Morgen und Abend | Meine Nacht endete um 4 Uhr. Die Zimmernachbarn hatten Jetlag und nutzten den Morgen für lebhafte Gespräche. Ein intensives Erlebnis. Ich rang mit mir: aufstehen und Ohropax aus dem Bad holen oder liegenbleiben und mich in Gleichmut üben? Über diesen Zwiespalt schlief ich nochmal ein.
Auf dem Weg zum Kunden hielt ich an einem französischen Café und gönnte mir zwanzig Minuten mit einem Milchkaffee. Das war gut.
Nach dem Tag beim Kunden wechselte ich von Köln noch Duisburg. Das Hotel entschädigt für die Erlebnisse des Vortags. Es ist nicht nur zwanzig Euro preiswerter. Es hat richtige Wände, eine Heizung im Bad und eine andere im Zimmer, es hat einen Fernseher, der Programme empfängt, intakte Möbel und mehr als eine Kernseife in der Dusche. Fantastisch.
Ich spüre schon jetzt, wie gut ich schlafen werde.
Chronik | Eintrag in die Chronik maroder Infrastruktur: Die Fahrt mit dem Auto von Köln nach Duisburg, 65 Kilometer, dauerte 1 Stunde 45 Minuten.
Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Und nu?“
Eine philosophische Frage mit einem festen Glauben an die Zukunft: Wer „Und nu?“ fragt, rechnet grundsätzlich damit, dass es weitergeht. Dazu die Nonchalance, dieser Zukunft nicht die volle Anzahl von Buchstaben zu gönnen. Daraus spricht Leichtigkeit.
Irgendwie geht es immer weiter, auch wenn Regierungen zerfallen, der Friseurbesuch misslingt oder wenn ein Soziopath Präsident wird. Wenn wir Fehler machen, wenn wir den Job verlieren oder wenn wir eine falsche Entscheidung treffen – die Dinge fügen sich und rücken sich zurecht. Man muss sie manchmal ein bisschen drücken und ziehen natürlich. Das geht nicht immer von allein.
Und nu? Ich weiß es nicht. Wer kann das schon wissen? Einfach mal losgehen und schauen, was hinter der nächsten Kurve kommt. Was ist das Schlimmste, das passieren kann, die größte Katastrophe? Sehen Sie: So tragisch ist es nicht. Es wird schon werden. Sollten Sie unsicher sein, ob der richtige Zeitpunkt ist, helfen ein warmes Federbett, ein gutes Buch und ein Kakao. Und: Abwarten. Eines der generischen Prinzipien der Veränderung ist: Kairos. Das meint: Passung in der Zeit. Irgendwann werden Sie spüren, dass es an der Zeit ist. Sie werden die nötige Energie haben. Oder Anklang finden mit Ihren Ideen. Nur grad nicht jetzt. Warten Sie und seien Sie wachsam für den Moment im Innen und Außen.
Machen Sie sich ein Geschenk. Schenken Sie sich Unbekümmertheit. Das meint nicht: Leichtsinn. Oder Achtlosigkeit. Es meint, dass wir dem, was Gutes kommen kann, mehr Aufmerksamkeit schenken als dem, was Schlechtes passieren könnte, und auch dem, was wir loslassen.
Und nu? Glauben Sie nicht alles, was Sie denken. Vor allem nachts.
Gelesen | Das kleinste gemeinsame Vielfache von Pirkko Saisio, aus dem Finnischen von Elina Kritzokat. Die Ich-Erzählerin folgt Erinnerungen an ihre Kindheit in einem finnischen Arbeiterviertel in den 50er Jahren. Ein stimmungsvolles Bild – gleichzeitig gibt es keine zusammenhängende Handlung. Sie hätte dem Buch gut getan.
Schweine | Das Pionierschwein: ein Entdeckerschwein, furchtlos und neugierig. Ein Schnellmerker, das Schwein mit der steilsten Lernkurve.
Kommentare
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Vielen Dank für die Beantwortung der Frage. Deine Sicht auf diese Frage fand ich sehr spannend. Deine Definition von Unbekümmertheit im Sinne von „nicht auf den Kummer fixieren sondern auf die guten Dinge“ merke ich mir.
Tatsächlich vermute ich da zur Zeit ein gesellschaftliches Problem: Wir sind alle viel zu viel auf die Dinge fokussiert die nicht gut oder sogar sehr schlecht laufen. Dabei passieren auch tatsächlich viele sehr gute Dinge. Im Kleinen sowieso, aber auch im Großen. Oder hat hier eigentlich irgendwer mitbekommen, dass es mittlerweile einen Impfstoff gegen Malaria gibt oder dass wir es geschafft haben einen Grippestamm auszurotten?
https://de.wikipedia.org/wiki/Malariaimpfstoff
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/155829/Grippestamm-durch-Coronamassnahmen-ausgerottet
Wir sind in Bezug auf die Veränderungen zu sehr auf den Verlust fixiert. Natürlich bringt Neues auch immer Verluste mit sich; Gewohnheiten und Privilegien, von denen man sich zwangsläufig trennen muss. Es fällt leichter, diese Verluste zu bewältigen, wenn es ein positives Bild gibt. Ich erinnere mich noch dunkel, als ich Kind war und in den 80ern die Fußgängerzonen eingeführt wurden. Was war das ein Geschrei! Heute zweifelt niemand an Fußgängerzonen. Es braucht mehr Denkangebote, die uns Ideen entwickeln lassen, was besser und leichter wird, was wir gewinnen.
Dazu die Gewinne feiern. Impfstoffe gegen Krebs. Aids ist nicht mehr ansteckend (es wurden sogar schon Menschen geheilt). Die Luft ist nicht mehr so verpestet. Und und und …
Danke, das ist sehr schön. Alles. Aber besonders den „Und nu?“-Teil werde ich mir wohl am besten in schönstem Motivational-Quote-Handlettering in Gänze abschreiben und an die Wand tackern, damit ich nochmal schnell nachschauen kann, falls ob der Umstände doch gelegentlich die Hoffnung schwindet.
<3
Weil es hier so schön passt, rühr ich mal ein bisschen die Werbetrommel für das Good News Magazin.
https://goodnews-magazin.de/
Sollte meiner Meinung nach in jedem Wartezimmer dieser Welt liegen.
Und nu geh ich mal ein bisschen Unbekümmert sein üben.
Finde ich super. Bei allem ELend: Es geschieht auch viel Gutes.
Landhaus Milser?
Ich finde es interessant, daß Angela Merkel in einem Abschnitt aus der DDR Zeit, als sie studierte, ihre Unbekümmertheit als eine wesentliche Eigenschaft beschrieb, die sie mit den damaligen Widrigkeiten zurechtkommen ließ. Zitat:“Dass die die DDR mir das (doe Unbekümmertheit) nicht nehmen konnte, empfinde ich als einen meiner größten Siege über das System“ (S.70)