Weihnachten | Das war es also, Weihnachten 2024, und es war schön. Ich fühle mich komplett durchweihnachtet, ich bin keksbefüllt und sattgegessen. Ich habe sogar gesungen. In der Kirche an Heiligabend konnte ich nur brummen, weil ich immer noch heiser war; mir brach die Stimme. Am ersten Weihnachtstag war ich genesen und konnte mich nach Kräften ins Zeug legen, ein Weihnachtswunder. Zu vierzehn Leuten saßen wir am späten Nachmittag um den Küchentisch, die Torte war verspeist, und der Reiseleiter klampfte nach mehrfacher Aufforderung endlich Feliz Navidad. Die Festgesellschaft sang Prosecco-selig: I wanna wish you a merry Christmas, holte Luft, from the bottle of my heart, aus der Flasche meines Herzens. Prost.
Aber von vorn. An Heiligabend ging ich nach mehreren Jahren mal wieder in die Kirche. Die evangelische Gemeinde wirkte auf der Konfirmation von KindEins ganz sympathisch und hatte zum Fest ein Weihnachtsmusical im Programm: Kinder spielten und sangen die Weihnachtsgeschichte. „Das kann man sich mal ansehen“, waren wir uns einig, und so war es dann auch: kurzweilig, festlich und angemessen aufgewühlt, so wie das sein muss bei einem Krippenspiel und einer Kirche voller Kinder. Außerdem war es angenehm bodenständig: Als Joseph, nachdem er ein paar Tage auf Montage war, erfuhr, dass Maria schwanger ist, reagierte er, wie wir es alle tun würden: Der Heilige Geist, jaja, schon klar, das glaubt nicht mal deine Mudda!
Am ersten Weihnachtstag dann Open House, ich berichtete von den Plänen. Es kamen Alte und Mittelalte, Verwandte, weniger Verwandte und gar nicht Verwandte, wir saßen alle in der großen Wohnküche, aßen Kuchen und Suppe und erzählten uns Schwänke aus unseren Leben. Der Reiseleiter hatte ein Fotobuch von der Dänemark-Fahrradtour erstellt. Die Bilder der Regentage sorgten für große Gefühle; die Fotos, auf denen wir durchnässt, in kükengelben Regenponchos, mit Mülltüten um den Füßen und mit sauertöpfischen Gesichtern in Unterständen saßen, sorgten für große Erheiterung. Humor, sagte einst Woody Allen, sei nichts anderes als Tragik plus Zeit. Ich mag ihm nicht widersprechen.
Wir aßen, tranken und sangen, aßen wieder, und als es an der Zeit war, dass die Gäste aufbrachen, fragten sie nach den Trockentüchern und spülten noch ab. Ich werde sie wieder einladen.
Nachdem sie gegangen waren, war es still – und blieb auch still. Denn am zweiten Weihnachtstag hatten der Reiseleiter und ich kinder- und familienfrei. Wir gingen in die Sauna, lasen zusammen mehrere hundert Seiten, nickten mehrmals ein und kamen am Abend ausgeruht und duftend wieder heim.
Gelesen | Less is Lost von Andrew Sean Greer. Arthur Less ist um die Fünfzig, ein mittelmäßiger Schriftsteller, schwul und mitten in einer Lebenskrise. Sein Selbstbewusstsein liegt am Boden: Mit der großen Karriere will es nicht klappen, finanziell ist es eng und seine Langzeitaffäre Freddy heiratet einen anderen, weil Less es nicht über die Lippen gebracht hat, Freddy seine Liebe einzugestehen. Less nimmt drittklassige Aufträge an, um nicht bei der Hochzeit dabei sein zu müssen. Er tingelt durch die USA – mit einer Theatertruppe und mit Lese-Engagements, er fährt zu seinem Vater und seiner Schwester, nur um immer wieder der Liebe zu begegnen. Ein sympathischer Protagonist und eine mit Leichtigkeit erzählte Geschichte, ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis 2018. Hat mir gefallen.
Und sonst | Sonst passierte nichts – außer dass wir Reste aßen und spazieren gingen, einmal mit Nebel und einmal mit Sonne.
Schweine | „Wir möchten über den Füllstand des Gemüsenapfes sprechen.“
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