Silvester | Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen die Partys erst um 23 Uhr losgingen. Wir hingen in Jugendzimmern auf Sofas ab, auf Parkplätzen und vor Imbissen, es war wahnsinnig fade, bis es endlich losging. Dazu das permanente Gefühl der Unzulänglichkeit, begleitet vom Sich-Beweisen-Wollen. Beides bedingt sich, aber das wusste ich damals nicht.
Heute gehe ich mit Freude früh zu Bett und bekomme schon Tage vor Silvester schwitzige Hände – wenn ich nur daran denke, dass ich bis 1 Uhr aufbleiben muss. Dann noch nach Hause fahren … ach je. Wenn ich diese Umstände allerdings außer Acht lasse, verspricht es, ein illustrer Abend zu werden. Mittelalte Menschen werden sich um ein Raclette-Gerät versammeln, es gibt viel Käse und möglicherweise auch Partyhütchen.
Der Reisende | Wir haben die Hochkultur besucht. Im Essener Grillo-Theater haben wir uns Der Reisende angeschaut, nach einem Roman von Ulrich Alexander Boschwitz: die Geschichten des jüdischen Kaufmanns Otto Silbermann, der erst seine Wohnung, dann seine Frau und dann seinen Verstand verliert, während er, seines Zuhauses und seiner Identität beraubt, in Zügen im Deutschen Reich umherreist.
Es war … (Sie hören mich leise seufzen) … schwierig. Der Kern des Stücks, die eigentliche Geschichte, die Boschwitz-Erzählung vom Reisenden, war gut. Auch die musikalischen Darbietungen, die die Geschichte begleiteten, gefielen mir. Was für eine tolle Stimme Lene Dax hat!
Doch der Regisseur Hakan Savaş Mican hat die Geschichte des Juden Otto Silbermann mit seiner eigenen Geschichte verwoben, hat Parallelen dazu gezogen, wie er in Berlin geboren wurde, bei seiner Großmutter in der Türkei aufwuchs, durch Europa reiste und nach Berlin zurückkehrte. Das passte nicht recht zueinander. Die verbindenden Gedanken – ja, die habe ich verstanden. Aber dennoch: Ich fremdelte mit den erzwungenen Parallelen, mit dem Hauptdarsteller und dem Bühnenbild, mit der Länge der Inszenierung (fast drei Stunden) und mit den unbequemen Stühlen. Es war nicht meins.
A propos Stühle: Ob im Grillo-Theater, im Dortmunder Konzerthaus oder in der Elbphilharmonie – warum sitzt man in all diesen klassichen Häusern so furchtbar ungemütlich? Ist es, damit das Publikum nicht einschläft? Vielleicht betrifft es nur Menschen über einsachtzig, aber herrgottnochmal, das hält mich wirklich von einem Besuch ab.
Gelesen | Eis von Ulla-Lena Lundberg, aus dem Schwedischen von Karl-Ludwig Wetzig. Das richtige Buch für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr: stimmungsvoll, die Handlung gleitet sanft dahin. Pfarrer Petter Kummel tritt Mitte der 1940er Jahre eine neue Stelle auf den Örar-Inseln an, ein kleines, windumtostes Archipel abseits der Schiffsrouten zwischen Finnland und Schweden. Seine Frau Mona und die kleine Sanna begleiten ihn. Das Leben auf der Kircheninsel ist hart und entbehrungsreich, die Menschen sind ebenso herzlich wie eigenbrötlerisch, und Petter weiß sie zu handhaben. In der 500 Seiten langen Geschichte passiert nicht viel, aber doch ausreichend. Ein schöner Roman.
Ausverkauf | Deakin & Blue, die britische Bademodenmarke, die Journelle mir nahe gebracht hat und die Badeanzüge für verschiedene Körperformen anbietet, schließt. Wer noch zuschlagen möchte: Es ist Final Sale.
Schweine | Spaziergang.
