Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Eine Radreise durch Dänemark: Die Wasserschlacht von Nordjütland

22. 7. 2024 3 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Nykøbing Mors – Bonderup | Der Reiseleiter weckte mich zuversichtlich: Der dänische Wetterdienst habe seine gestrige Prognose korrigiert. Es werde nur ganz leicht regnen und erst ab 15 Uhr. Außerdem habe er die Etappe um zehn Kilometer gekürzt: Wir müssten nicht siebzig, sondern nur sechzig Kilometer fahren. Er strahlte.

Tatsache war jedoch, dass es regnete, als wir aus der Tür traten. Es regnete mit einem leisen Rauschen, ein Regen, der frei war von der Energie eines kurzen Schauers. Mit kraftvoller Ausdauer umarmte er das Land, während ein freundlicher Wind die Tropfen verwirbelte, so dass sie uns nass und liebevoll zudeckten.

Wir beluden die Räder, wickelten uns in Regenkleidung, Kükenponcho und Mülltüten und machten uns auf den Weg. Der Wirbelwind sorgte dafür, dass wir von allen Seiten gleichmäßig nass wurden. Es war, als führen wir Fahrrad und nähmen gleichzeitig ein Bad – ein Erlebnis, das man selten hat. Deshalb würdigten wir es mit zärtlichen Flüchen.

Nach etwa 25 Kilometern erreichten wir einen Ort. Der Ort hatte einen Spielplatz, und auf dem Spielplatz stand eine überdachte Picknickhütte. Wir aßen Zimtschnecken. Derweil veränderte sich der Regen. Er ließ seine Bindfädigkeit hinter sich; stattdessen prasselte er dick und dicht auf das Dach und auf den Reiseleiter, der einen Platten flickte. Denn den hatten wir auch.

Um die Insel Mors zu verlassen, nahmen wir die Fähre über den Feggesund. Am Fähranleger blies der Wind. Auf dem Wind hielten übermütige Schwalben die Stellung. Sie schwebten auf der wilden Luft wie ein Kolibri, nur ohne Flügelschlag, bevor es sie ein ums andere Mal fortriss aufs Meer. Sie kamen wieder, legten sich erneut auf den unsichtbaren Strom, stießen hinab bis kurz über den Asphalt, stiegen wieder auf, wurden wieder fortgerissen.

Nach der Fähre führte unser Weg nach Osten, dem Ostwind entgegen. Der Reiseleiter fuhr voran, die Kinder im Windschatten, ich hinterdrein. Wir trampelten mit würdevollem Trotz, während wir kaum geradeaus gucken konnten: Es regnete uns waagerecht in die Augen.

Die Kinder hatten sich schon mit Beginn der Fahrt in ihr Schicksal ergeben. Schweigsam und unerschütterlich trieben sie ihre Räder durch Sturm und Wind, ohne Beschwerde, ohne Gejammer. Das hier musste schlichtweg erledigt werden.

Hinter Amtoft dann plötzlich: nichts. Kein Prasseln der Regens mehr auf die Kapuzen, keine Windböen.

Wir hielten an einer Picknickbank und packten aus, was wir hatten. Doch kaum saßen wir, begann der Regen von Neuem. Erst tröpfelte er leicht, dann wurde er wild und ausgelassen. Wir suchten Schutz hinter einer Hütte, und ich entdeckte, dass mein Küken-Poncho weit genug war, um zwei durchweichte Elfjährige unter die Fittiche zu nehmen.

Als der Regen wieder sanft und bindfädig wurde, fuhren wir weiter, die Elfjährigen neu verpackt. Denn jetzt kam der kniffligste Teil der Reise: die Fahrt über einen viel befahrenen, etwa sechs Kilometer langen Damm im Vejlerne Naturreservat – der Preis dafür, dass wir zehn Kilometer abkürzen konnten. Eigentlich wäre unser Weg in einem großen Schwung über Nebenstraßen durch das Reservat gegangen.

„Du fährst am besten hinten“, meinte der Reiseleiter, „dich sieht man am besten.“ So radelte ich als großes, gelbes Warnküken am Ende des Trecks – links von der weißen Begrenzungslinie, damit die Autos mehr Abstand hielten, die Kinder rechts, im Windschatten des Reiseleiters. Ich war nicht nur Warnküken, sondern auch eine radelnde Pilone und hätte nicht wenigen Wagen den Seitenspiegel einklappen können, so eng überholten sie mich.

Nach dem Damm machten wir noch einmal Pause und teilten die letzten Zimtschnecken auf.

Bushaltestelle an der Straße. Zu sehen sind herausschauende Beine, davor Fahrräder. Es regnet.

„Es wird besser“, sagte der Reiseleiter, während wir kauten und deutete auf helle Linien am Horizont. Er behielt recht: Als wir weiterfuhren, klarte es auf und tröpfelte bald nur noch.

Dafür ging es jetzt absurd bergauf. In Norddänemark! Das muss man sich einmal vorstellen. Wir ächzten die Hügel hinauf, die Kinder schoben oder wurden geschoben. Dann endlich, auf einer Hügelkuppe das Schild: Bonderup zwei Kilometer.

Fahrrad vor genanntem Schild

In Bonderup wartete als Entschädigung eine Unterkunft voller Pralinen auf uns – und ein Gastgeber, der alles tat, um unseren Tag versöhnlich enden zu lassen. „Ich habe euch den Kühlschrank voller Essen gepackt“, sagte er und zog an der Tür, die sich schmatzend öffnete und einen halben Supermarkt offenbarte. „Hier“, er deutete auf die Waschmaschine, „könnt ihr waschen und dort“, er deutete in die übrigen Räume, „habe ich euch die Betten bezogen. Die Süßigkeiten auf den Tischen könnt ihr nehmen und das“, er hielt eine kleine Rolle hoch, „sind Tüten. Morgen früh könnt ihr euch Brote schmieren und sie mitnehmen.“ Wir wahrten die Contenance, bis er sich verabschiedet hatte, dann brachen wir in Jubel aus.

Route und Daten zur Etappe - siehe Info unter dem Bild

Nykøbing Mors – Fjerritslev-Bonderup
Entfernung: 61 Kilometer
Höhenmeter: 240
Reine Fahrzeit: 4 Stunden 42
Dauerregen und lebhafter Gegenwind

Kommentare

3 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓

  1. Mareibianke sagt:

    Alle Achtung! Sich von solchem Wetter nicht die Freude verderben zu lassen, verdient höchsten Respekt. Vor allem die Kinder… Unsere Tochter hätte das in dem Alter nicht mitgemacht.

  2. Berit sagt:

    Der Gastgeber verdient eine 1 mit Sternchen, Umarmungen und Herzungen – möge er lange und friedlich leben!

  3. […] alles mit einem markanten Nord- und vor allem Dänemark-Schwerpunkt. Teils ist es dort gerade etwas herausfordernd, was das Wetter angeht. Kapuzenbilder sieht man hier und da, aber wann ist das Wetter schon […]

Die Kommentare sind geschlossen



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