Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Der Weg der Toastlaster

30. 7. 2015 33 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Seit zwei Monaten fahre ich nun mit dem Auto zur Arbeit.

Das führt leider dazu, dass Ihnen und mir Geschichten aus dem öffentlichen Personennahverkehr entgehen. Außerdem komme nicht mehr so viel zum Lesen. Das ist ein stückweit bedauerlich. Insgesamt ist es aber deutlich praktischer, um nicht zu sagen unumgänglich, das Auto zu bemühen.

Fast jeden Tag, wenn ich auf der Bundesstraße zur Arbeit fahre, habe ich den Lkw einer großen Toastfirma vor mir. Es ist jene Toastfirma, deren Toasts meine Mutter immer kaufte, damals, als ich noch klein war und es besondere Anlässe gab. Denn Toast war in meiner Familie etwas Außergewöhnliches: Normalerweise aßen wir Graubrot, das gute Doppelback. Oder etwas mit Körnern. Nur zu Ostern und Weihnachten gab es weißes Brot, den guten Stuten – aus Ermangelung an Brötchen während der Feiertage; die Bäckereien hatten weiland über die Festtage geschlossen, die Älteren unter Ihnen erinnern sich (wir hatten ja nix).

Industriell hergestellten Toast gab es, wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Gesundheitsbeeinträchtigungen, nur selten. Er war eine Süßigkeit oder sagen wir: eine Art Sonntagsfestbraten fürs Kind. Noch warm, kam dick Butter drauf, die langsam schmolz, die Mitte durchtränkte, sie weich und labbrig machte. Darauf kam dann ein Wurstbelag, der so dick war wie das dünne, butternasse Brot. Oder Schokocreme. Es war eine Wonne.

Ich empfinde also etwas für diese Toastmarke. Und nun fährt mir jeden Morgen ein Toastlaster vorweg.

Heute, nach Wochen der Freude und Konfusion angesichts der großen Anzahl an Toastbegegnungen, bin ich dem Lkw hinterher gefahren. Wie Privatdetektiv Matula bin ich ihm gefolgt, mit Abstand und konsequent, immer dem gelb leuchtenden Toastbrot hinterher, erst rechts, dann an der Ampel links, immer weiter und – Halleluja! Der Lkw führte mich zur Wiege des Toasts, an den Ort, wo alles beginnt, in den Kreißsaal des Röstbrots.

Ich hielt kurz inne. Dann fuhr ich weiter.

Kommentare

33 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓

  1. Toast – eine Art Sonntagsfestbraten für’s Kind – das haben Sie perfekt ausgedrückt, liebe Frau Nessy. Genau die gleichen Erinnerungen habe ich auch an diese leicht süßliche, knusprig-flauschige Köstlichkeit, die es zuhause nur „alle heiligen Zeiten“ mal gab.

  2. Charly sagt:

    „Gutebutter. Das ein Wort, merken Sie sich das! Wie Klarwasser, das ist auch ein Wort.“
    — Jochen Malmsheimer

    1. Nessy sagt:

      Gutebutter. Sagte meine Oma auch immer.

  3. Sanna sagt:

    …und dieser kindliche Sonntagsfestbraten schmeckte „damals“ anders. Ganz anders. Besser! Ich kaufe bzw. esse selten Toast, aber das, was heute in dem gelben Beutel steckt, hat mit meiner (Geschmacks-)Erinnerung sehr wenig zu tun.

  4. Ini sagt:

    Ja, damals..als noch kein Soyamehl im leckeren Toast steckte….

    1. Nessy sagt:

      Sojamehl? Solange keine Sägespäne drin sind …

  5. ANNA sagt:

    Das Toast etwas Festliches sein kann bzw.etwas was es nur zu besonderen Anlässen gibt,hätte ich jetzt nicht gedacht!
    Dachte ein Brot beim Bäcker wäre teurer als eine Packung davon im Supermarkt?
    Oder ist das die falsche Kausalkette?

    1. Nessy sagt:

      Falsche Kausalkette, der Preis war unerheblich. Toast war in den Augen der gesundheitsbewussten Mutter nicht dafür geeignet, Kinder gesund zu ernähren. Ähnlich wie Miracoli. :)

  6. Nihilistin sagt:

    Können sich heutige Generationen überhaupt noch vorstellen wie es war, als Samstags 13 Uhr die letzte Quelle für Brötchen zu- und erst Montag 7 Uhr wieder aufmachte?

    1. antagonistin sagt:

      In dem Fall kam schon vor Jahrzehnten das seinerzeit von mir heiß geliebte „Knack & Back“ zum Einsatz. Best thing ever an Wochenenden ohne Zugriff auf frische Frühstücks-Backwaren. Sowohl Oma, als auch die Eltern hatten das stets vorrätig. :)

      (Sorry fürs off topic.)

    2. Nessy sagt:

      Ja, irgendwann gab es „Knack & Back“. Man musste die Verpackung an einer Kante aufschlagen und ausrollen, was regelmäßig nicht gelang.

      Haben wir auch gekauft.

    3. protagonist sagt:

      @FrauNessy, man sollte ja auch nicht die Bruchkante auf den Tisch hauen, sondern die Deckelkante, damit die Bruchkante aufplatzen konnte. Ich war damals ein kleiner Steppke und durfte das immer machen, damit ich auch mal auf den Tisch hauen konnte. Unter der Woche durfte ich da ja noch nicht …

    4. Nessy sagt:

      Hätten wir das vor 25 Jahren gewusst!

  7. Chris^2 sagt:

    Ja,
    das mit dem Toast kenne ich auch. Und es ist bei meiner Mutter heute noch so, das gibts nur sehr selten (und direkt eigentlich nur, wenn jemand krank ist). Und ich liebe warmes Toast mit Butter noch genauso ;-)

    1. Nessy sagt:

      Bei Krankheits gab’s Zwieback. Das war nicht so toll.

