.
Gelesen | Frau Novemberregen über Abreißkalender
Schweine | Man verweilt dieser Tage gerne inhäusig und lässt die Tage vorüberziehen.
Kommentare
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Ihnen einen guten, gesunden Start ins Jahr 2025!
Ich freue mich sehr darüber hier lesen zu können und hoffe auf weitere interessante Einträge, vor allem natürlich über die tierischen Mitbewohner.