Broterwerb | Mit der Bahn nach Berlin gefahren, mit alternativer Wagenreihung, aber sonst mit allem Komfort: pünktlich, im Ruhebereich mit tatsächlicher Ruhe, mit freundlichen Mitreisenden, angenehm klimatisiert.
Ich verbrachte die Zugfahrt mit Noise-Cancelling-Kopfhörern und Musik, von Ska-Punk bis Klassik, und entspannte hervorragend.
Eine Stunde vor meinem Termin erreichte ich Reinickendorf. So mag ich das: Noch genug Zeit, um einen Kaffee zu trinken, sich die Korrespondenz nochmal anzusehen und ein bisschen nachzudenken.
Auf dem Weg gab es Futter fürs Handballerinnenherz:
Dann hatte ich ein rundherum großartiges Akquisegespräch mit sympathischen Menschen an einem schönen Ort. Zu drei Frauen saßen wir zusammen und haben gemeinsam erzählt und erdacht – das war sehr prima. Ich hoffe, es kommt zur Zusammenarbeit.
Nach dem Termin stolperte ich in Alt-Reinickendorf über einen Waffelladen und war sofort sehr aufgeregt. Geheimwaffel!
7,5 von 10 Punkte auf der Internationalen Waffelskala: Geschmack in Ordnung, angenehm wenig süß. Allerdings bekommen runde Waffeln per se Punktabzug, und bei der Fluffigkeit war Luft nach oben (im Wortsinne).
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Landtagswahl | So langsam werde ich sauer. Es dauert stets sehr lange, bis ich richtig sauer werde; wenn es dann aber soweit ist, bin ich es mit Inbrunst und harter Leidenschaft. Was die ganze AfD-Thematik angeht, bin ich inzwischen sehr, sehr sauer.
Ich habe es satt, dass wir so verständnisvoll sind. Dass wir hinterfragen und ergründen, sachlich und emotional, von vorne und von hinten und von der Seite, mit schräg gelegtem Kopf und interessiert vorgebeugt, warum die Menschen AfD wählen. Wir sollten damit aufhören. Nazis wählen Nazis, weil sie Nazis sind. Weil sie verdammte Rassisten sind. Weil sie es wollen. Weil sie ausgrenzen, weil sie vereinfachen, weil sie Modernisierung, Aufklärung und Komplexität ablehnen, weil sie hassen. Weil sie Täter sind und nicht, weil sie Opfer sind.
Es gibt keine tolerierbare Begründung, Nazi zu sein. Ich will keine Rechtfertigung mehr hören, warum jemand AfD wählt. Egal, wie enttäuscht und frustriert er ist, wie sozial ungerecht unsere Gesellschaft bisweilen daherkommt und egal, was den Eltern während der Wiedervereinigung geschehen ist. Es gibt kein Argument und keine Gefühlslage, die es rechtfertigen, ein nationalistisches, rassistisches Arschloch zu sein.
Wir, die Mehrheit, müssen diesen Leuten sagen und zeigen, dass wir das nicht akzeptieren – und dass wir Auseinandersetzung und Offenheit erwarten. Wir müssen gestalten: soziale Zukunft, Umweltschutz, gesellschaftliche Strukturen. Entwicklung der Infrastruktur und der Bildung.
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Jetset-Life | Das Hotelzimmer gibt mir einen Hauch von VIP-Gefühl.
Trotzdem fehlt ein Schreibtisch im Raum. Am Ende ist eben doch nicht alles so glamourös.
//*mit eingeschlafenem Bein und krummem Rücken aus dem Bett gebloggt
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Gelesen | Die New York Times war in Brandenburg unterwegs: German Elections Reveal, and Deepen, a New East-West Divide.
“My parents were around 50 when the wall fell,” said Mario Fitzke, a local car mechanic. “They had such high hopes and were bitterly disappointed and humiliated. And then you see what the refugees get — all the things that we didn’t get. That makes you angry.”
Ich wiederhole mich: keine Begründung, ein Nazi zu sein.
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Probe | Jetzt übe ich nochmal meine Keynote für morgen, obwohl – ja, ich habe das alles schonmal gemacht, aber trotzdem … oh mein Gott, ich bin nervös.
