Ihr erinnert Euch doch alle an Victoria Schwartz und Ihren Realfake, oder? Victoria verliebte sich online in einen Menschen, der vorgab, jemand anderes zu sein – mit einer kompletten Identität, geklauten Fotos und Fake-Profilen in Social Media.
Heute erhielt ich auf Facebook eine Freundschaftsanfrage von Leonard, und weil ich direkt nach dem Aufstehen feinmotorisch nicht ganz beieinander war, habe ich versehentlich auf „Bestätigen“ gedrückt statt auf „Löschen“. Welch Fügung, denn nun wurde es spannend. Leonard schrieb mich sofort über den Messenger an, dass er sich sehr freue, dass ich ihn als Freund akzeptiert habe. Auf meine Frage, wer er sei und woher wir uns kennen, sagte er, er sei Soldat und diene zurzeit in Syrien.
Ich dachte sofort an das Buch von Victoria, nahm sein Profilbild und schickte es durch die Google-Rückwärtssuche. Und siehe da: Leonard ist nicht Leonard. Er ist ganz sicher auch nicht Michael J. Pratt, dessen Bild er nutzt.
Ich dachte mir: Gut, ein bisschen spielst Du das Spiel jetzt mit. Mal sehen, wie seine (oder ihre) Taktik ist. Was er genau in Syrien macht? Friedenssicherung. Warum er sich dafür interessiert, ob ich Single bin? Ich sei einfach total sympathisch und wunderschön. Was er vorhat, wenn er in Syrien fertig sei? Die Mission sei bald beendet, aber „erzähl mir lieber von dir.“ Die Taktik ist: Komplimente machen, mich zum Reden bringen und möglichst wenig Konkretes über sich preisgeben.
Ich habe ihn geblockt. Die Ergänzung von Victoria:
Die Vorgehensweisen sind ganz anders. Ein Realfake benutzt zB keine Fotos, die man „mal eben schnell“ via Bildersuche findet. Er spricht auch nicht sofort von Liebe. Scammer erzählen immer die gleichen Stories: Soldat, Witwer, alleinerziehend, Auslandseinsatz blablabla.
— Victoria (@VictoriaHamburg) January 25, 2018
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Heute bei und auf dem Weg zu beruflichen Terminen insgesamt elf Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Ich mag ja das Prinzip Walk and Talk: Der Körper bewegt sich, die Gehirnzellen bewegen sich, und die Gesprächssituation ist gelöst und locker.
Zum zweiten Termin mit einer Unternehmerin aus dem Nachbarstadtteil etwas zu früh gewesen. Ich bin deshalb einmal um den Block gegangen und habe die Umgebung erkundet. Dabei habe ich mitten im Gewerbegebiet diesen jüdischen Friedhof entdeckt.
Verrückt, was man alles sieht, wenn man mal in eine andere Richtung läuft als sonst. Der Friedhof liegt direkt hinter der Halle, in der wir Handball spielen.
Die Verstorbenen waren erstaunlich alt, gemessen am Jahrhundert, in dem sie gelebt haben. Ich hätte unter den Namen deutlich mehr jüngere Menschen vermutet, doch die meisten waren 60 Jahre, 70 Jahre und älter.
Der Friedhof hat sogar einen Wikipedia-Eintrag.
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Auf dem Rückweg vom Termin bin ich an der Filmbühne „Zur Postkutsche“ vorbeigegangen. Auch eine Neuentdeckung! Ich wusste gar nicht, dass wir noch ein Vorstadtkino haben.
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Gelesen: Hallo, ich bin die dritte Option – die Geschichte von Maxi Bauermeister. Bauermeister kam mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt und wurde sehr früh als Kind operiert. Ein Text über das Dazwischensein.
Gesehen: Wenn der Schlaf dich niederschlägt – der Alltag von Sarah, die Narkolepsie mit Kataplexie hat. In emotionalen Momenten erschlafft ihre Muskulatur, ohne dass sie es kontrollieren kann. Sie schläft unvermittelt ein und bekommt Halluzinationen. Spannend: Ihr Therapiehund kann das fünf Minuten vorher spüren – noch bevor sie etwas merkt. Unverständlich: Die Krankheit wird nicht als Behinderung anerkannt, so dass ihr nicht die Hilfe zuteil wird, die sie benötigt.
Kommentare
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Das ist ja spannend! Ich wusste gar nicht, dass man Bilder bei Google rückwärts suchen kann…? Wir funktioniert das? :-)
Wenn man die Google-Bildersuche aufruft, ist im Eingabefeld rechts ein Kamerasymbol. Darüber kann man eine Bild-URL eingeben oder ein Bild hochladen, das Google dann abgleicht.
Die Postkutsche ist wirklich schön und einen Besuch wert. Ein Kinobesuch fast „wie früher“, und das schließt auch die Preise mit ein.