    2. Lobo sagt:

      Bei Krankheit gabs Zwieback in Kakao. Damals ein Traum, heute eher widerlich :-)

    3. Nessy sagt:

      Spekulatius in Kako, das geht gut.

    4. Frau Vorgarten sagt:

      Kakao mit sonst nichts ist noch besser.

    5. jpr sagt:

      Bei Krankheit gab’s Cola und Salzstangen.
      Das war gar nicht so schlecht, auch wenn die Umstaende nicht so toll waren.

  8. Cliff sagt:

    Sie haben die Toastquelle entdeckt? Sie Glückliche!

    Wissen Sie, was ich an Toast am meisten schätze? Nein, nicht die Konsistenz oder den Geschmack. Sondern die geringe Verletzungsgefahr, die von ihm ausgeht. Haben Sie schon einmal versucht Graubrot zu schneiden, mit einem scharfen Brotmesser morgens um fünf vor dem ersten Kaffee? Und, wissen Sie, ich bin ein Mann, und es ist einfach _unwürdig_ sich eine Schnittverletzung mit einem _Brotmesser_ zuzufügen. Erzählen Sie das mal den Arbeitskollegen!

    Im Übrigen beglückwünsche ich Sie zu Ihrem Autofahrerdasein. Falls Sie Geschichten aus dem ÖPNV benötigen, stehe ich in sechs Wochen gerne zu Ihrer Vefügung, denn heute beginnen in Bayern die Schulferien, und die nächsten Wochen dürften ÖPNV-technisch recht langweilig werden. Abgesehen von hitzebedingt verbogenen Bahnschienen, Ersatzverkehren und in der Pampa gestrandeten Touristen. Aber das ist nur „business as usual“ und nicht weiter bloggens- oder lesenswert.

    1. Nessy sagt:

      Ich habe mir einmal mit einem Brotmesser den Finger bis zum Gelenk durchgesägt. Ich verstehe ich Sache mit der Verletzungsgefahr.

      Touris im ÖPNV – gibt es darüber schon ein Blog?

    2. Cliff sagt:

      Einzelne Beiträge bestimmt, und wenn Taxis als ÖPNV gelten, schauen Sie doch mal bei Sash nach (Gestern Nacht im Taxi). Ansonsten, ich würde gerne ein Blog eröffnen, das „Schüler in Morgenzügen“ (SIMZ) heißt, nur, ohne Audioaufnahmen (die ich nicht heimlich machen möchte, aus Rechtsgründen) wäre das witzlos. Aber ein YouTube-Channel ginge.

    3. Nessy sagt:

      Man könnte die Schülergespräsche, Alta schriftlich zusammenfassen und direkt auf die Kernaussagen komprimieren.

    4. Cliff sagt:

      > auf die Kernaussagen komprimieren.

      „Alda, warum geht mein Face[book] ned.“
      „Ka Ahnung, Alda, hast Strom?“
      „Fa..ffuck, mei Akku is leer. Hastn Stecker?“
      „Ja scho, aber musst aufm Klo laden, weil der Herr Lämpel* mag des ned, wennsd im …“
      „Woaß i. Und am Bahnhof?“
      „He Alda, mir ham grad fünf Minuten. Moansd dei Akku is dann voll?“
      „Muaß glanga.“ (Hochdeutsch: Wird schon reichen)

      *: Name geändert

    5. Nessy sagt:

      Das ist doch schonmal sehr vielversprechend.

      Ich erlebe übrigens nicht nur Klischee-Gespräche, sondern auch philosophische Betrachtung. Also ernsthaft jetzt. Die ganze Bandbreite.

    6. Cliff sagt:

      Auch ich, liebe Nessy, habe das Vertrauen in die Jugend noch nicht verloren. Neulich hörte ich zwei Mädchen zu, die ernsthaft über Mahatma Gandhi diskutierten.

      Aber die Klischeegespräche sind immer noch die schönsten, oder?

  9. Simon sagt:

    Viele wissen ja nicht, dass man Toast in einer guten Bäckerei bekommen kann, das nicht nach Langeweile und Sägemehl schmeckt, wie heutzutage das aus dem Supermarkt. Das mache ich ein paar mal im Jahr und fühle mich am Frühstückstisch wie Damals.

    1. Nessy sagt:

      Es ist wie mit Lindt und der Schokolade aus dem Adventskalender. Manchmal muss es die Adventsschoki sein.

  10. Jule sagt:

    Ja, Toast gab es nur an Weihnachten, für die Roastbeefröllchen an Heilig Abend. Fürs Frühstück nicht zugelassen, außer dem schebbigen Rest nach dem Fest. Und niemals, wirklich niemals aus der gelben Tüte, sondern ausschließlich von Fischer am Rathaus. Vorbestellt und nach gut 1 Std. anstellen auch gekriegt!

    1. Nessy sagt:

      Fischer am Rathaus! Also hier?

  11. Jule sagt:

    Ja, dort!
    Der beste Buttertoast ever!

  12. Lobo sagt:

    warmer Toast mit Honig ………. Ich glaube das ist die einzige Süßigkeit, die mich auch heute noch verführen könnte. Mjam :-)

  13. Aurora sagt:

    Ich wünschte, meine Mutter wäre gesundheitsbewußt gewesen damals… Mein Pausenbrot war Toast. Morgens um 7 Uhr getoastet und gebuttert, die Butter geschmolzen und um halb 10 Uhr wieder hart geworden. Das gabs dann mit geschmacksneutralem Käse.
    Ich hab ein Toast-Trauma.

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