Ich weiß: Das ist gut so. Das schärft die Konzentration und den Fokus. Dennoch frage ich mich, wann endlich die Abgebrühtheit kommt.
Kommentare
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[…] ich zitiere Vanessa und stimme ihr uneingeschränkt […]
„Ich habe es satt, dass wir so verständnisvoll sind. Dass wir hinterfragen und ergründen, sachlich und emotional, von vorne und von hinten und von der Seite, mit schräg gelegtem Kopf und interessiert vorgebeugt, warum die Menschen AfD wählen. Wir sollten damit aufhören. Nazis wählen Nazis, weil sie Nazis sind. Weil sie verdammte Rassisten sind.“
Oh Göttin! Wie sprechen Sie mir aus der Seele.
Was hat Sigmar Gabriel 2015 einen Shitstorm kassiert, als er den Mob in Heidenau treffsicher als „Pack“ bezeichnete. Was hat es zu Anfangszeiten von PEGIDA immer geheißen, man müsse die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und ihnen zuhören. Nun, in den letzten Jahren gab es mehr als genug Gelegenheiten, sich zu äußern und gehört zu werden, und jede machte es nur noch schlimmer.
Und ich bin da auch ganz ehrlich: Menschen, die auch in der 100. Wiederholung vollkommen ironiefrei Worte wie „linksgrün-versiffte Gutmenschen“ verwenden, haben bei mir jeglichen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden, verwirkt.
Sehen wir den Tatsachen endlich ins Auge – oder im neuzeitlichen Nazi-Jargon „WACHT ENDLICH AUF!!!“: Diese Menschen wollen nicht zur Vernunft kommen, Sie haben ihre eigene Definition von „Vernunft“ erschaffen, an die wir mit Empathie und gesundem Menschenverstand nicht herankommen.
So ist es. Sobald der Gegenüber für Dialog bereit ist: gerne. Aber so nicht. Da hilft nur, klar Position zu beziehen.
In einer idealen Welt fiele niemand auf die AfD herein, niemand teilte deren abwegige Gesinnung.
In einer idealen Welt gäbe es gar keine AfD.
Wir leben in keiner idealen Welt.
Verständnis-Heititei bringt uns nicht weiter.
Frontenbildung aber auch nicht.
Es gibt noch so viel Anderes zwischen diesen beiden Extremen. Im Gespräch bleiben tut not.
Und es ist möglich, mit „denen“ zu reden, ohne gegenseitig ausfällig zu werden.
Ich bin eine große Freundin systemischer Methoden.
Was sollen denn systemische Methoden bringen? In welcher Form? Bitte konkreter werden.
Direkt ist immer zu konfrontativ. Ich kann die Energien ändern in den jeweiligen Situationen und gucken was passiert. Das klingt jetzt abstrakt, zugegeben. Ich überleg‘ mir ein Beispiel, okay?
Bis lang die einzig treffsichere Analyse zur Landtagswahl.
Danke dafür.
Naja, es gibt schon noch eine noch bessere Analyse von Florian Schroeder. Z.B. hier nachzuhören im Podcast
https://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/einfach_schroeder/landtagswahlen.html
:-)
Guter Kommentar. Sagt dasselbe, nur besser.
Super Kommentar zur AfD. Wo darf ich unterschreiben? Oder noch schöner: Darf ich den teil unter Nennung der Autorin nutzen und auf meiner FB-Seite posten? Besser kann man das nicht schreiben!
Bitte Frau Nessy.
Nur zu.
Zitat Anfang:
So langsam werde ich sauer. Es dauert stets sehr lange, bis ich richtig sauer werde; wenn es dann aber soweit ist, bin ich es mit Inbrunst und harter Leidenschaft.
Zitat Ende
Oder wie mein Mann immer so schön zu mir sagt: Gemüt wie ein Schaukelpferd, aber wehe du bist richtig sauer …
Zum Thema fällt mir nur ein das ich das sehr eklilg finde das es Medien gibt, die die AfD als bürgerlich bezeichnen … *würg*
Leider sind die etablierten Parteien für viele meiner Kollegen nicht mehr wählbar.