Kommentare
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Das mit den Stühlen …ist wohl überall ein Ding. Ich habe im Rahmen einer ausserordentlichen Führung in der hiesigen Philharmonie mit dem Zollstock diverse Sitzplätze vermessen. Drei Sitzplätze scheinen zu passen, ich werde das demnächst in einem Selbstversuch austesten.
Das mit den Sitzen ist ein Elend. Ich würde so gerne eine Aufführung in Bayreuth besuchen. Aber die Sitze sind so schmal und eine Beinfreiheit ist nicht vorhanden, so dass mein fast-2-Meter-Mann nicht hinein passt. Wir haben es bei einer Führung im Opernhaus ausprobiert. Und für Menschen mit Standardmassen sieht es auch sehr ungemütlich aus.
Im Museum haben wir gesehen, wie elegant, breit und gepolstert die Vorgängersitze waren. Man hat sie rausgenommen, um mehr Zuschauer in den Saal zu bekommen.
Schade, in meiner Größe kein Badeanzug mehr da…
Was die Stühle in Theatern betrifft: mein Endgegner sind die Kammerspiele Bochum. Bei beinbetonten 178 cm Körperlänge äußerst schwer erträglich. Konzerthaus Dortmund hingegen geht.
Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch und freie mich auf Ihre 2025er Beiträge!
Irgendwie scheinen in den Köpfen von Planern Menschen über 1,80m nicht zu existieren. Anders kann ich mir das kaum erklären. Das Problem ist nicht nur alt (da kann ich es noch ein wenig nachvollziehen), existiert aber auch in modernen Sälen, Hörsälen etc.
Ach ach ach Journelle.
Ihnen alles Gute fürs nächste Jahr, privat und beruflich. Und Danke!!
Ach ja, die Sache mit den Theaterstühlen, muss Kunst wehtun? Es kann kein Zufall sein, dass die bequemsten in München im neuen VOLKStheater stehen – fast schon Cinemax-Kino-Fläzen möglich.
Wenn man Kinder im Grundschulalter hat, verbringt man auch deutlich über die Komfortzone hinaus Zeit auf Stühlen, die nicht für den Körperbau eines Erwachsenen gemacht sind. Hat man Kleidergrößen mit 1..n X vor dem L, wird es ergonomisch noch ungünstiger, weil man der Haltbarkeit der Bestuhlung nicht vollständig traut und unwillkürlich versucht, das Gewicht über die Beine abzufangen. Ist man obendrein noch im Förderverein oder ähnlichen Organen tätig, die sich in Grundschulen zu Versammlungen treffen, potenziert sich das alles.
Aber an Erwachsenenbestuhlung war bisher die Arena in Oberhausen mein Endgegner. Mark Knopfler spielte virtuos Gitarre, aber irgendwann vermochte der akustische Genuss die körperliche Pein nicht mehr zu übertönen. Mir ist es unverständlich, wie andere Menschen gemütlich gefläzt, teils mit übereinandergeschlagenen Beinen stundenlang in einer Position ausharren, während ich schon ständig die Position zu wechseln versuche, weil die Empfindung der eingeschlafenen Oberschenkel von „unangenehm“ zu „schmerzhaft“ übergehen. Viel zu spät gab es endlich Standing Ovations, und viel zu früh setzte sich die noch eben stehende gesetzte Gesellschaft wieder zu einer sitzenden.
Ich bin generell eher ein Stehmensch. Bonuspunkt für Bewegungsmöglichkeiten. Meetings waren früher im Büro eine Qual für mich; auch, aber nicht nur wegen der Bestuhlungssituation, die in Konferenzräumen auch mehr auf Optik als auf Bequemlichkeit getrimmt ist. Besprechungen mit dem Funkkopfhörer (Reichweite: Bis in den Keller und den Garten) auf dem Kopf und frei im Haus beweglich haben die Lage deutlich verbessert.