Ihr Protest ist von NICHTWÄHLER, LINKE oder GRÜNE direkt zur AFD gewandert. Die AFD ist weder programmatisch, noch personell ihre Heimat, aber ihr persönlicher Ausdruck für Protest gegen Zeitenwandel, gefühlte Überfremdung usw. Es geht ihnen gut, aber wie lange noch? Sie fühlen sich abgehängt (der Osten ist halt immer noch die verlängerte Werkbank des Westens und das wird sich auch nicht ändern). Diskutieren oder Kompromisse zu suchen wurde vor der Wende nicht praktiziert. Da fühlt es sich gut für sie an, wenn sie jemanden haben, der klar sagt wo es lang gehen soll. Beweisen mussten sie sich bislang ja auch noch nicht. Die Leute im Westen haben nach 1945 noch nie so einen radikalen Umbruch erlebt, deshalb kommt die AFD dort auch nicht so an. Es fällt echt schwer, ständig dagegen zu argumentieren, weil diese Leute einfach nicht diskutieren wollen, sondern einfach nur in Ruhe so weiterleben wollen wie bisher.
Liebe Frau Nessy,
danke für die sehr sehr sehr zutreffenden Worte zum Thema „AfD / Nazis“!
Also, in meiner Frustration, ja, meiner Wut, bin ich vollkommen bei Dir, warum wählt jeder Vierte im Osten eine Organisation, die unsere Demokratie missachtet, ja, zerstören will und Politik gegen den Menschen macht, zum „Wohl von uns Deutschen“. Aus der Geschichte will keiner lernen, das tut richtig weh. Beispiel: mein Schwager sagt, „warum lassen wir die Flüchtlinge überhaupt in unser Land“ und selbst hat er eine Mutter, die nach dem Krieg als Siebenbürgin vertrieben wurde … was für ein nichtsnutziger Egoismus.
Auf der anderen Seite kann ich diese Menschen, nein, nicht verstehen, sondern ihre Gedanken in gewisser Weise nachvollziehen, z.B. nach der Lektüre des Buchs „Herr Sonneborn geht nach Brüssel“, was immer man davon auch halten mag, wo das Politikgeschacher für die Wirtschaft auf europäischer Ebene plastisch beschrieben und die Gründe für die wirtschaftliche Schere zwischen Reich und Arm zumindest teilweise erläutert wird. Was ’ne Sauerei.
Warum auch gibt es nach fast 30 Jahren immer noch die Unterscheidung nach „West“ und „Ost“, siehe Soli oder Unterschiede bei der Rente. Weil man es will. Wer das will, will das vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen und kommt damit bis heute durch.
Diese Menschen, die AfD wählen, über die wir frustriert sind und auf die wir Wut haben, sind Teil unserer Gesellschaft und mit denen stehen wir in der Schlange an der Supermarktkasse und feiern mit ihnen im Konzert oder treffen sie beim Sonntagsspaziergang. Irgendwie müssen wir diese Menschen auch heute noch abholen in ihren Gedanken und Sorgen, die sie sicherlich, wenn auch teilweise, begründet haben und für unsere Gesellschaftsordnung zurückgewinnen. Wut reicht da kurzfristig nicht aus, diese „politischen Gefühle“ sind jahrzehntelang gewachsen.
Wir müssen auch weiterhin in unserem Kampf für unsere Gesellschaftsordnung verständnisvoll sein, auch wenn wir mit in unseren Augen „Arschlochwählern“ diskutieren werden und müssen. Wir dürfen hier, auch wenn es anstrengend ist, auf Dauer unsere Geduld nicht verlieren und immer wieder zeigen, dass „unser“ Weg innerhalb unserer gesellschaftlichen Ordnung der richtige ist. Ob wir diese Menschen tatsächlich überzeugen können, steht auf einem anderen Blatt.
Ich gehen mit Menschen in den Dialog, die einen Dialog wünschen. Bei Nazis erkenne ich das nicht.
Bei der Unterscheidung zwischen Ost und West gebe ich Ihnen Recht. Nach 30 Jahren muss das weg. Es gibt Nord und Süd und Ost und West und ein paarw regionale Eigenheiten in unserem Land. Aber die alte Grenze sollte aus den Köpfen und in der Betrachtung verschwinden.